Into the Wild
Das andere, natürlich viel spannender anmutende Ufer scheint unerreichbar. Dort drüben wächst ein weißer Baum und verwandelt sich in eine Leiter im Fluss. Dies ist der letzte Ausstieg aus den Fluten der Aa, bevor diese nach der nächsten Kurve in die Werre mündet.
Schon an meinem ersten Tag im Marta Herford war ich fasziniert von der Skulptur des Niederländers Nick Hullegie am gegenüberliegenden Ufer des Museums. Der Besucher begegnet dem Sammlungswerk jedoch nicht zufällig; kommt und verlässt man das Marta durch den Haupteingang, wird man es vergeblich suchen.
Grow Up
Nähert man sich dem Museum allerdings von der Seite des Flusses, hebt sich die strahlend weiße Skulptur deutlich vor der dicht bewachsenen Böschung ab. Gemäß ihres Titels „Grow Up“ wächst sie aus der Erde und erhebt sich filigran, fast tänzelnd, dennoch fest verwurzelt zu einem Stamm. Dieser wird immer größer und verwandelt sich dann in eine Leiter, die in das Wasser eintaucht.
Plan B
Mir gefällt einerseits die Idee, die Leiter als Rettung zu sehen. Ausweglos im Strom des Flusses gefangen, eröffnet sich plötzlich die Möglichkeit eine Sprosse zu ergreifen und sich ans andere Ufer zu retten. Andererseits ist sie als Chance zu verstehen. Allein sie bietet die Möglichkeit das unerreichbare, unbekannte und ungewisse Ufer zu erreichen. Sie lockt den Betrachter auf die andere Seite. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass es sich lediglich um eine Leiter zum Heraussteigen aus dem Fluss und vom oberen Ende ans Ufer springen, handelt. Der Rückweg bleibt abgeschnitten, es gibt kein Zurück mehr.
Das Kunstwerk spielt mit dem Traum vom Aussteigen. Die Zivilisation hinter sich lassen, dem Sehnsuchtsruf der wilden einsamen Schönheit der Natur folgen und ein Leben „in der Wildnis“ leben. Ein modernes Abenteuer, an welches ich morgens auf dem Weg ins Museum beim Anblick des Werkes gerne denke – „Grow Up“ als Rettung vor dem Erwachsenwerden, als Aufruf jung zu bleiben!
Hinweis:
Das Werk gehört seit der Ausstellung „LEERE X VISION – Körper und Gegenstände“ (26.10. – 22.11.2003) zur Sammlung Marta.