5 Fragen an Aernoudt Jacobs
Der Künstler Aernoudt Jacobs setzt sich mit der physikalischen Entstehung und der körperlichen Erfahrung von Klängen auseinander. Mithilfe zweier Installationen im Marta Herford macht er das dortige Material akustisch erfahrbar.
Sie sind eigentlich Architekt. Was fasziniert Sie so sehr an der Architektur und der physischen Entstehung von Gebäuden?
Die Architektur ist eines der ältesten Handwerke und liefert viele grundlegende Lösungen für unsere menschlichen Bedürfnisse. Sie verbessert unsere Lebensbedingungen, indem sie uns eine zusätzliche „Hülle“ bietet. Sie verwandelt unsere Umgebung, bietet Schutz, Behaglichkeit… Das Verhältnis zwischen Klang und Architektur ist vielfältig. Architekturen, auf der einen Seite, sind massive Bauten, die einen physischen Raum begrenzen. Der Klang, auf der anderen Seite, steckt einen auditiven Raum ab, jedoch ohne ihn fest einzugrenzen. Die Natur und menschliche Aktivitäten erzeugen Klänge. Das heißt, die Architektur ist manchmal leer und still und ein anderes Mal ausgesprochen geräuschvoll, wenn Menschen den Raum nutzen oder die Natur aktiv ist.
Die Disziplin, die sich mit dem Klang von Architektur beschäftigt, ist noch relativ jung. Klang wirkt sich auf unsere Beziehung zu einem Raum aus. Ein Raum, der in Bezug auf Klang aufbereitet wurde, beeinflusst die Art und Weise, wie wir ihn nutzen. Ein Raum kann zum Klangkörper werden, ein Resonanzboden, der die Resonanz von Klängen erweitert und ihre Schwingungen durch Schallreflexion verstärkt. Klang/Hören und Raum ist ebenfalls eine spannende Verbindung, da uns der Klang in Abwesenheit von jeglicher visueller Information Anhaltspunkte über einen Raum liefern kann.
Wie kamen Sie auf die Idee, die Klangeigenschaften von Materialien wie Glas und Beton zu untersuchen?
Während ich Außenaufnahmen machte habe ich erkannt, dass Klang eine Kraft hat, die Luft, Flüssigkeit und Feststoffe durchdringen kann. Die Schwingungen in verschiedenen Materiezuständen können mit speziellen Mikrofonen erfasst werden. Daraufhin habe ich verschiedene Arten von Mikrofonen erkundet. Der Klangcharakter des massiven Betonkörpers eines Gebäudes ist ausgesprochen organisch, komplex und verschwommen, als würde man einen starken Filter auf eine Kamera setzen. Dennoch können wir die akustischen Konturen der Aktivitäten und der menschlichen Interaktionen in einem Gebäude und seiner Umgebung erkennen. Die visuellen Aspekte von Materialien finde ich ebenfalls sehr interessant. Wenn man ein Stethoskop auf ein durchsichtiges Fenster setzt, hört man den Bereich, den man vor sich sieht. Horcht man in ein Gebäude hinein, könnte uns unsere Wahrnehmung einen Streich spielen, denn man nimmt Geräusche wahr, die man noch nie zuvor gehört hat. Wir müssen diese neuen Geräusche erst interpretieren und ihnen einen Sinn geben.

Wie ist es möglich in Gebäuden einen Herzschlag zu hören?
Um den akustischen Prozess so transparent wie möglich zu gestalten, verwende ich einfache und unkomplizierte Technologien. In diesem Falle haben wir eine Reihe spezieller Schwingungslautsprecher und Stethoskope an verschiedenen Stellen im Marta-Gebäude platziert. Die Schwingungslautsprecher übertragen Herzschlagschwingungen in das Gebäude, die Klänge hallen durch Resonanz und die Ausbreitung der Wellen – die nur durch die Schwingungen aktiviert werden –, in der Architektur des Gebäudes nach. Die Besuchenden können mittels der Ohrbügel der Stethoskope Materialien wie Glas oder Beton anzapfen und auf einer mikroskopischen Ebene verschiedenen Vibrationsphänomenen lauschen.
Während der Ausstellungseröffnung fand eine Klangperformance mit einem polyrhythmischen Quartett aus Herzschlägen statt, die live von den vier Aufführenden aufgezeichnet wurden. Das rhythmische Schlagen der Herzen wurde durch die Fensterscheiben des Museums verstärkt.
Wie würden Sie Ihre Methode der Konzeption ortsgebundener Installationen beschreiben?
Mit meinen ortsgebundenen Installationen ermögliche ich einen akustischen Dialog mit einem Gebäude, wobei mitunter dessen architektonische Eigenschaften zutage treten. Ich bediene mich verschiedener empirischer Methoden wie untersuchen, zuhören, spekulieren sowie der Einbeziehung einzigartiger Räume und Materialien des Gebäudes. Ich kann beispielsweise auch Baumaterialien nutzen oder hinzufügen, die schwächer oder empfänglicher für Schwingungsphänomene sind. Manchmal verwende ich Abhörgeräte, oder ich verstärke tote Ecken oder Kernbereiche bzw. bestimmte Aspekte, die für ein Gebäude typisch sind. Die meisten ortsgebundenen Installationen enthalten ein interaktives Element oder Objekt, das den Besuchenden veranlasst, aktiv zuzuhören und die Akustik eines Raumes auf ungewohnte Weise auf sich wirken zu lassen.

Welche Idee verbirgt sich hinter den beiden Installationen, die gerade in der Ausstellung „Glas und Beton“ zu sehen sind?
Die Idee besteht darin, durch die Verstärkung der Schwingungen mit einfachen und direkten Werkzeugen ein akustisches, materielles und interaktives Wahrnehmungserlebnis zu kreieren auf der Basis dessen, was wir hören und sehen. Die Installation eröffnet dem Zuhörer sein ganz eigenes Klangerlebnis, er kann entdecken wie Glas oder Beton klingen bzw. welche Klänge eine Umgebung und ein Gebäude erzeugen.
Der Aspekt des Zuhörens gleicht einer Abhörmethode. Menschen können durch ihre Ohren denken. Der Klang lässt die Zuhörenden niemals unberührt, da der Prozess des Hörens eine physikalische Beschaffenheit aufweist: Niedrige Frequenzen sind spürbar, Klänge können noch lange im Kopf nachhallen. Die Ohren und der Körper können akustische Druckschwankungen fühlen. Klang bewegt unsere Haut, unseren Körper und die Komponenten in unserem Gehörorgan. Er trifft auf unser Trommelfell, um in Form einer akustischen Szenerie für uns gegenwärtig zu werden. Die Installation erzeugt auf eine ungewöhnliche, aber physikalische Weise eine Akustik, ein Gefühl, den Schlag eines Herzens, wie er uns allen vertraut ist, während wir Kontakt mit ihr durch die unmittelbaren Schwingungen im Material herstellen.