5 Fragen an Oliver Schübbe
Der RecyclingDesignpreis zeigt nun schon zum 10. Mal vielseitige Entwürfe aus den Bereichen Transformationsdesign, Materialforschung, Kreislaufwirtschaft oder Social Design. Doch wie wurden die diesjährigen Einreichungen von den Ereignissen der letzten Jahre geprägt und inwiefern unterscheidet sich Recyclingdesign von konventionellem Design? Wir haben mit dem Innenarchitekten und Recyclingdesigner Oliver Schübbe gesprochen, der den Gestaltungswettbewerb seit der ersten Stunde begleitet.
Die letzte Preisverleihung des RecyclingDesignpreises liegt nun schon drei Jahre zurück. Seitdem ist viel passiert: Fridays for Future ist zu einer weltweiten Bewegung geworden, die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben einen Schock auf den Rohstoffmärkten ausgelöst. Wie machen sich diese Ereignisse auf die eingereichten Entwürfe bemerkbar?
Die einschneidenden Ereignisse der letzten Jahre haben uns die Problematiken unserer Konsumgesellschaft wie ein Brennglas aufgezeigt und deutlich gemacht, dass wir uns auch mal wieder die Warenflüsse anschauen sollten. Bei dem Thema Textilien zum Bespiel muss man sich die Frage stellen: Wie wird produziert, wo wird produziert und zu welchen Löhnen wird produziert? Für Designer*innen ist es superspannend überhaupt einmal diese Prozesse mitzubekommen, um sich dann zu überlegen, was kann ich zum Beispiel aus den daraus entstehenden Produktionsüberschüssen oder -abfällen machen.
Die eingereichten Entwürfe kommen aus der ganzen Welt und decken ein weites kreatives Spektrum ab, ist dennoch ein Trend erkennbar?
Ein Trend bei den Entwürfen ist definitiv erkennbar! Bereits in den letzten Jahren hat sich abgezeichnet, dass die Gestalter*innen vermehrt am Material forschen. Es kommen auch 3D-Drucker zum Einsatz, wie zum Beispiel bei dem Projekt „regrowth“ von Simon Gehring. Hier wurden auch noch die letzten Holzspäne, die bei der Produktion des Tisches entstanden sind, mithilfe des 3D-Druckers zum Hocker verarbeitet. Ein anderes Thema ist zum Bespiel der Zero-Waste-Schnitt im Bereich Modedesign. Hier entwickelt man neue Schnittmuster, bei denen keine Stoffreste entstehen. Beim Upcycling mit Secondhand-Textilien wird ebenfalls der optimale Entwurf gestaltet, um das gesamte Material zu verarbeiten.
Den RecyclingDesignpreis gibt es nun schon seit 17 Jahren. Was ist seine Besonderheit?
Die Besonderheit beim RecyclingDesignpreis ist vor allem, dass die Teilnahme kostenfrei ist. Es gibt ja viele Designpreise, zum Beispiel den Red Dot Design Award oder den Bundespreis Ecodesign, da bezahlt man eine Gebühr und nutzt die Teilnahme auch viel mehr als Marketingstrategie. Der RecyclingDesignpreis ist davon losgelöst und beinhaltet alle Disziplinen, das heißt Modedesign, Produktdesign, Möbeldesign, Accessoires, da ist wirklich alles mit dabei. Aber auch die Geschichte hinter den einzelnen Objekten ist beim RecyclingDesignpreis wichtig. Nicht nur das Produkt und dessen Ästhetik ist hier von besonderer Bedeutung, sondern auch die Entstehungsgeschichte und -prozesse, die zum fertigen Produkt geführt haben. Das Storytelling hat einen ganz großen Stellenwert bei der Auswahl der Einreichungen.
Können die in der Ausstellung gezeigten Projekte direkt umgesetzt bzw. angewendet werden?
Ja, die Objekte, die hier gezeigt werden, können auch definitiv angewendet werden. Ein gutes Beispiel ist die Modekollektion „Liberty“ von Lara Stöbe, die aus Marathonhemden besteht. Die Designerin hat sich die Frage gestellt, was mit den ganzen Trikots geschieht, die nach jedem Marathon überbleiben und dann auch nicht mehr im Secondhandbereich verkauft werden können. Wir haben in der aktuellen Ausstellung viele dieser lokalen Problemlösungen, die eindeutig die Müllmengen reduzieren würden.
Abgesehen von den Materialen – inwiefern unterscheidet sich Recyclingdesign von konventionellem Design? Sind die Denkprozesse bei Recyclingdesign anders?
An der Hochschule bekomme ich ein Problem oder eine Aufgabe gestellt, zum Bespiel einen Hocker zu entwerfen, und dann entwickle ich erstmal formalsprachlich das Objekt. Beim Recyclingdesign aber gehe ich vom Material aus. Da schaue ich erstmal, was ich an Ausgangsmaterial zur Verfügung habe, sortiere das und gestalte davon ausgehend ein Produkt. Ein Bespiel hierfür ist die Filz-Kollektion von Martin Woltermann, die aus gebrauchten Teppichfliesen besteht. Ich meine, Objekte aus Teppichfliesen hatten wir bisher noch bei keinem Designpreis. Es ist bestimmt auch ein superschwieriges Material in Bezug auf den Ekelfaktor. Da stellt man sich natürlich Fragen wie: Wie verdreckt ist das Ausgangsprodukt, muss es vor der Verarbeitung gereinigt werden? Aber im Prinzip bieten Teppichfliesen nicht nur ein superrobustes Material, sie sorgen auch jährlich für tonnenweise Müll. Sich darüber Gedanken zu machen und dann zu einem guten Upcyclingdesign zu kommen, wodurch das Material eine Wertsteigerung erfährt, das finde ich sehr spannend.