Wörterbuch KunstSprech (3) →Position
„Fünfzig Positionen, zehn Museen, eine Ausstellung“ – das war die RuhrKunstSzene 2014, und es scheint fast so, als wollte man mit dieser stakkatohaften Setzung auch gleich die unzweifelhafte Bedeutung dieser Initiative in Stein meißeln …
Kunst, festgemauert in der Erden … (*) Aber auch sonst steht man in diesem Jahr wieder unverrückbar und mit beiden Beinen auf dem betonharten Boden der künstlerischen Selbstbehauptung: „Frankfurter Positionen 2015“ bot uns die BHF-Bank Stiftung, während in München die „Euroboden Positionen“ organisiert werden, Augsburg zeigte „22 textile Positionen“ und der BBK Hamburg widmete sich der „Position. 2015“. Schier endlos könnte man diese Aufzählung weiterführen, bis hin zu „Positionen der Outsider Art zu Gast“ – und mit manch sprachlichem Geklöppel noch weit darüber hinaus …
Es ist eine ziemlich aberwitzige, allein der Phrasendreschmaschine Kunstbetrieb entsprungene Entwicklung, dass heute nahezu flächendeckend die Worte „Künstlerin“ oder „Künstler“ durch „Position“ ersetzt werden. „Diese Ausstellung zeigt 14 junge internationale Positionen aus Großbritannien, Ungarn, den USA und Deutschland. Es sind Künstlerinnen und Künstler, die …“ (die Quellenangabe lassen wir hier mal beiseite, denn es gäbe ganze Seiten mit dieser Art Zitat zu füllen) lautet ein geradezu standardisiertes Formulierungsgerüst, das übernommen und repetiert wird, ohne noch weiter über die Implikationen nachzudenken.
Denn was beschreibt diese Wandlung des Sprachgebrauchs? Warum werden die menschlichen Schöpfer von Kunst durch ein Abstraktum, einen unspezifischen Standpunkt ersetzt? In erster Linie geht es schlicht um die Erhöhung des Adrenalinpegels, um mehr Bedeutung, die dem eigenen Sprechen zugemessen wird. Wer „Positionen“ vorstellt, der geht mit Gewichtigem um. An Positionen kann man nicht einfach vorbeisehen, sie sind gesetzt, verharren und behaupten sich wie ein Fels in der Brandung, ein Baum innerhalb eines flüchtigen Umfelds.
Position als Stillstand
Doch solcherart eigentlich banale Verschiebungen im Sprachgebrauch sind in der Regel auch bezeichnend für Perspektivwechsel. Denn das Bewertungssystem Kunst hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Es begann damit, dass Akademien und Kunsthochschulen ihren jährlichen Rundgang immer offensiver nach außen bewarben und somit nicht nur interessierte Kollegen, Freunde und Bekannte, sondern auch Ausstellungsbetrieb und Kunstmarkt verstärkt anzogen. Gerade in den Galerien, aber auch in so manchem Kunstverein galt die „junge Künstlerin“ oder besser noch die „junge Position“ plötzlich als hohes Qualitätsmerkmal. Diesen Nachwuchs suchte man mehr und mehr in den Lehranstalten, nicht um ihn behutsam aufzubauen, sondern um ihn entweder als Garant für des Kurators Trüffelnase zu präsentieren oder aber um gleich die Produktion für den Verkauf abzuschöpfen. Man „entdeckte“ Talente, gerne auch noch mitten in der Ausbildung. Nicht nur in ihrer ersten Einzelausstellung haben sich diese „jungen“ KünstlerInnen umgehend zu bewähren, sondern auch der Markt erwartet Konsistenz und Professionalität aus dem Stand heraus, soll die Goldgräberstimmung nicht umschlagen. Der Käufer aber sucht nicht nur das Unverbrauchte, Frische, sondern paradoxerweise zugleich auch das Beständige und Werterhaltende.
So wurden aus den jungen KünstlerInnen gleich schon einmal „Positionen“. Und auch in der Kommunikation wird tunlichst darauf geachtet, dass mit der Werkentwicklung verbundene Suchbewegungen, offene Prozesse und unterschiedliche Werkphasen nicht mehr vorkommen. Man hat „Position“ zu beziehen und diese unverrückbar zu verteidigen, man soll sich abgrenzen, abheben und keinesfalls die Wiedererkennbarkeit dadurch gefährden, dass sich Haltung und Erscheinung innerhalb der künstlerischen Auseinandersetzung verändern.
