5 Fragen an Kelly Richardson
In der Marta-Ausstellung „Trügerische Bilder“ gerät das Verhältnis von Artefakt und Dokument ins Wanken, wenn wir uns der konstruierten Welt in Kelly Richardsons Videoarbeit hingeben. Diese lässt – animiert und mit Sound unterlegt – die Trennlinie zwischen Realität und Fiktion unscharf werden. In diesem Interview stellt sich die Künstlerin unseren Fragen.
Du hast zuerst Malerei und Zeichnung studiert, bevor Du Dich der Medienkunst zugewendet hast. Was war der Grund für den Wechsel?
Nach meinem Bachelor-Abschluss, der sich auf Zeichnen und Malen konzentrierte, begann ich mich zu fragen, warum ich mich nur auf diese Medien beschränkte. Ich habe gerne gemalt, aber etwas fehlte. Also habe ich mich darauf konzentriert, eher den Ideen als den Medien zu folgen, und mir die Freiheit gegeben, ohne Einschränkungen zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt kam Video zu meiner Praxis hinzu, zusammen mit Fotografie, Skulptur und Installation. Während einiger Jahre des Ausprobierens übernahm das Video die Rolle des bevorzugten Mediums. Ich stellte fest, dass das, was ich in Bezug auf die Publikumseffekte erzielen konnte, nicht mit anderen Medien repliziert werden konnte.
Trotzdem habe ich die Malerei als solche nicht wirklich hinter mir gelassen. Mein Umgang mit dem bewegten Bild ist sehr malerisch, da kein Pixel unberührt bleibt. Die Bilder werden unter sorgfältiger Berücksichtigung von Komposition, Farbe, Farbton und Schattierung konstruiert. Jedes der von mir produzierten Videos erfordert Hunderte von Anpassungsebenen, um das bewegte Bild zu „malen“.
Landschaft spielt eine zentrale Rolle in Deinem Oeuvre. Sie ist aber auch ein klassisches Genre in der Malerei und Fotografie. Gibt es konkrete historische Vorbilder, die eine besondere Bedeutung für Dich besitzen?
Ein Großteil meiner ab 2006 produzierten Arbeiten entstand aus dem Interesse an apokalyptischen Visionen – einer Stilrichtung der Romantik, in dem sich Künstler*innen, Dichter*innen und Schriftsteller*innen im 18. und 19. Jahrhundert mit den Vorstellungen von der Apokalypse beschäftigten. Es gibt viele Spekulationen darüber, was genau den Einfluss auf dieses Genre ausmachte. Aber bedeutend war auf jeden Fall die Geburt der industriellen Revolution, die zu dieser Zeit die Köpfe und Herzen der kreativen Praktiker*innen durch die Vorstellung stark belastete, was die Folgen durch solch eine radikale Veränderung auf den Planeten sein könnten. Etwa 200 Jahre später stehen wir nun vor den schwerwiegenden Folgen der unerbittlichen Industrialisierung.
Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, in der Umweltfragen im Vordergrund des Denkens und Handelns standen. Ängste darüber, wohin wir als Spezies unterwegs waren, habe ich schon in jungen Jahren gespürt. Als ich im Nordosten Englands insbesondere die apokalyptischen Landschaftsbilder von John Martin kennenlernte, haben diese meine Interessen, Ängste und kreativen Praktiken beeinflusst.
Du arbeitest oftmals mit digitaler Software aus der Film- und Spieleindustrie. Wieviel Freiheiten hast Du dabei als Künstlerin und inwiefern sind eine bestimmte Ästhetik und Motivik dadurch vorgegeben?
Die Funktionen digitaler Software erlauben mir, mit unglaublicher Kontrolle das zu erstellen, was ich mir vorstelle. Zu Beginn meiner Praxis mit digitalen Medien, hatten Einschränkungen der Software auf Prosumer-Ebene sicherlich einen Einfluss auf die Ästhetik meiner Arbeit. Das gilt auch für die Filmindustrie. Die technologischen Fortschritte seitdem sind jedoch erheblich, sodass die ästhetischen Auswirkungen aus meiner Sicht, wenn überhaupt, gering sind. Ich schreibe keine Motive vor, da alle digital erstellten Elemente meiner Arbeit in meinem Studio erstellt werden.
Welche Bedeutung kommt dem Sound in Deiner Arbeit zu?
In der Filmindustrie sagen sie, dass der Sound ungefähr 60% unseres Erlebnisses als Zuschauer*innen beeinflusst. Als visuelle Person fiel es mir schwer das zu glauben, als ich zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht wurde, aber ich habe inzwischen festgestellt, dass es wahr ist. Ein lustiger Test dieser Theorie ist, den einen Teil eines Films mit ausgeschaltetem Ton und den anderen Teil dann mit geschlossenen Augen und eingeschaltetem Ton zu sehen.
Sound hat einen enormen Einfluss auf unsere Fähigkeit, in das bewegte Bild einzutauchen, was für meine Arbeit sehr wichtig ist. Ich möchte, dass sich die Betrachter*innen selbst in meinen Landschaften sehen und diese sowohl im Kopf, als auch im Herzen spüren. Es ermöglicht mir, die Betrachter*innen zu positionieren und gleichzeitig damit ein bestimmtes Gefühl zu verstärken, das ich sie erleben lassen möchte.
Deine Arbeiten basieren oftmals auf wissenschaftlichen Erkenntnissen oder entstehen sogar in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen. Was kann die Kunst von der Wissenschaft und was die Wissenschaft von der Kunst lernen?
Durch die Wissenschaft wird die kreative Praxis unterrichtet. Durch Kunst offenbart kreatives Denken Wahrheiten.
One Reply to “5 Fragen an Kelly Richardson”
Comments are closed.