Eine Reise ins Bild von Thomas Huber
Ein Bild in einem Raum von einem Bild in einem Raum. Während meiner Mitarbeit als Praktikantin stieß ich im Rahmen der Organisation der kommenden Ausstellung auf diese Arbeit von Thomas Huber.
„Nr 31“ ist seit der Wanderausstellung „Thomas Huber. rauten traurig“ im Jahr 2008 Teil der Sammlung Marta. Das Werk des Schweizer Künstlers lädt zum Betrachten und Verweilen ein. Darum will ich mich einmal setzen und mir ein Bild von diesem Werk machen. Die passenden Stühle hat Huber schließlich schon bereitgestellt.
Künstler oder Architekt des Bildes
Und somit willkommen in „Huberville“. „Huberville“ ist eine von Thomas Huber (*1955 in Zürich, lebt in Berlin) fiktiv konstruierte Welt, die uns in abstrakte Räume entführt. So auch in den Raum, in dem ich mich gerade befinde. In dieser Bild-Raum-Konstruktion ist ein enges Zusammenspiel zwischen Architektur, Gestaltung und Kunst zu erkennen. Diese Synthese verleiht dem Ort Ausdrucksstärke und seine prägnante Komposition. Hohe Decken definieren ihn, die ebenso wie die nackten Wände in reinem Weiß gehalten werden. Der Fußboden ist mit grauen, glänzenden Fliesen verlegt, in denen sich der Raum spiegelt und ihn noch größer erscheinen lässt. Diese Dimension lässt mich hingegen ganz klein wirken.
Der Raum hat eine ruhige, geordnete Wirkung. Dafür sorgen die streng geometrischen Formen und die kühlen Farbtöne. Es scheint alles im Einklang zu sein. Doch simultan versprüht er mit seiner Farb- und Formsprache eine Leere, Kälte und Einsamkeit. Wenn ich mich so umschaue, sehe ich keine Anzeichen für Kommunikation, Interaktion oder dergleichen. Das einzige Objekt in diesem Raum ist eine blaue, eckige Konstruktion, in der ein Bild eingefasst ist. Ich sitze im Stuhl direkt davor. Auf dem Bild sieht man den Glockenturm der Thomaskirche in Basel, der von Hubers Vater entworfen wurde. Die Stühle, auf denen ich sitze, verweisen auf die Tätigkeit der Mutter als Gestalterin. Somit treffen auch in diesem Aspekt die Komponenten Architektur, Gestaltung und Kunst aufeinander.
Auseinandersetzung mit Kunst findet anderswo statt
Ich frage mich, weshalb diese Stühle leer waren und auch sonst niemand darauf wartet, dass ich meinen Platz verlasse und einem anderen Besucher überlasse. Das ist eine berechtigte Frage. Immerhin befinde ich mich augenscheinlich in einem Museum und die Werke wollen gezeigt und gesehen werden. Gezeigt werden sie. Und gesehen auch. Jedoch nicht im Museum, sondern anderswo. Und nicht anhand von Ausstellungen, sondern anhand anderer Formate. Klingt paradox? Ist es auch.
Thomas Huber hat diese Paradoxität und ihre Ursache zum Thema seiner Arbeit gemacht und die Leinwand als Projektionsfläche für seine Kritik verwendet. Ich bin der Ansicht, dass der Raum einsam und unpersönlich wirkt. Huber würde meine Eindrücke sicherlich teilen. Das Problem sieht er in der Sterilität von Ausstellungsräumen und Museen, die er hier deutlich darstellt. Diese schreckt potenzielle Besucher ab, sodass sich die Menschen stattdessen in den eigenen vier Wänden mit Kunst beschäftigen. Indem sie ihre Nase in eine Publikation stecken oder im Internet surfen. Und die Stühle bleiben leer. Würde ich in diesem Moment nicht auf den Stühlen sitzen, würde jegliches Leben in dem geometrisch-abstrakten Raum und dem Werk fehlen.
Auseinandersetzung mit Kunst findet genau hier statt
Leider ist meine Reise für heute auch schon vorbei und ich muss die Fiktion wieder gegen die Realität eintauschen. Die Räumlichkeiten des Museums Marta sind mir auch lieber als Hubers menschenleerer Ausstellungsraum. Wer sich intensiver mit Thomas Hubers „Nr.31“ auseinandersetzen will, sollte uns einen Besuch abstatten. Seine Werke sind geprägt von einer klaren Formen- und Farbsprache, die mit Abstraktion und Raum spielt und von einem modernen Elementarismus inspiriert wird.
Gemeinsam mit weiteren zeitgenössischen KünstlerInnen ist Huber daher Teil der kommenden Ausstellung „Revolution in Rotgelbblau“ (ab dem 14. Oktober) rund um die Künstlerbewegung De Stijl und den niederländischen Architekten Gerrit Rietveld, der die vorangegangenen Aspekte in seinem architektonischen und gestalterischen Schaffen verkörperte. Die Werke der zeitgenössischen KünstlerInnen spiegeln in der Ausstellung auf unterschiedlichste Weise den historischen Kern über Rietvelds Leben und Werk wider.
Hinweis:
Der Blogbeitrag stammt von Vanessa Schwarkow, die Kultur- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bremen studiert. Noch bis Anfang Oktober unterstützt sie das Kuratorische Team im Marta als Praktikantin bei den Vorbereitungen zur Ausstellung „Revolution in Rotgelbblau – Gerrit Rietveld und die zeitgenössische Kunst“.