5 Fragen an noonoouri
Während früher aktuelle Trends durch Magazine oder das Fernsehen verbreitet wurden, sind es heute vor allem Influencer*innen auf digitalen Plattformen wie Instagram und YouTube, die neue Trends setzen. Eine von ihnen ist noonoouri. Auch ihr Job ist es zu inspirieren, zu beeinflussen und zu begeistern.
Mit knapp 365.000 Follower*innen auf Instagram übt noonoouri einen großen Einfluss auf den Alltag von vielen aus. Die junge Frau hat eine große Leidenschaft für Mode, insbesondere für Luxusmarken, trifft Stars, ist Umweltschützerin und Veganerin. Doch in Wirklichkeit ist noonoouri eine animierte Kunstfigur – eine Avatarin, die nur virtuell existiert. Joerg Zuber, Begründer der Kreativagentur joerg zuber studio, hat sie erschaffen und zum Leben erweckt.
Wiebke Hahn (WH): Während noonoouris Avatar-Kolleginnen wie Shudu (@shudu.gram) oder Lil Miquela (@lilmiquela) noch sehr viel stärker das menschliche Aussehen imitieren, erinnert noonoouris Erscheinung an die Ästhetik japanischer Manga-Figuren. Was hat Dich zu ihrer Gestalt inspiriert? Was steckt hinter ihrem ungewöhnlichen Namen?
Joerg Zuber (JZ): Schon als kleiner Junge im Alter von fünf Jahren kam mir die Idee einer Kunstfigur auf Augenhöhe mit den Menschen. Ich war schon immer von ultralangen Haaren fasziniert, daher stand dies von Anfang an fest. Die eigentlichen Musen von noonoouri sind zum einen Naomi Campbell, die mich schon immer durch ihre „otherworldliness “ (wie aus einer anderen Welt) begeisterte: Die Art, wie sie katzenartig-geschmeidig ihren Körper beim „einfachen“ Gehen bewegt, oder die Art zu posen und ihre einvernehmende Aura, die sie ausstrahlt, wenn man sie persönlich kennenlernen darf. Zum anderen ist es Kim Kardashian, die mich sehr stark beeinflusst hat: Ihre Disziplin, ihre Visionen und die Kontinuität, mit der sie (für mich) das Gesicht von Social Media verkörpert. Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, wie wir derzeit kommunizieren und uns gezeigt, dass (fast) alles machbar ist.
Der Name noonoouri ist eine Fantasiekreation mit Ursprung in der Kunstwelt. Als ich im Dezember 2017 bei der Art Basel in Miami war, hat mich ein Kunstwerk sehr stark fasziniert – der Name des Werkes war „nunu“ – die Phonetik hat mir gefallen und daraus habe ich dann „noonoouri“ entwickelt. Daher hat sie auch einen starken Bezug zur Kunstszene.
WH: Als Influencerin vertritt noonoouri Marken wie Dior oder Tommy Hilfiger, um ihre Follower*innen von der Qualität der Produkte zu überzeugen; sie unterstützt die Wiederaufforstung in Kenia durch die Zeitz Foundation oder räkelt sich zum Teddy Bear Day mit einem flauschigen Kuscheltier im Bett. Wie sieht der abwechslungsreiche Alltag von noonoouri aus und welche technische Produktion steckt dahinter?
JZ: Der Alltag von noonoouri läuft sehr diszipliniert ab. Jedes Projekt muss bis ins kleinste Detail genau geplant werden, denn es sind sehr viele Personen im Background involviert. Angefangen von der Ideenfindung, dem generellen Konzept, der Auswahl der Bekleidung bis hin zu dem entsprechenden Makeup und der Frisur. Dann das Zusammentragen aller Daten, die auf ihre Pose angepasst werden und schließlich die Kreation des finalen Artworks. Jeder Still-Post ist ein Prozess von drei bis fünf Tagen Arbeit. Animationen sind sogar noch weitaus anspruchsvoller, da wir alles von Hand selbst generieren müssen. Hier kommt es mitunter zu zwei bis sechs Wochen Produktionszeit für einen 10-20 Sekunden-Clip.
