Künste und Sterne: Vergleiche wagen in der Gegenwart
Was ist der Unterschied zwischen einem Funkloch und einem Geistesblitz? Diese scheinbar absurde Frage stammt nicht etwa von einem Politiker, sondern demonstriert, wie inspirierend und smart es sein kann, mit (un)passenden Vergleichen sofort Aufmerksamkeit zu generieren.
Oder anders gesagt: Wenn Visionen fehlen – einfach mal neue Vergleiche wagen und schauen, was sich daraus ergibt. Ein Vergleich ist dabei nur so gut wie der Witz, der entsteht, wenn die Konsumenten/Leser/Besucher Neues lernen…eine Auswahl:
Über Witz und Verstand
„Wie viele Ideen schweben nicht zerstreut in meinem Kopf, wovon manches Paar, wenn sie zusammen kämen, die größte Entdeckung bewirken könnten. (…) Der Witz ist der Finder (Finder) und der Verstand ist der Beobachter“. (Johann Christoph Lichtenberg, Wenn ein Buch und ein Kopf zusammen stossen. Aphorismen zum 275. Geburtstag, hrsg. von Ulrich Joost, Göttingen 2017.)
Über Zufrühgekommene und Zukünftiges
„Die Geschichte ist das Verzeichnis der Zufrühgekommenen. Da wacht immer wieder Einer in der Menge auf, der in ihr keine Ursache hat und dessen Erscheinen sich in breiteren Gesetzen gründet …. Rücksichtslos redet Zukünftiges durch ihn; und seine Zeit weiß nicht, wie sie ihn werten soll. Und durch dieses Zögern versäumt sie ihn (…).“ (Rainer Maria Rilke, Über Kunst (1898), in: R. M. Rilke, Schriften Hg. von Horst Nalewski, Ffm. 1995.)
Über Künste und Sterne
„Wie der Künstler befasst sich auch der Historiker mit der Darstellung von Zeit. (…) Die Vergangenheit zu kennen ist ebenso aufregend wie die Sterne zu kennen. (….) Insofern haben Astronomen und Historiker eines gemeinsam: sie befassen sich beide mit Erscheinungen, die sie in der Gegenwart wahrnehmen, die aber in der Vergangenheit geschehen sind.“ (George Kubler, Die Form der Zeit, Ffm. 1982 (Original: The shape of time, 1962.))
Über Neues und über Menschen
„Natürlich schafft man bei jeder Transkription etwas Neues. Wir Menschen sind viel zu nervös und zu komplex, als dass wir Kopien von irgendetwas machen. Aber dieses Neue kann auch aus einem Fund entstehen. Unsere Körper, unsere Vorgeschichte, die uns zu Menschen macht, (sind) die Wurzel der Kunst.“ (Alexander Kluge, Künstler sind Pilotfischchen, Frankfurt Allgemeine Sonntagszeitung, 17. September 2017.)
Über Schmuck und Geheimnis
„Schmuck sagt „ich“. Schmuck ist ein soziales Werkzeug, weil er diejenigen, die ihn anfertigen, dazu zwingt, sich zu fragen, wie er wirkt. „Wirkung“ hat entsprechend eine doppelte Bedeutung: Kausalität und Impression. Schmuck ist mit seinem „Seht her“ also einerseits, wie Simmel es formuliert hat, „der Antagonist des Geheimnisses“. Zum anderen wirkt er am besten, wenn er selbst ein Geheimnis behält, etwa das seiner Herkunft oder seiner Form.“ (Jürgen Kaube, Die Anfänge von Allem, Berlin 2017.)
Über Europa, über Kryptonit und über Verbraucher
Europa ist heute ein Thema, bei dem fast jeder schlechte Laune bekommt. Es ist politisches Kryponit: Wie das grün schimmernde Gestein in den Geschichten von Superman raubt es jedem alle Kräfte. ( …) Europa wurde für Verbraucher konzipiert. Für Leute, die mit Geld, das sie nicht haben, Dinge kaufen, die sie nicht brauchen. (Nils Minkmar, Unterforderung macht depressiv. Der Spiegel, 39/ 2017.)
Über Vergleichbarkeit und die Gegenwart des (Neu-)Beginnens
Alles begann wie es jetzt beginnt: damals und jetzt, neu und anders, hier wie dort. Doch die „Vergleichbarkeit des Verschiedenen“ (Niklas Luhmann) beginnt neu nur dann und insofern es in engeren Grenzen und im Vergleich mit einer nächsten Gegenwart, einem nächsten Beginn geschieht.
Wie das in seiner lebendigen Gegenwart aktuell Anwesende verwandelt sich alles hier gegenwärtig Verglichene im Laufe seiner Geschichte in die Form einer fernen Darstellung – eine ihrer noch unbekannten, erst noch zukünftigen Zeit. Lösungen für die Probleme, die dabei entstehen, transformieren alles – einschließlich dieses Texts in Formen einer neuen, erweiterten Vergleichbarkeit. (Michael Kröger, 2017.)