5 Fragen an Dennis Dirksen
Lana Del Ray, Sam Smith und Juliette Lewis: Der Hamburger Fotograf und Filmemacher Dennis Dirksen hat in seinem rund 15-jährigen Schaffen bereits einige namhafte Künstler*innen porträtiert. In diesem Interview verrät er, was gelungene Fotos ausmachen, welchen Einfluss die heutigen sozialen Medien auf Fotografie haben und warum ihm einige Künstler*innen der Ausstellung „Trügerische Bilder“ besonders imponieren.
Seine Leidenschaft für Musik brachte Dennis Dirksen bereits während des Studiums mit Stars der internationalen Musikszene zusammen. 2013 hat er beispielsweise für den Hamburger Musiker Marcus Wiebusch mit „Der Tag wird kommen“ laut dem Stern das wichtigste „Video des Jahres“ geliefert – durch die Thematisierung von Homosexualität im Profi-Fußball wurde hiermit ein großes Tabu gebrochen. Als Videograph begleitet er unter anderem die Donots, Scorpions oder Helene Fischer auf ihren Konzert-Touren. Kurz vor dem Lockdown im November 2020 hat sich der Fotograf und Filmemacher die Ausstellung „Trügerische Bilder – Ein Spiel zwischen Malerei und Fotografie“ angesehen, was er hier zum Anlass nimmt, eine Einschätzung zu den Unwegsamkeiten und Entwicklungen in der heutigen Fotografie zu geben.
Ein Großteil Deiner Arbeit machen fotografische Porträts von prominenten Menschen – wie zum Beispiel Lana del Rey, Heinz Strunk oder Kiefer Sutherland aus. Was ist für Dich so reizvoll an Porträt-Fotografie und was sind ihre Tücken?
Ich finde ja fotografische Porträts immer reizvoll – egal, ob es sich dabei um prominente oder nicht-Prominente Menschen handelt. Für mich ist die Konzentration bei dieser Arbeit besonders wichtig – also die Zeit, die ich mit den Protagonist*innen vor meiner Kamera verbringe sowie die Atmosphäre und die Stimmung, die dabei erzeugt werden. Eine besondere Herausforderung ist, dass – gerade bei der Zusammenarbeit mit Prominenten – meistens nicht viel Zeit da ist. Da fallen mir beispielsweise die Shootings mit Juliette Lewis oder Florian David Fitz ein: Da gab es oftmals nur kurze Zeitfenster von 2 bis 3 Minuten, wo alles sitzen muss. Ich mache selten irgendwelche Ansagen, sondern warte eher die richtigen Momente ab und genau das kann tückisch sein. Gerade, wenn die Zeit knapp ist, bekommt man oft dasselbe durchtrainierte Gesicht oder denselben Blick präsentiert, der in vielen anderen Magazinen schon zu sehen ist. Wenn ich mehr Zeit mit meinen Protagonist*innen habe, beim Kalender-Shooting mit Heinz Strunk war das zum Beispiel der Fall, dann versuche ich eine gewisse Atmosphäre mit Musik zu erzeugen. Ich bin ein Freund von ernsten, konzentrierten Fotos, selten mache ich die fröhlich-grinsenden Porträts, weil ich bei dieser Variante immer wieder versuche, hinter die „Fassade“ zu blicken.
Abbildhaft oder Augentäuschung? Was macht in Deinen Augen gute Fotografie aus? Kannst Du Beispiele Deiner Lieblingsfotograf*innen nennen?
Ich glaube, ob eine Fotografie gut oder schlecht ist, ist sehr subjektiv und es entscheidet sich in dem Moment, wo man sie sieht und was sie mit einem macht. Es kann sich dabei vielleicht auch um ein Foto handeln, das gar nicht mal so gut ist, weil es vielleicht schlecht beleuchtet ist. Aber wenn es eine besondere Ausstrahlungskraft besitzt oder Emotionen weckt, dann hat es seinen Zweck erfüllt. Ich glaube, darin liegt der Schlüssel zu einem guten Foto – egal ob abbildhaft oder illusionär. Wen ich als Fotografen sehr schätze, ist Maximilian König. Bei ihm habe ich das Gefühl, dass er immer sehr nah an den Protagonist*innen ist, an deren Identität. Auch wenn er aus der Fashion- und Werbefotografie kommt, prägen seine Fotos immer eine leichte Düsterheit, sie wirken recht ernst. Ein weiterer, beeindruckender Fotograf ist Henri Prestes. Er fotografiert hauptsächlich sehr einsame und schwermütige Landschaften, oftmals dann mit einzelnen Personen. Für mich sind seine Werke eine gute Mischung aus Melancholie und Bedrängnis und man hat den Eindruck, als könnte es sich um Filmszenen handeln – das macht für mich persönlich gute Fotografie aus.
