5 Fragen an Chiharu Shiota
Wie ein pulsierender Strom von menschlichen Adern bewegen sich derzeit blutrote Linienstrukturen durch einen unserer Galerieräume. Es handelt sich dabei um eine der aufwendigen Fadeneinstallationen der Künstlerin Chiharu Shiota, mit denen sie Menschen auf der ganzen Welt fasziniert. „Secret Passage“ ist Teil der Ausstellung „Willkommen im Labyrinth – Künstlerische Irreführungen“ und noch bis zum 23.09. im Marta zu sehen.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Realisierung Deiner Werke?
Die größte Herausforderung ist meistens der Aufbau der Installation selbst, denn je nach Galerie oder Museum habe ich gewisse Einschränkungen, wie ich aufbauen darf. Für meine Installation benutze ich den ganzen Raum und es muss Wolle an der Decke, dem Boden und an den Wänden befestigt werden. Manchmal ist das nicht möglich und dann muss ich mit meinem Team alternative Aufbaumethoden finden.
Auf der ganzen Welt sind Besucher*innen fasziniert von Deinen Fadengespinsten, die unheimlich und faszinierend zugleich wirken. Wie entstehen die Ideen für Deine Installationen?
Mein Alltag inspiriert mich. Deswegen benutze ich auch Alltagsgegenstände wie Schlüssel, Schuhe, Koffer und Betten. Ich beobachte meine Umgebung und die Beziehungen zwischen Menschen. In Alltagsgegenständen spüre ich oft die Existenz einer Person, die ich noch nie getroffen habe, aber trotzdem spüren kann. Das interessiert mich. Ich beschäftige mich mit dem Leben und dem Tod und allem was dazwischen liegt.
In unserer Ausstellung hast Du alte Türen in die roten Fäden Deiner Installation integriert, die von den Besucher*innen beschritten werden können. Welche Symbolik verbindest Du mit diesen Türen?
Mit meiner Installation will ich einen Raum zwischen den Welten kreieren. Die Installation repräsentiert für mich einen Lebensweg, den wir alle gehen müssen, dabei müssen wir Grenzen durchbrechen, um neue Wege zu beschreiten und auch durch neue Türen gehen. Diese Durchgänge repräsentieren nicht das gleiche Gefühl für alle. Für mich repräsentiert die Tür einen Durchgang zwischen Japan und Deutschland, aber ich bin mir nie sicher, auf welcher Seite ich mich befinde. Ich befinde mich immer zwischen diesen zwei Realitäten und lasse dabei auch die Tür offen. Die Besucher können selbst entscheiden, ob sie auf ihren Wegen die Tür hinter sich schließen wollen oder ob sie in auch zwischen ihnen existieren wollen.
Du hast u.a. in Kyoto und Canberra Malerei studiert. Was war für Dich der ausschlaggebende Punkt für die Hinwendung zu Rauminstallationen?
Nachdem ich begonnen hatte Malerei an der Kyoto Seika Universität in Japan zu studieren, habe ich nach kurzer Zeit gemerkt, dass mich die Malerei nicht erfüllt. Ich konnte mich in den Gemälden nicht wiedererkennen, es war für mich plötzlich lediglich nur Farbe auf einer Leinwand. Dann hatte ich die Gelegenheit im Rahmen eines Austauschprogramms an der Canberra School of Art zu studieren. In Canberra hatte ich einen Traum. Ich war in einem dreidimensionalen Gemälde gefangen und konnte nicht atmen, ich war umschlugen von Ölfarbe. Kurze Zeit nach diesem Traum habe ich die Performance „Becoming Painting“ kreiert. Ich habe rote Emailfarbe über meinen ganzen Körper gegossen und war mit meinem Körper Teil eines Gemäldes. Danach fühlte ich mich befreit, ich realisierte, dass ich auch Kunst mit anderen Materialen und mit meinem Körper erschaffen kann.
Die besondere Atmosphäre Deiner Installationen führt dazu, dass sie besonders gerne von Besucher*innen fotografiert und auf Instagram & Co. vermehrt erscheinen. Wie stehst Du zu dieser Form der Werkrezeption im digitalen Bereich?
Ich möchte, dass so viele Menschen wie möglich meine Kunst sehen und kennen. Daher denke ich, dass es sicher von Vorteil ist, wenn Bilder von meinen Installationen geteilt werden. Ich befasse mich zwar selten selbst mit Instagram, aber manchmal sehe ich Fotos von Besuchern und bin von den Winkeln und Ideen begeistert. Aber ich finde es immer noch am besten, wenn Leute die Ausstellung besuchen und die Emotionen und die Dimensionen der Ausstellung direkt und nicht nur durch ihr Handy erleben.
Danke für das schöne Interview und den Einblick, den Chiharu Shiota uns da in ihre Arbeit gewähren lässt. Ulkig, ich bin in der Installation tatsächlich gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich die Tür hinter mir auch schließen könnte. 🙂
Liebe Ute,
danke und ja: Du bist da nicht die Einzige. 🙂 Viele Besucher*innen tun dies auch meist erst nach Aufforderung.
Herzliche Grüße
Daniela