Pax Optima Rerum – 5 Fragen an den Marta Preisträger Simon Wachsmuth
Was fasziniert zeitgenössische Künstler an historischen Ereignissen? Wie kann man diese aufgreifen und in die Gegenwart transportieren?
Der Marta-Preisträger Simon Wachsmuth thematisiert in seiner Installation „Pax Optima Rerum“ den 30jährigen Krieg und dessen Folgen auf die Region Ostwestfalen. Zusammen mit Herforder Akteuren diskutierte er am vergangenen Mittwoch die von ihm aufgestellten Bezüge zur Hexenverfolgung in Herford und den Auswirkungen des nahen Kriegsschauplatzes auf die Kreisstadt. Die Installation und die Gespräche lassen erahnen, wie gesellschaftsprägend dieses historische Ereignis auch heute noch ist und warum es sich lohnt, einen Blick in die Vergangenheit zu wagen.
1. Was fasziniert dich als zeitgenössischen Künstler am 30jährigen Krieg, einer Epoche, die mehr als 300 Jahre zurück liegt?
Die Dimension dieses Konflikts. In ihm stecken als Kern sowohl der Westfälische Friede, der eine Grundlage für eine neue Art der Diplomatie war und den Weg zu Nationalstaaten geschaffen hat, als auch die späteren katastrophalen Kriege der Moderne. Die Vorstellung, dass es eine übergreifende globale Möglichkeit von Konsenspolitik geben müsste, nimmt auch dort ihre ersten Züge an. Manche sagen, dass der Weg von Münster zum Völkerbund geführt hat. Da diese Instanzen sich aber heute in einer Krise befinden, lohnt sich ein Blick auf die Anfänge…
2. Was bedeutet der Titel deiner Installation, bist du darauf im Zuge deiner Recherchen gestoßen?
Der Titel „Pax Optima Rerum“ stammt vom Dichter Silius Italicus und bedeutet „Der Friede ist das beste der Dinge“. Später wurde dieser Satz immer wieder aufgegriffen, u.a. von Erasmus von Rotterdam oder während des Westfälischen Friedens, als ein Kupferstecher beim Übertragen eines Werkes von Gerard ter Borch dessen Signatur mit diesem Satz vertauschte. Mir hat der Titel gefallen, weil dieser Satz relativ ist. Für Mutter Courage ist der Frieden schlecht, da ihre Existenz vom Krieg abhängt. Andererseits repräsentiert der Titel eine Idee, die gerade in Zeiten des Unfriedens ein klares Ziel, ein Bekenntnis oder eine Willensbekundung darstellt.
3. Du bist tief in die Stadtgeschichte Herfords eingetaucht. Welches Treffen/ Fundstück ist dir besonders in Erinnerung geblieben? Und findet man hier viele Spuren der Auswirkungen des 30jährigen Kriegs?
Es gibt so manche Spuren: Grabplatten, Steinfragmente, Häuser usw., aber nicht alles erzählt unmittelbar vom Krieg. Geschichte hat ja mit „Schichten“ zu tun, es muss erst einiges zur Seite geschoben werden, bevor die Dinge sichtbar werden. Es sind die Vorstellung und der Wille, Ereignisse durch Dinge zurückverfolgen zu wollen, die die Basis für die Möglichkeiten einer geschichtlichen Erfahrung schaffen. Besonders eindrücklich sind die erhaltenen Dokumente im Stadtarchiv, die Christoph Laue mir gezeigt hat. Da kann man anhand von Protokollen, Korrespondenzen oder Beschlüssen etwas vom damaligen Alltag der Menschen erahnen.
4. Gibt es Auswirkungen, die bis heute hier in der Region spürbar sind und so die Thematik in die Gegenwart transportieren?
Ganz vorsichtig würde ich wagen zu sagen, dass es eine subtile Zugehörigkeitsdiskussion gibt, die möglicherweise mit Dingen verknüpft ist, die in der damaligen Zeit geschahen. Aber das spezifische einer Stadt ist immer von deren Geschichte geprägt und in Herford ist der Verlust einer bestimmten Bedeutung zu spüren. Gleichzeitig ist der Blick der Menschen in die Vergangenheit von individuellen Sehnsüchten geprägt und somit nicht objektiv. Vieles, was in der Zwischenzeit geschah, ist ja durchaus positiv. Aber wichtig ist es zu erkennen, dass viele Dinge, ob Verlust oder Gewinn, nicht mit dem unmittelbaren Standort zu tun haben, sondern mit allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen. Da ist es wichtig: nicht den Vergleich mit anderen Orten oder Gesellschaften aus dem Auge zu verlieren. Das ist der sogenannte „Tellerrand“…
5. Ein Fokus deiner Arbeit liegt auf der Hexenverbrennung. Steht diese in direktem Zusammenhang mit den 30jährigen Krieg?
Nein, das ist eine Koinzidenz. Der Höhepunkt der Hexenverfolgung liegt bereits in der Zeit vor dem 30jährigen Krieg. Es ist eher erstaunlich, dass die Verfolgung zu dieser Zeit wieder „aufflammt“, das war sogar für manchen ZeitgenossenInnen nicht nachvollziehbar. Aber ein Ereignis wie der Krieg lebt ja von bestimmten Prinzipien. Eines davon ist die Entmenschlichung, vor allem des Gegners. Da entsteht eine Situation, vergleichbar einer Selbstvergiftung, in der auch in den eigenen Reihen gewütet wird. Man könnte dabei von verringerten Hemmschwellen sprechen.
Hinweis:
Die Installation „Pax Optima Rerum“ ist noch bis zum 21.06.17 in der Marta-Lobby zu sehen.