220 Kanäle und überall nur Katzen
So beschreiben die Simpsons ihre Suche nach einem guten Film. Im Marta sind diese zurzeit einfacher zugänglich – Hintergrundinfos zum Gesehenen inklusive.
Filme gucken im Museum, das erwartet man als Besucher*in einer Ausstellung zu zeitgenössischer Kunst schon mal vereinzelt. Wenn die Ausstellung ihren Schwerpunkt jedoch auf Filme legt, sieht die Sache schon anders aus. Entsprechend skeptisch waren die Besucher*innen dann auch zu Beginn des Jahres, als die Ausstellung „Die Realität … ist absurder als jeder Film“ angekündigt wurde. Viele haben sich gefragt, wie das denn gehen soll – mit einer Führung parallel zum Film (mit Ton). Aus diesem Grund wurde ein neues Vermittlungskonzept zu dieser Ausstellung erdacht: der Filmclub, der Informationen und Debatten zum Gesehenen möglich macht.
Infos vorab im Wartezimmer
Wir wollen mit den Besucher*innen in einen Austausch über die fünf gezeigten Filme israelischer Künstler*innen treten. Aus diesem Grund haben wir sie im Vorhinein informiert, dass begleitend zu „Die Realität…“ keine herkömmliche 60-Minuten-Führung angeboten wird, sondern dass es viel Zeit zum (Filme-)Sehen gibt. Ausgewählte Informationen vorab bieten einen thematischen Einstieg. Unsere Guides nutzen dazu einen Teil der Installation von Omer Fast. In diesem „Wartezimmer“ erläutern sie, was die Besucher*innen in der Ausstellung erwartet, teils am eigens dafür eingerichteten Bildschirm mit Hilfe von Filmstils und Videosequenzen.
Freiräume zum Schauen
Danach gibt es viel Freiraum, um die bewegten Bilder auf sich wirken zu lassen. Weil Filme unsere gelebte Realität abbilden, durchlaufen sie keinen „Filter“, sondern dringen in 24 Einzelbildern pro Sekunde in uns ein, ohne gründlich reflektiert zu werden – anders als z.B. bei der Betrachtung eines Gemäldes. Deshalb braucht es Zeit, um das Gesehene zu verarbeiten. Das Angebot zum Diskurs im Anschluss an die gesehenen Filme wird aus diesem Grund nicht intensiv genutzt. „Das muss sich erstmal setzen“ oder „Ich möchte das zunächst verarbeiten“, ist von vielen Besucher*innen verständlicherweise zu hören. Und so wirken die Filmbilder häufig längere Zeit nach – vielleicht länger und anders als „statische“ Kunstwerke das tun.
Guides als Ansprechpartner
Die Guides halten sich bewusst im Hintergrund, bereit die Fragen zu beantworten, die während eines Films entstehen. Oft kann man an den Gesichtern ablesen, wie das Video auf die Menschen wirkte. Ganz besonders war dies bei „Inferno“ auf der gigantischen 46qm großen Leinwand im Marta-Dom der Fall. Ein bildgewaltiger Film, der religiöse und nationale Fragestellungen thematisiert und schlussendlich in der fiktiven Zerstörung des „Dritten Tempel Salomos“ endet. Ein Eindruck, vielleicht vergleichbar mit der jüngsten Pariser Vergangenheit und der Bestürzung, die der Brand von Notre Dame nicht nur bei Kunstliebhabern auslöste, steht die französische Kathedrale doch für viele als sichtbares Zeichen kultureller Ideen.
Wie sehr vereinnahmen uns Filme im Alltag?
Teilweise wird aber auch leidenschaftlich über das Gesehene diskutiert und die Betrachter*innen geben bewegende Einblicke in ihre Filmeindrücke. Die Lautstärke der Filme wird hier u.a. als Mittel gewertet, das die*den Betrachter*in stark vereinnahmt. Dies gibt Anlass, sensibler über all diejenigen Filme nachzudenken, die uns im Alltag mehr und mehr umgeben und oft unbemerkt Einfluss auf uns nehmen.
„Dieser Film wird all deine Fragen nicht beantworten“ (Simpsons)
An vielen Stellen treten anstelle der menschlichen Guides die Filme mit den Betrachtenden in einen Dialog. Die Räume, die sich dadurch auftun, werden von den Besucher*innen mit eigenen Erfahrungen und Kompetenzen gefüllt. Die Guides lassen diese Räume zu, in dem Vertrauen auf die Kunst und das Museum als einen inspirierenden Ort, der in dieser Ausstellung noch mehr als sonst zum Verweilen einlädt.
Manche Frage ist vielleicht geblieben, die wir in einer „normalen“ Marta-Führung hätten beantworten können. Aber die Suche nach Antworten, die (auch in uns) nachhallt, macht den besonderen Reiz und den Gewinn dieser Ausstellung aus.