5 Fragen an Kim Hoss
Mit künstlerischen Beiträgen entwirft die Ausstellung „Look!“ ein vielfältiges Panorama aktueller Phänomene in der Modewelt. Themen wie Identität, Feminismus und Body Positivity beschäftigen auch Kim Hoss. Das authentische Allround-Talent mit einem Faible für Kunst und Mode setzt sich als Illustratorin, Fotografin, Podcasterin, Autorin und nicht zuletzt auf ihrem Instagram-Kanal für mehr bunte Vielfalt ein.
Wir freuen uns sehr, dass Du uns und die Ausstellung „Look!“ besucht hast! Welches Werk hat Dich besonders beeindruckt?
Das erste, was die Ausstellung von mir gehört hat, war: „Oh mein Gott! WOW!“ Gleich das erste Werk von „Shoplifter“ hat mich also lautstark beeindruckt, weil ich flauschig-pastellige Gegenstände sehr liebe, genauso wie zeitintensive Installationen. Hier habe ich sofort gesehen: Wow, da steckt richtig viel Arbeit drin!
Das war also schon mal recht schwierig, noch übertroffen zu werden. Aber das Werk von Andy Dixon hat mich fast noch mehr aus den Latschen gehauen, weil er auf unfassbar schöne und inspirierende Weise zeigt, wie RIESIG unsere Wohlstandsgesellschaft ist. Außerdem habe ich mich sehr gefreut, Werke von Erwin Wurm in der Ausstellung zu finden!
Wie können Mode und Kunst bei der Identitätsentwicklung helfen?
Als Kind durfte ich fast immer anziehen, was ich wollte. Jeden Tag verkleiden fand ich super; bequeme und fröhliche Klamotten, oft von Mami selbst genäht. Also oft Einzelstücke aus tollen Stoffen vom Stoffladen, bei dem ich mir bei jedem Besuch mit meiner Mutter einen kleinen bunten Knopf aussuchen durfte, den sie anschließend an meine kleine Jeansjacke nähte und auf die ich sehr stolz war. Ich erinnere mich an so viele tolle Kleider, Jacken und verrückte Kostüme, wilde Farbkombinationen und eine glückliche Kim. Außerdem habe ich als Kind dauernd gemalt, hatte Zugang zu sämtlichen kreativen Materialien, ich war bunt und lebendig, Kunst war mein Element. Dieses Gefühl habe ich mit Eintritt in die Pubertät verloren und nur manchmal kurz gefühlt, wenn ich im Jogginganzug oder einem Kostüm steckte, wenn ich Farbe an den Händen an eine Latzhose schmierte. Frei und bunt, wie ICH habe ich mich dann kurz gefühlt. Ich hatte während des Studiums viele Jobs, bei denen ich schwarz gekleidet sein musste, im Büro bitte keine Schlabber-Klamotten und immer diese ständigen Fragen: „Was soll das sein? Ein Sack, Kim?“ und „Rot und Orange geht nicht zusammen! Das tut ja in den Augen weh!“, „Ist das nicht vielleicht zu kurz/klein/lang/eng?“, „Gabs das auch in deiner Größe?“. Das machte mich auf Dauer ganz grau innerlich und ich stellte mich und mein Leben täglich in Frage.
Ich fing an, mich anzupassen. Uniform vereint, macht dich aber auch traurig, wenn du gerne laut, bunt und auffällig sein willst. Wer bestimmt, wer man ist? Wer bestimmt, was du für Kleidung trägst?
Erst mit Anfang 30 habe ich wieder entdeckt, wie schön es sich anfühlt, bequeme Kleidung zu tragen. Kleidung, in der ich mich wohl fühle und niemandem einen Gefallen tun muss. In allen Farben, die es auf dieser Welt gibt. Alles ist möglich in der Mode, in der Kunst und auf der Suche zu sich selbst! Wer bist du? Wer möchtest du sein?
Du bist selbst sehr aktiv auf Instagram. Inwiefern kann Social Media das eigene Selbstbewusstsein positiv wie negativ beeinflussen?
Ein Speckbauch ist nur hässlich, wenn du gelernt hast, dass er hässlich ist. Das ist etwas, was ich dank Instagram endlich verstehen durfte. Mein Bauch war immer größer als die Bäuche, die ich sah. Instagram macht sichtbar: Was wir sehen ist nicht automatisch alles, was es gibt und somit das Richtmaß, die Vorschrift, die Norm für Schönheit. Es gibt so viele Menschen mit einem Bauch, der größer ist, als die Bäuche, die wir im Fernsehen und auf Social Media und auf Bademodenplakaten sehen. Dank Menschen, die ihre Bäuche (hier lässt sich problemlos jedes andere Körperteil einfügen, oder Kunst, Mode, Mahlzeit, Wohnungen, Beziehungen) zeigen und über ihre Geschichten sprechen, Vielfalt sichtbar machen, habe ich gelernt, dass wir alle okay sind und das ist ein wunderschönes Gefühl!
Du suchst dir aus, was du siehst. Auch auf Social Media. Deshalb liegt es an deiner Auswahl von Profilen und Accounts: Möchtest du die bunte Vielfalt sehen und dich inspirieren lassen, oder möchtest du in der Scheinwelt leben, wo alles glatt, faltenlos, optimiert und gefiltert ist und alle exakt gleich aussehen?
Du wirkst sehr stark und machst mit Deinem ehrlichen, selbstbewussten Auftreten mit Sicherheit vielen Menschen Mut, zu sich selbst zu stehen. Wie hast Du zu Dir selbst gefunden?
Wie schon weiter vorne erwähnt, habe ich mich sehr oft schon in meinem Leben vor unangenehmen Fragen versteckt, mich verbogen, mich angepasst, mich selbst unterdrückt. Vielleicht einmal zu oft, denn ich habe oft nicht gewusst, wer ich eigentlich bin. Vielleicht ist es gar keine Reise zu sich selbst, sondern eine Reise weg von allem, die uns an uns selbst zweifeln lässt!
Was möchtest Du an der Modewelt gerne ändern?
Die Modewelt müsste eine kleine Bremse einlegen. Es wird so viel mehr produziert, als jemals notwendig ist und die Erde wird bald ersticken unter den Massen an unfair produzierten Polyester-Shirts, die man kauft und kauft und kauft und doch keines davon trägt. Wir werden irgendwann stranguliert von gefälschten Gucci-Schals und dem schlechten Gewissen, weil ein Kind in einer Fabrik 15 Stunden an deiner und anderen 200 Jeans gearbeitet hat.
Wie man das ändert: Die Modewelt müsste weniger produzieren, das heißt aber auch, dass wir weniger shoppen. Außerdem würde ich gerne ändern, dass Frauen auch oben ohne rumlaufen können und es niemanden juckt. Aber dafür müsste sich was am Patriarchat ändern und das hat mal so gar nichts mit Mode zu tun… Oder doch?
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