WH: noonoouri hat eine püppchenhafte Erscheinung mit großen Kulleraugen. Gerade ihre makellose Gestalt spiegelt Körperideale wider, die im Kontext von Bodyshaming (Diskriminierung aufgrund des Aussehens) derzeit viel diskutiert werden. In ihrer öffentlichen Rolle kommt ihr eine Vorbildfunktion zu. Wie kann sie diese erfüllen, wenn sie gleichzeitig als Projektionsfläche für kommerzielle Werbekampagnen dient? Wo siehst Du dabei die Herausforderungen und Chancen?
JZ: Der Look von noonoouri ist bewusst nicht fotorealistisch dem Menschen nachempfunden – man sieht sie und weiß sofort: Das ist eine Kunstfigur. Mir geht es hierbei eher darum, Aufmerksamkeit zu generieren für ihre Werte, die Marken, die Produkte, für die sie wirbt, als um sie selbst. Ich versuche sie nicht in den Mittelpunkt zu rücken, sondern eher alles, was sie umgibt. Und genau genommen ist ihre Gestalt gar nicht so makellos – wenn ich mir z.B. ihren übergroßen Kopf anschaue. Sie soll keinesfalls ein bestimmtes Schönheitsideal verkörpern, sondern mir sind die Botschaften, die ich mit ihr vermitteln will, wesentlich wichtiger. Jede Person, die in der Öffentlichkeit auftritt, muss sich ihrer*seiner Rolle bewusst sein und entsprechend respektvoll und überlegt handeln. Da macht es keinen Unterschied, ob man eine reale Person oder ein digitaler Character ist.
WH: 2019 hat das Amsterdamer Modelabel The Fabricant das erste digitale Couture-Kleid auf den Markt gebracht, dessen Entwurf ausschließlich als Datei existiert. So bewegt sich Mode immer mehr von der Straße in den virtuellen Raum. Wie wird sich die Funktion von Mode Deiner Meinung nach durch die Erweiterung unseres Lebens in den digitalen Raum verändern? Wird Mode um einen „digitalen Kleiderschrank“ für unsere zweite, virtuelle Identität ergänzt werden?
JZ: Digital im weitesten Sinne steht für mich absolut für die Zukunft. Man muss sich vorstellen, dass Kollektionen mit großem Aufwand designt, produziert, transportiert und gelagert werden, ohne dass man weiß, ob es dem Konsumenten überhaupt gefällt, sprich sich auch verkaufen wird. Würde man alles zunächst digital präsentieren und dann eine Art Production-on-Demand-Methode an den Start bringen, könnten viele Ressourcen effizienter genutzt sowie unsere Umwelt entsprechend geschont werden.
WH: Welche Rolle werden Deiner Meinung nach zukünftig Avatar*innen wie noonoouri in unserer Gesellschaft spielen? Wo wird die Grenze zwischen konkreter Anwendung und bloßer Sci-Fi-Fantasie verlaufen? Hast Du eine Vision?
JZ: Ich kann hier nur für noonoouri sprechen, denn sie hat bereits bewiesen, dass sie mehr als eine leere Hülle ist – sie steht für gewisse Dinge, um die herum sich ihr Charakter entwickelt hat. Die Menschen merken, dass hinter der Kunstfigur eine echte Seele, ein echter Mensch steckt, der sie mit Leben füllt. Die Grenze zwischen virtuell und real beginnt sich derzeit sowieso extrem zu öffnen, vor allem in den Bereichen Games und Rollenspiele. Die junge Zielgruppe wächst damit auf und erfährt dies als einen fließenden Übergang. Die Vision ist, dass ich noonoouri sogar noch weiter in die digitale Welt bringen kann, da sie derzeit doch sehr in unserer realen Welt verankert ist.