Sieben Statements von Amandus Sattler
„Stadt und Vision“ heißt das Format, bei dem in regelmäßigen Abständen renommierte und international tätige Architekten im Marta mit einem Impulsvortrag neue Anregungen und Ideen für die Architektur- und Stadtentwicklung geben und gemeinsam mit dem Publikum über Visionen des Lebens in der Stadt diskutieren.
Im Juni hatten wir das große Vergnügen Amandus Sattler vom Münchener Architekturbüro Allmann Sattler Wappner Architekten im Marta begrüßen zu dürfen. „Stadt in Sicht – Die Verantwortung für Ästhetik und Nachhaltigkeit“ lautete sein Thema – die sieben stärksten Statements des Vortrags möchten wir unseren BlogleserInnen nicht vorenthalten:
1.
„Früher ging es uns Architekten darum, ein schönes Haus zu bauen. Heute geht es uns darum, die gesellschaftlich relevanten Themen aufzunehmen, sie zu behandeln, mit ihnen spielerisch umzugehen und für sie auch architektonische Antworten zu finden; ebenso wie die Wirklichkeit zu erkennen, diese zu verstehen, zu beschreiben, sie zu gestalten – das ist heute unsere Hauptaufgabe, die uns Architekten entgegen kommt und die uns auch in Atem hält. Architekten gelten heute wieder als Erneuerer. Sie stellen gerade die richtigen Fragen: Wie wollen wir wohnen? Wie wollen wir arbeiten? Wie sollen sich die Städte weiterentwickeln?“
2.
„Unsere Gesellschaft sieht einfach nicht mehr so aus wie vor vierzig oder vor zwanzig Jahren. Wir haben komplett neue gesellschaftliche und familiäre Systeme und wir leben einfach anders als damals. Das wird im Bauen überhaupt nicht beachtet. Ebenso wenig wird darauf geachtet, dass die Stadt auch Lebhaftigkeit, Schönheit, Vielfalt und Experiment benötigt, um ein guter Ort zum Leben zu sein – wir haben uns einfach auf technische Normen verlassen. Viel zu lange haben wir die Ästhetik gegenüber der Technik vernachlässigt. Obwohl gerade Ästhetik für Strategien der Nachhaltigkeit unserer Städte entscheidend ist.“
3.
„Die Moderne hat in ihrer Banalisierung des Bauens sicher dazu beigetragen. Aber durch den Bauboom der letzten Jahre und die Betrachtung von Architektur als Anlageobjekt, Design by Budget, profitabel, vergleichbar und quantifizierbar hat es seinen Höhepunkt erreicht: Immer das gleiche Produkt wird für den Markt hergestellt, aufs Mindeste reduziert, eine Wand und Fenster, oder ein Grid und Fenster. Ohne einen Mehrwert für die Gesellschaft generieren zu wollen, ohne die Beachtung des gesellschaftlichen Wandels, der andere Nutzungsmöglichkeiten benötigt.“
4.
„Was ist Baukultur? Über die Begriffe Baukultur und Nachhaltigkeit wird viel gesprochen und geschrieben. Beide Begriffe haben gemeinsam, dass sie keine eindeutige Bedeutung haben und dass das, was mit ihnen verbunden wird, verloren gegangen zu sein scheint. Doch was ist Baukultur? Bei Baukultur geht es sicher um die „Qualität der Herstellung von gebauter Umwelt“. Darüber aber, was diese Qualität ausmacht, lässt sich bekanntlich streiten. Baukultur ist ja zunächst Abbild und Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse. Sie sind natürlich auch verbunden mit deren Interessens- und Machtstrukturen und Wertvorstellungen. Hinsichtlich der Frage, welche „Kultur des Bauens“ wünschenswert ist, mag es zwar Einigkeit über grundsätzliche Zielsetzungen geben, aber es treten auch fundamentale Gegensätze zu Tage, die nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Interessens- und Wertevorstellungen zurückzuführen sind. Von einem einheitlichen Verständnis „guten“ Bauens kann man also nicht ausgehen in unserer Gesellschaft, weder hinsichtlich der Ziele, noch hinsichtlich der Wege dorthin. Der Abwägungsprozess und die Auseinandersetzung über Architektur ist Teil des politischen Prozesses und folglich ist Baukultur auch Politik.“
5.
„Damit eine Großstadt für viele bezahlbar bleibt, hat die Stadt die Pflicht Regeln zu entwickeln. So gibt es in Städten Regeln wie „Kooperative Baulandmodelle“, die die Landvergabe an ein Konzept knüpfen und Investoren verpflichten, auch Folgekosten für soziale Einrichtungen, Freiflächen und Infrastrukturmaßnahmen zu tragen. Zudem geregelte Wohnmodelle, die Bauträger bei der Erstellung von Wohneinheiten verpflichten, mindestens 30 % der Wohnungen als öffentlich gefördert zu bauen. Die Idee der Stadt, in der wir leben wollen, die muss vor dem Haus da sein – wir können nicht einfach vor uns hinbauen. Auch wenn jedes einzelne Haus toll geplant ist und super aussieht, so ist es keine Stadt, die entsteht. Die Idee der Stadt sagt dem Architekten am Ende auch, wie sein Haus auszusehen hat und nicht umgekehrt.“
6.
„Nachhaltigkeit gestalten – Design can change society. Architektur kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen und nicht reparieren, was in politischen Entscheidungen vertan wird. Aber wir müssen die Potentiale ausschöpfen, die Architektur über die technische Erfüllung der Aufgabe hinausgehend in allen Bereichen besitzt. So können Gebäude und Bauherrn erfolgreicher gemacht werden und auch den Menschen, die sie benutzen, kommt das zu Gute. Die Gesellschaft braucht bezahlbaren Wohnraum. Architektur ist ein Werkzeug, das helfen kann diesen Bedarf zu decken. Hierzu müssen wir über Ästhetik und Architektur mit unseren Bauherrn sprechen und dabei eine Sprache entwickeln, die sowohl sie als auch die Gesellschaft versteht.“
7.
„Am Entstehen von Architektur sind viele beteiligt – Planungspartner, Bauherren, Institutionen, Politiker, Nutzer. Das Gelingen eines Projektes hängt im Wesentlichen davon ab, wie Menschen miteinander arbeiten und kommunizieren. Am Besten auf Augenhöhe und mit Respekt. Die Reflexion des eigenen Tuns ist daher ein wesentlicher Teil des kreativen Arbeitsprozesses. Wir Architekten müssen uns darum kümmern, das für die Stadt Orte mit definierter und konkreter Raumbildung entstehen, die Orientierung bieten und bedeutungsvolle öffentliche und sinnliche Erfahrungen ermöglichen. So bleibt die Stadt der Ort der Möglichkeiten, der Hoffnungen und Träume.“