#BesucherMacht: Risiken von Kreativität – Chancen von Leichtigkeit
Wie leicht ging das denn? Man wählte auf der Seite paarweise.marta-herford.de zwei Werke aus, kommentierte seine Wahl und sandte sie den Marta-Kuratoren als Vorschlag zur Ausstellung „Paarweise. Neue Werke in der Sammlung Marta“.
Das Experiment, als Gastkurator einer Ausstellung tätig zu werden, zeigte neben der grundsätzlichen Geste der Beteiligung vor allem auch, wie mühelos und wenig aufwendig hier eine Idee realisiert werden konnte. Kreativität und Leichtigkeit? Das klingt doch irgendwie nach Selbstüberraschung, Genuss durch eigene Ideen.
Was genau heißt aber Leichtigkeit in diesem Zusammenhang angewandter Kreativität? Jede Nutzung einer vorhandenen Technik hat den Vorteil, dass sie einem viele lästige Dinge abnimmt, die das Leben mühsam machen. Das schnelle Reagieren auf Ideen anderer ermöglicht aber auch eine scheinbar mühelose Form der Interaktion unterschiedlicher Autoren. Bestimmt eine allgemein zunehmende Leichtigkeit nicht die heutige Arbeitsweise, die sich im Umgang mit Bildern, Texten und anderen Informationen im Netz abzeichnet? Wie leicht ist es heute am Bildschirm schreibend seine neuesten Ideen zu posten und darauf zu warten, dass Ideen anderer auf gemeinsame Weiterbearbeitung warten? Und wie mühelos erscheint es gerade heute durch bestimmte Techniken wie Vergleichen und Neu-Kombinieren neue Thesen zu erzeugen, die ihrerseits auf frische Aufmerksamkeit stoßen? Ist das Leichte nicht auch Ausdruck einer Weise, in/mit der Ideen geboren werden?
Nicht nur als User sozialer Netzwerke bemerkt man, dass die heutige kommunikative Technik zwei Aspekte miteinander kombiniert, deren Zusammenhang früher so nicht bewusst realisiert wurde: Auf der einen Seite eine gewisse Form von leichter Anwendbarkeit und auf der anderen Seite der Wunsch ein Problem zu fokussieren. Jede/r, die/ der heute mit Kunst und Besuchern vermittelnd im Gespräch ist, weiß, wie schwierig, aber auch wie herausfordernd es sein kann, einen Punkt zu bestimmen, an dem einerseits ein Thema aktuell beleuchtet wird und gleichzeitig als interessant und diskussionswürdig formuliert wird. Die auf Kuratorenseite in den letzten Jahren überaus gerne verwandten Gesten des Überraschens, Irritierens und Andersdenkens sind so betrachtet ein Versuch, das schmale Kapital an Aufmerksamkeit, das Besucher in Ausstellungen mitbringen, immer wieder neu zu entfachen. Ausstellungen werden heute zunehmend daraufhin konzipiert, wie sie mit einer möglichst wenig anstrengenden Leichtigkeit dem Bedürfnis der Besucher nach entspannter Atmosphäre entgegen kommen. Galt Bildung in früheren Zeiten aus Ausweis von Arbeit, so ist Vermittlung heute durch Selektion von aktuellen Themen und Verbreitung eines positiven Umfelds geprägt. Wohl nicht ohne Grund sind die Ausstellungen, die sich zur Zeit dem niedrigschwelligen, leicht zugänglichen Phänomen des Selfies widmen, so unglaublich erfolgreich. Erstaunlich ist, wie gerade das Nutzen der sozialen Medien die Leichtigkeit befördert: das Liken und Retweeten dauert nur wenige Sekunden und schon ist die Erfahrung der Gegenwart wieder eine andere geworden.
Je unbestimmter heute hohe Erwartungen an Kunst und deren Vermittlung formuliert werden, mit denen Betrachter Kunstwerken begegnen, desto weniger wird es auch zwingend notwendig die Grenzen dessen zu bestimmen, innerhalb derer Ideen der Vermittlung von Kunst definiert werden müssen. Anstatt zu fragen, ob und wie ein Vergleich zwischen Kunst und Vermittlung gelingt, kann man vielleicht auch einmal vom Gegenteil aus weiterdenken: Je provozierender eine Trennung zwischen Kunst und Vermittlung errichtet wird, desto leichter und müheloser kann man heute ebenso gut das Gegenteil behaupten. Dass die zunehmende Nähe zwischen beiden Größen nicht nur technisch bedingt sehr leicht geworden ist, ist die eine Seite des Arguments. Die andere Seite ist die Erfahrung, dass die unbekannte Seite der Leichtigkeit die Mühe reproduziert, mit der hier eine Form von kunstbezogener Vermittlung erprobt wird.
Was muss ein kreativer Umgang mit den Ansprüchen an Kunst und Kunstvermittlung leisten ohne dabei die Ideen von Kunst preiszugeben? Auch so kann man die Diskussion um die Ansprüche gelingender Kunstvermittlung der letzten Monate umreißen. Sollte man nicht stattdessen von den Folgen einer möglich gewordenen Leichtigkeit statt provozierend von Banalisierung sprechen? Eine kritische Dimension der aktuellen Unterscheidung zwischen Leichtigkeit und angewandter Kreativität liegt womöglich in der bewusst riskierten Übersteigerung oder der Unterschreitung von Ansprüchen gegenüber dem Wert und der Wertigkeit von Kunst. Je leichter heute Kreativität auch (argumentations-)technisch durch einfach zu realisierende Kombinationen oder Relationen herstellbar wird, desto wahrscheinlicher wird es, dass die entstehenden Ergebnisse auch relativ banale Effekte wie etwa bewusste Übertreibungen und Zuspitzungen produzieren können. Ist Leichtigkeit ein Effekt angewandter Kreativität (so wenig kreativ diese auch in Wahrheit sein mag), so ist drohende Banalität das Risiko, das Kreative wie auch weniger kreativ Begabte eingehen, wenn sie meinen oder glauben im Namen des Mediums KUNST etwas Unvergleichbares in die Welt zu setzen. Am Ende beschleicht gerade die Kreativen die Ahnung, dass das heutige Kreativsein(müssen) nicht doch auch eine einseitig hoch gezüchtete Form von Praxis darstellt, die es ihrem Anwender vor allem ermöglicht, sich ganz im Ansehen und der Exklusivität des Mediums zu sonnen, das heute ohne Zweifel eine Art Kultstatus genießt: dem Medium Kunst, an dessen Wertsteigerung alle auf ihre Art arbeiten – und dabei selbstkritische Positionierungen möglichst elegant ausblenden.
P.S.: Vielen Dank an Kim Lempelius, die mich im Gespräch zu „Paarweise“ auf die Idee der Leichtigkeit brachte.
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