Der französische Historienmaler Paul Delaroche soll einmal gesagt haben: „Die Malerei ist tot, es lebe die Fotografie!“, was den Konkurrenzkampf der beiden Medien im 19. Jahrhundert unterstreicht. Heute sind es zwei nebenher gleichwertig existierende Kunstgattungen. Wie denkst Du, hat sich die zeitgenössische Fotografie in den letzten 10 Jahren entwickelt? Wo siehst Du Schwerpunkte?
Ich würde behaupten, dass sich durch die sozialen Medien und vor allem natürlich durch Instagram die digitale Fotografie in den vergangenen Jahren zu einer großen Talentschmiede entwickelt hat. Damals gaben die Handys noch keine guten Fotos her und auch nicht jede*r besaß eine Digitalkamera. Diese technische Entwicklung bedeutete auch für die Fotografie einen totalen Umbruch. Solche Entwicklungen ziehen sich bekanntermaßen durch die Geschichte der Fotografie. Plötzlich kann fast jede*r kreativ mit dem Smartphone sein und es entstehen zum Teil sehr hochwertige Fotografien. Allein die Weiterentwicklung des iPhone oder die Tatsache, dass HUAWEI seine Geräte mit einer Zeiss-Linse versieht, macht deutlich, dass die Ansprüche auch an die privaten Urlaubs- und Foodfotos gewachsen sind. Das Smartphone ist unser täglicher Begleiter geworden und somit spielt die Fotografie in vielen privaten Leben plötzlich eine weit größere Rolle als noch vor ein paar Jahren.
Zum Thema Video: Die Ausstellung „Trügerische Bilder“ zeigt die Videoarbeit „Pillars of Dawn (I)“ (2019) von Kelly Richardson. Die Künstlerin überarbeitet und erweitert ganz gerne fotografische und filmische Aufnahmen, animiert sie und versieht sie mit Sound. In Zeiten, wo auch Instagram vermehrt auf Videos mit u.a. Reels setzt: Ist das Video die neue Fotografie? Also, wirkt sich das, was Instagram vorgibt, auch auf die Fotografie-Szene aus?
Fotografie sehe ich als Lichtpause, der Film ist das Bewegtbild. Von daher ist die Vermischung beider Medien, wie es Kelly Richardson im besagten Werk macht, eine moderne Art, ein Foto zum Leben zu erwecken. Man steht staunend davor und überlegt: Ist es ein klassisches Foto, ist es eine Animation oder doch ein Film? Und ob das Video die neue Fotografie ist: Da würde ich nein sagen – auch was Instagram angeht. Durch den Schwerpunkt „Video“ wird ein Trend, ein Publikumsbedürfnis abgebildet. Ich sehe das ein bisschen kritisch: Auf der einen Seite ist Instagram ein super Medium, um die eigene Kreativität auszuleben, aber viele Dinge ähneln sich je nach Trend auch total und man läuft Gefahr, sich zwischen der eigenen Kreativität und einer Kopie von einer Kopie zu verlieren.
Welches ist Dein Lieblingswerk der Ausstellung und was macht es für Dich so reizvoll?
Erst einmal muss ich sagen, dass mich sehr viele Arbeiten in der Ausstellung „Trügerische Bilder“ begeistert haben. Aber am meisten war ich von den Werken von Radenko Milak, James White und Kelly Richardson beeindruckt – denn sie haben für mich das Thema „Trügerische Bilder“ exzellent auf den Punkt gebracht. Bei Radenko Milak und James White ist das Spiel zwischen Fotografie und Malerei am besten gelungen. Näherte man sich den Werken, wie zum Beispiel bei Milaks „Anthropocene, New Delhi, overpopulation city“ (2020), wurde es deutlich, dass es sich um ein sehr präzises, malerisches Werk handelt. Aber aus weiter Entfernung war für mich selbst als Fotograf klar, dass es Fotos sein müssen. Das war faszinierend. Kelly Richardsons „Pillars of Dawn (I)“ (2019) überzeugte mich als gute Mischung von Sound, Animation und Fotografie und verbreitete eine ganz eigene Stimmung. Das hat mich in seinen Bann gezogen und ich hätte das Werk stundenlang betrachten können.