5 Fragen an Louisa Clement
Das Leben im digitalen Zeitalter ist ein zentrales Thema im Oeuvre der Künstlerin Louisa Clement (*1987 in Bonn). Das Verführerische und das Abgründige liegen da manchmal genauso nahe beieinander wie in der Arbeit, die zurzeit in der Ausstellung „Glas und Beton“ im Marta Herford installiert ist. Da auch unser Museum momentan aufgrund der aktuellen Geschehnisse geschlossen ist, lassen wir Sie auf diesem Wege an den Gedanken der Künstlerin zu ihrem Werk teilhaben.
Du hast bei Andreas Gursky an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Fotografien spielen – neben anderen Medien wie Videos oder VR-Technik – auch immer noch eine große Rolle in Deinem Werk. Wie kamst Du dazu, skulptural zu arbeiten?
Andreas Gursky hat an der Kunstakademie Düsseldorf eine Klasse für freie Kunst unterrichtet. In dieser Klasse trafen alle Medien aufeinander. Es ging um Bildwürdigkeit und die Frage der visuellen Transformation von Einheitlichkeit in einem Werk. Mein Schwerpunkt lag zwar im Medium Fotografie, aber aus einem konzeptuellen Ansatz heraus, gesellschaftliche Formen befragend. Bereits im Studium habe ich mit verschiedenen Medien gearbeitet und experimentiert. Für mich ist die inhaltliche Frage vordergründig, nicht das Medium. Ich sehe mich als Künstlerin, nicht als Fotografin und setze die inhaltliche Frage oder das, was mich beschäftigt, in dem Medium um, welches mir die stärkste Aussage erlaubt.
Die Bodenarbeit „Transformationsschnitt“ in unserer Ausstellung wirkt von weitem sehr anders als aus der Nähe. Glas wird hier als ein ambivalenter Werkstoff erlebbar – schön und brutal zugleich. Was verbindest Du persönlich mit Glas – ganz allgemein und besonders hier bei dieser Arbeit?
Für mich ist in der Arbeit das Glas Träger der Geschichte und des Inhaltes. Dieses Glas ist das Endmaterial des Entsorgungsprozesses von Sarin. Giftgas, welches in Deutschland 1913 erfunden worden ist und zuletzt in Syrien von Assad verwendet wurde. Ungefähr 600 Tonnen Chemikalien zur Herstellung dieses Giftgases wurden Assad durch einen UN-Beschluss abgenommen, dann auf dem amerikanischen Schiff Cape Ray entschärft und letztendlich in Deutschland in einem Entsorgungszentrum für chemische Munition in Munster bei über 1.300 Grad in Glas eingeschmolzen und so unschädlich gemacht.
Es handelt sich dabei also um ein Abfallprodukt des Krieges. Waffen spielen aber auch in anderen Deiner Arbeiten eine große Rolle. Was beschäftigt Dich an dem Thema und wie bist Du auf dieses Material gestoßen?
Auf das Material für die Arbeit bin ich bereits 2015 durch Recherchen zum Krieg in Syrien gestoßen. Ausgehend von einer Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum 2017 habe ich mich dann noch einmal mit dem Thema Krieg und Waffen auseinandergesetzt und auch mit der Frage, was diese Themen für mich bedeuten, mit meinem Lebensmittelpunkt in Deutschland und angesichts der Tatsache, dass ich hier aufgewachsen bin.
Besonders sprachlos war ich, als ich hörte, dass diese Glasbrocken im entschärften Zustand im Straßenbau verwendet werden. Wie kann man Krieg und so etwas Alltägliches wie den Straßenbau zusammendenken?
Viele unserer technischen Gebrauchsgegenstände im Alltag sind vorerst für die Kriegsführung erfunden worden. Also gibt es in gewissem Maße immer eine Verbindung zum Alltag. Krieg ist nicht einfach daraus wegzudenken. Deutschland steht an Platz 4 des weltweiten Waffenhandels. Es ist ein wichtiger wirtschaftlicher Zweig. Aber auch unsere Geschichte und unsere Gegenwart sind vom Krieg geprägt. Davor sollte man die Augen nicht verschließen. Man muss sich das bewusst machen.
Ja, diese Arbeit verführt einen wirklich dazu, genau hinzuschauen und nachzudenken. Eine etwas andere Form der Verführung scheint auch in Deinen anderen Arbeiten ein wichtiges künstlerisches Mittel zu sein. Hier begegnen uns schillernde Oberflächen oder technische Eleganz – musst Du als Künstlerin manchmal gewissermaßen dieselben Methoden nutzen, die in der Warenwirtschaft und in der Kommunikationstechnologie zum Einsatz kommen, um Konsument*innen und User*innen – oder wie in diesem Fall die Betrachtenden – zu verführen?
Das würde ich nicht sagen. Die Warenwirtschaft und Kommunikationstechnologie setzt doch sehr andere visuelle Mittel ein. Aber natürlich reflektiere ich die Kommunikationstechnologie und beschäftige mich inhaltlich mit der Frage, was diese mit dem Menschen macht. Gerade die digitale Kommunikation und der Raum, in dem sie stattfindet, ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Das Rätsel um den Raum (und das Aufeinandertreffen dort) ist für mich immer noch nicht ganz gelöst. Daher ist auch in meinem Arbeiten ein gewisser Abstraktionsgrad bzw. undefinierter Raum vorhanden, der sich meiner Meinung nach eben von diesen Methoden der Warenwirtschaft unterscheidet und nicht verkaufen will, sondern Fragen nach einem Verhältnis zwischen Körper und Raum, Körper und Körper, Anwesenheit und Abwesenheit aufwirft.

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