Und selbst wenn man großen Künstlern wie beispielsweise Franz Erhard Walther zweifelsohne im Rückblick die Erarbeitung und vielgestaltige Ausformulierung einer Position zubilligen mag, so bleibt der grundsätzliche Zweifel, ob eine solche eigentlich zum Wesen der zeitgenössischen Kunst passt. Die künstlerische Auseinandersetzung in der Gegenwart folgt doch vor allem einem offenen Konzept, das gerade von der grundsätzlichen und lebenslangen Infragestellung des Selbstverständlichen, des sicher Geglaubten lebt. Umwege, Volten, Sidekicks, Irrtümer, Sprünge, Kehrtwenden – all das ist lebendiger Bestandteil einer Werkentwicklung, die doch gerade dadurch überzeugend wird, dass sie nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst immer wieder neu hinterfragt. Denn eigentlich ist die Kunst das genaue Gegenteil einer Position, sie ist Bewegung, Standortveränderung, Displacement, Blickwechsel. In diesem besten Sinne interessieren wir uns im Marta Herford für KünstlerInnen allen Alters und zeigen deren Schaffen – und nicht ihre Position.
Register
Wörterbuch KunstSprech (9) → hinterfragen
Wörterbuch KunstSprech (8) → wir
Wörterbuch KunstSprech (7) → raumgreifend
Wörterbuch KunstSprech (6) → Ikone
Wörterbuch KunstSprech (5) → Arbeit
Wörterbuch KunstSprech (4) → spannend
Wörterbuch KunstSprech (2) → kuratieren
Wörterbuch KunstSprech (1) Einführung: Fachsprache vs. Fachsprech
10 Replies to “Wörterbuch KunstSprech (3) →Position”
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Einmal mehr ein sehr guter Text. Das Phänomen „kunstsprech“ wird sehr treffsicher entblättert und ergäbe nach hinten raus ein durchaus sinnstiftendes Handbuch. Ergänzend zum Thema der Position möchte ich noch in den Raum stellen, dass – für mein Empfinden – der Begriff „Position“ das Werk von der Künstlerpersönlichkeit (mit all ihren Talenten und Defekten) abkoppelt. Die Ganzheitlichkeit von Werk und Künstler wird aufgesplittet in ein Produkt, eine Position, die ohne biografische Sentimentalitäten bzw. Rücksichtnamen zur Schau gestellt oder auch eingelagert werden kann. Zudem entspricht die Erfassung von „Positionen“ auch dem Bedürfnis von geradezu nautisch präziser Kartographierung der künstlerischen Ereignisse, also einer kontrollierbaren, domestizierenden Beobachtung der Szenerie. Ob das der Kunst gerecht wird? Kunst sollte doch eigentlich der Eisberg im gesellschaftlichen Ozean sein. Ohne Positionslichter.
Lieber Herr Kopp, da ist uns in der vergangenen Nacht leider ein Administrator-Fehler unterlaufen, der dazu führte, dass Ihr Kommentar kurzfristig verschwunden war und meine Antwort verloren ging. Ein zweiter Kommentar ließ sich ebenfalls nicht mehr retten (falls der Autor sich noch einmal meldet, würde ich mich sehr freuen!). Ansonsten: Herzlichen Dank für Ihre kluge Rückmeldung, der ich nur zustimmen kann. Ich freue mich sehr, dass dieses „Lexikon“ so interessierte Leser findet und werde es immer wieder mal um einen Eintrag ergänzen.
Mit herzlichen Grüßen
Roland Nachtigäller
Ceal Floyer hat 2007 dazu übrigens eine Arbeit gemacht: „No positions available“, so der Titel.
Beste Grüße
Friederike Fast
Liebe Friederike,
Danke für den Hinweis – das ist doch ein schöner Beleg dafür, dass auch die KünstlerInnen sehr aufmerksam darauf schauen, wie wir als Vermittler ihrer Werke darüber sprechen.
Viele Grüße
Roland
Sehr richtig! Besonders bemerkenswert ist tatsächlich der Subtext, der mitgeliefert wird, dass so ein Künstler halt eine Position hat. Und nur eine. Früher hieß es „Masche“. Oder kunstgeschichtlich „Fachmaler“. Und genau so ist dann auch ein gut Teil der Kunst von gestern wir heute, kennste ein Werk eines Künstlers, kennste alle (und eben genau eine Position).
Ich habe mir angewöhnt, Texte und Werbebotschaften des Kunstbetriebs zu lesen aufzuhören, sobald das Wort „Position“ in diesem Sinne auftaucht. Wer damit wirbt, muss also ohne meinen Besuch auskommen. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich irgendetwas verpasst hätte…
Zur Verteidigung der KünstlerInnen würde ich ja noch anführen, dass solche Begrifflichkeiten sehr häufig an diese von außen herangetragen werden, also eben Kuratorenjargon sind. Insofern ist Ihr Umschiffen von Ausstellungen mit „Positionen“ sicherlich nachvollziehbar, tut aber vielleicht auch manch Kunstschaffender/dem etwas Unrecht.
Mit besten Grüßen
R. Nachtigäller