Kulturnacht im Marta
Die Herforder Kulturnacht – so viel klingt schon im Namen an – ist eine Veranstaltung, die es ermöglicht Kultur über die gewohnten Öffnungszeiten hinaus genießen zu können, zumindest an diesem einen besonderen Tag im Jahr.
Zudem müssen zu diesem Event keine Eintrittsgelder entrichtet werden und jeder der beteiligten Orte bereitet ein besonderes Programm für die BesucherInnen vor. Aber wie verändern sich das Verhalten und die Atmosphäre, wenn das Museum plötzlich samstagsabends besucht wird?
Wenn man die Straßen der Kleinstadt Herford an diesem Abend betrachtet, fällt auf, dass sie von vielen Passanten und kleinen Grüppchen bevölkert sind, die von einen zum anderen Programmpunkt schlendern. Denn auch das ist ein wesentlicher Bestandteil einer Kultur- oder Museumsnacht: An diesem Abend muss man sich nicht auf den Besuch einer Einrichtung beschränken, sondern kann nach Herzenslust entdecken. Durch den freien Eintritt gibt es keinen Grund nicht in eine weitere – vielleicht auch bislang unbekannte – Institution hineinzuschauen.
Dementsprechend zeigt sich der Eventcharakter der Kulturnacht nicht nur in den belebten Straßen, sondern auch in der Fluktuation im Museum: Es herrscht ein reges Kommen und Gehen, auch dadurch, dass heute der Umweg über den Empfangstresen, um eine Eintrittskarte zu erwerben, nicht verpflichtend ist und die BesucherInnen unmittelbar in die Ausstellungsräume strömen können.
In den Ausstellungsräumen selbst kann man beobachten, dass die Kunst scheinbar anders als sonst rezipiert wird: An gewöhnlichen Öffnungstagen des Museums herrscht eine sehr ruhige, entspannte Atmosphäre und die meisten Besucher – wenn sie denn nicht als Gruppe das Museum besuchen – sind in sich gekehrt. Wenn gesprochen wird, dann geschieht das doch meistens sehr leise, beinahe flüsternd. Während dieser Kultunacht aber finden zahlreiche muntere und angeregte Gespräche statt – nicht nur kunsttheoretische, sondern auch ganz banale und alltägliche. Das Museum scheint noch mehr als sonst zu einem Ort der Begegnung geworden zu sein – sowohl zwischen Menschen als auch zwischen ihnen und der Kunst.
Gelegentlich fallen humoristische Bemerkungen zu den ausgestellten Werken – aber auch das oftmals eine Form der Annäherung. Die Marta-Kunstsprecher sind an diesem Abend immer wieder im Gespräch, erklären den Besuchern, von denen einige an diesem Tag das erste Mal das Marta besuchen, die Architektur und die Besonderheiten des Hauses oder sprechen gemeinsam mit ihnen über die Ausstellung und ihre Exponate. Ein Vorteil dieses abendlichen Museumsbesuchs: Die Marta-Kunstsprecher, deutlich erkennbar an ihren T-Shirts, sind den ganzen Abend verfügbar, um Fragen zu beantworten und über Kunst zu sprechen. Die Hürde als Besucher jemanden anzusprechen ist somit noch geringer als sie ohnehin bei unserem kommunikativen und informierten Besucherservice ist.
Das Marta-Forum wurde an diesem Abend zu einem Kurzfilmkino umnfunktioniert: Ein einstündiges Programm aus dem Bestand der bekannten Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen schafft etwas Festivalatmosphäre im Museum. Die sechs Kurzfilme widmen sich dem Ausstellungsthema „Momente der Auflösung“ auf unterschiedliche Weise: formal, persönlich, nüchtern, humorvoll, subtil und auch explizit.
Im Rahmen von solchen Veranstaltungen wird oftmals der Vorwurf der Eventisierung und einer damit einhergehenden Verflachung des kulturellen Angebots laut. Jedoch ist eine Veranstaltung wie die Kulturnacht eben auch die Möglichkeit als Museum zu zeigen, auf welchen Ebenen dem Bildungsauftrag nachgekommen wird und welche unterschiedlichen Zugänge für (potenzielle) Besucher ermöglicht werden. So viele BesucherInnen, wie das Museum in den wenigen Stunden der Kulturnacht hatte, erhält es in der gleichen Zeitspanne an anderen Tagen oftmals nicht. Vielleicht wäre dann aber auch eine ruhige und introvertierte Kunstrezeption, wie sie einige Kunstfreunde bevorzugen, nicht mehr möglich.
Die zahlreichen BesucherInnen haben die Räume, die Ausstellungen und einen Teil des musealen Angebots entdeckt und einen Samstagabend in einer angenehmen und lockeren Atmosphäre verbracht – in der kupferbar klang die Kulturnacht bei Livemusik und Drinks gemütlich aus. Natürlich hoffen wir, dass die BesucherInnen mehr als nur gute Erinnerungen an diesen einen Abend mit nach Hause nehmen und ein stärkeres Bewusstsein für unser differenziertes Ausstellungs – und Veranstaltungsprogramm entstanden ist. Für eine erste (Wieder-)Annäherung, für die Information über das Angebot und einen Eindruck des Museums sind solche Events heute unverzichtbar.