5 Fragen an Anders Petersen
Der schwedische Fotograf Anders Petersen (* 1944) gilt als einer der wichtigsten Vertreter einer „subjektiven Dokumentarfotografie“.
Anlässlich der Eröffnung seiner Retrospektive ergab sich für Ausstellungsmacher Michael Kröger die Gelegenheit, Anders Petersen fünf Fragen zu seiner Ausstellung und seinem ganz persönlichen Blick auf die Fotografie zu stellen:
Anders, die Ausstellung im Marta Herford heißt “Retrospektive“. Wie erlebst du sie aktuell?
Wenn ich die Menschen in den Bildern sehe, frage ich mich, was sie heute machen, wie sie sich fühlen, wie viele von ihnen inzwischen tot sind. Und ich erinnere mich an die gemeinsam erlebten Situationen. Diese Auseinandersetzung mit den alten Bildern hat etwas Widersprüchliches. Schließlich bin ich nicht so der Fotografen-Typ, eigentlich bin ich einfach ein Typ, deshalb komme ich diesen Menschen sehr nahe. Besonders den Menschen im Café Lehmitz, die waren mir wirklich wichtig. Das waren meine ersten Arbeiten. Wenn ich diese Bilder sehe, „kümmert es mich“ also ein bisschen. Es ist melancholisch und sentimental.
Deine Fotos erzählen mehr oder weniger von deinen zwischenmenschlichen Begegnungen und Beziehungen. Was interessiert dich an Menschen und was an der Fotografie? Ist es das Gleiche?
Ich habe es mit der Malerei und auch mit dem Schreiben versucht, aber das war mir zu einsam. Erst bei der Fotografie kam vieles für mich zusammen. Ich interessierte mich für Menschen und Abenteuer und wollte mehr erfahren. Beim Malen saß ich da in einem Zimmer und nichts passierte. Halt nur auf der Leinwand. Aber es war so einsam. Das Schöne an der Fotogafie ist, dass man mittendrin, mitten im Geschehen ist und gleichzeitig kreativ sein kann, was mir sehr gut gefällt. Diese Kombination hat es in sich.
Wie ist es mit den Betrachtern? Hast du Erwartungen an die Betrachter? Was können die Ausstellungsbesucher von deinen Fotos erwarten?
Beim Fotografieren und wenn ich mit deiner Hilfe Bilder zusammenstelle, denke ich eigentlich nicht so sehr an die Betrachter oder an die Öffentlichkeit. Ich denke eher an die Aussage. Aber ich versuche mich in die Betrachter und die Öffentlichkeit hineinzuversetzen. Interessant ist an dieser Stelle die Begrüßung, wie man „Hallo, komm rein!“ zu der Öffentlichkeit sagt. Und ich möchte gleich zu Beginn einen starken Eindruck machen. Nach einem emotionalen Auftakt soll es etwas entspannter weitergehen. Aber es ist wie eine Melodie. Und bei der Ausstellungsplanung fühlt man sich ein bisschen wie ein großer General. Man sichert die Fronten, stellt sich dort, wo sie eben auftauchen den Schwierigkeiten und kommt schließlich zu einem Ergebnis.
Was ist die Verbindung zwischen deinem Leben und deinen Fotografien?
Ich glaube, dass mein Leben und meine Fotografie schon stark verknüpft sind. Weil ich nahezu jeden Tag fotografiere. Aufträge interessieren mich nicht wirklich. Es ist eine Identifikation. Vermutlich auch eine Bessenheit, doch… Und es ist eine Art des Lernens, es ist… Im Alter von 72 sollte man schon ein paar Dinge wissen, nicht wahr? Bei mir ist das allerdings nicht so. Je älter ich werde, desto weniger weiß ich. Deshalb habe ich noch viele Fragen. Als ich noch jünger war, mit 25 oder 30, da hatte ich auf alles eine Antwort. Ich kannte jede Antwort. Jetzt weiß ich nichts mehr. Also muss ich versuchen mehr Antworten zu finden. Aber eigentlich interessieren mich Antworten nicht wirklich, Fragen interessieren mich mehr, existentielle Fragen und das, was man noch vom Leben lernen kann.
Beschäftigt dich derzeit eine bestimmte Frage? Vielleicht in Verbindung mit dieser Ausstellung?
Nein, es ist nicht wirklich eine Frage, eher eine Forderung und zwar folgende: wir gehören alle zusammen. Wir sind verschieden? Das macht nichts. Aber vor allem gehören wir zusammen, wir sind eine große Familie und es spielt keine Rolle, welcher Religion, Tradition oder Kultur wir angehören oder wo wir uns gerade befinden. Es ist unwichtig. Im Grunde sind wir alle gleich. Und das müssen wir uns merken. Es macht alles viel einfacher. Ich möchte, dass meine Bilder die Menschen auf diese Weise berühren und dass sie sich mit den Menschen in den Bildern verbunden fühlen. Das ist ein Traum. Wenn sie so fühlen, bin ich sehr glücklich. Ich will die Menschen nicht voneinander isolieren, ich will sie zusammenführen. Insofern ich beim Fotografieren überhaupt ein Ziel vor Augen habe, ist dies, glaube ich, eines der wichtigsten Ziele.
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