Looking Both Ways – Eine Tagung im Marta Herford
Die AG „Kunstproduktion und Kunsttheorie im Zeichen globaler Migration“ ist eingeladen, zur Ausstellung „Zwischen Zonen“ (bis 25. September 2017) im Museum Marta Herford eine Tagung zu organisieren.
Unsere eintägige Veranstaltung mit dem Titel: „Looking Both Ways. Bildpolitiken zeitgenössischer Künstlerinnen aus dem Nahen Osten und in der Diaspora“ nimmt die intermediäre Perspektive von Künstlerinnen aus dem Nahen Osten auf, indem wir Orte und Positionen, die spezifischen politischen und gesellschaftlichen Produktionskontexte sowie die damit verbundenen künstlerischen Formen zum Ausgangspunkt unserer Betrachtungen machen.
Wir gehen davon aus, dass sich Erfahrungen und Strategien von Kulturproduzentinnen, die sich mit Politiken, historischen Umbrüchen und Gesellschaften befassen, je nach Kontexten und Möglichkeiten unterscheiden. So fragen wir einerseits nach Handlungsoptionen und ästhetischen Konzepten derjenigen, die vornehmlich in ihren Geburts- oder Herkunftsländern agieren und somit aktiv an der Auseinandersetzung mit Konfliktzonen und der Konstruktion von umstrittenen Aktionsräumen beteiligt sind. Neben diese ‚Innenperspektive’ rückt eine ‚Außenperspektive’ in den Blick, die oft im Sinne eines Looking Both Ways durch ihre doppelte Positionierung und Kenntnis bestimmt ist. Hier ist die Verschränkung von künstlerischer Praxis und Migrations- und Exilerfahrungen zentral: Wie wirkt sich eine neu erlangte Unabhängigkeit und künstlerische Freiheit auf das Arbeiten aus? Möglichkeiten der Intervention von Künstlerinnen sind hier zu diskutieren, die ihre Heimat aus persönlichen oder politischen Gründen verlassen mussten. Interessant erscheint uns hier eine historische Betrachtung: Welcher Art gestalten sich beispielsweise in Zeiten globaler mediascapes Formen möglicher Kooperationen? Wie arbeiten Innen- und Außenstehende zusammen?
An diese künstlerischen Innen- und Außenperspektiven schließen sich grundlegende Überlegungen zur Ästhetik des Politischen oder zur Politisierung des Ästhetischen an. Wie vertragen sich ästhetische Konzepte und politische Impulse mit Erfahrungen in Konfliktzonen im eigenen Land oder im Exil? Auch die Zuschreibungen an eine als „arabisch“ oder „islamisch“ verstandene Kunst, welche vielfach in westlichen Kontexten produziert und zirkuliert wird, sollen auf den Prüfstand gestellt werden. Inwieweit prägen Konzepte des Politischen und des Kulturellen, die noch immer von Kunst aus dem Nahen Osten oder dem Vorderen Orient erwartet werden, auch deren Wahrnehmung? Damit stellt sich das Symposium kritisch seinem eigenen Thema und hinterfragt theoretische Konzepte und Zuschreibungen aus der eigenen westlich orientierten kunsthistorischen Perspektive.
Verantwortlich für Konzept und Organisation der Tagung sind die drei Sprecherinnen der AG „Kunstproduktion und Kunsttheorie im Zeichen globaler Migration“, Cathrine Bublatzky, Burcu Dogramaci und Kerstin Pinther. Die Arbeitsgemeinschaft wurde 2013 unter dem Dach des Ulmer Vereins für Kunst- und Kulturwissenschaften gegründet. Ihr gehören derzeit etwa 40 WissenschaftlerInnen verschiedener Fächer an mit Schwerpunkt auf Kunst- und Kulturwissenschaft. In ihren Workshops und Publikationen diskutiert die AG, welche Bedeutung das Zusammenwirken von Migration und Globalisierung als bedeutendste Phänomene der gesellschaftlichen Transformation im 20. und 21. Jahrhundert für die kunstwissenschaftliche Forschung, die kuratorische Theorie und Praxis sowie die künstlerische Produktion hat. Kaum eine andere gesellschaftliche Bewegung hatte ähnlich umfassende Folgen wie die Migration, die von der klassischen Soziologie als dauerhafter Wechsel des Wohnortes von Menschen im geographischen und/oder sozialen Raum definiert wird. Dabei wandern nicht nur Menschen, sondern auch Gegenstände, Einstellungen und Ideen, sodass von komplexen Transferbewegungen gesprochen werden kann.
Die AG geht der Frage nach, wie sich globale Wanderungen in künstlerischen Arbeiten einschreiben? Wie bedeutsam waren künstlerischer Austausch, das Wandern von Ideen und Konzepten schon vor der als Dekade der Globalisierung ausgerufenen Zeit? Welche Kontakte zwischen Künstlern und Kuratoren existierten in Zeiten, in denen materielle wie politische Mauern die Kommunikation zwischen West- und Osteuropa erheblich erschwerten? Was lässt sich zum globalen Kunstmarkt vor der Folie der Arbeitsmigration sagen? Wie lassen sich diese kulturellen Hinterlassenschaften und Schichtungen entziffern oder bewahren?
Hinweis:
Die Tagung findet am 08.07.17 von 11:30 – 19:30 Uhr im Marta Herford statt. Das Tagesprogramm sowie weitere Informationen finden Sie hier. Wir danken Burcu Dogramaci für den Gastbeitrag.