5 Fragen an Omer Fast
Für die aktuelle Ausstellung verwandelt Omer Fast das Marta in eine Klinik und lädt die Besucher*innen zu einer ganz speziellen Therapie ein.
Nur wer am Empfangstresen am Eingang der Ausstellung „Die Realität … ist absurder als jeder Film“ einen Termin vereinbart, wird in das Behandlungszimmer gebeten und bekommt dort die Virtual-Reality-Brille aufgesetzt. In der folgenden Viertelstunde erzählt Omer Fast ein modernes chinesisches Märchen und lässt die Zuschauer*innen in eine fremde, magische Welt abtauchen. Ich durfte ihm fünf Fragen zu seiner Arbeit stellen.
Der Film „The Invisible Hand“ beruht auf einem alten jüdischen Märchen. Bist Du mit diesen Geschichten aufgewachsen und verbindest Du bestimmte Erinnerungen damit?
Nein. Ich wuchs in einer nicht-religiösen Familie mit sehr jungen Eltern auf, die kaum Traditionen beachteten, und Großeltern, die nicht über die Vergangenheit sprachen. Die Vorstellung eines verlorenen Erbes, einer abwesenden oder unterdrückten Vergangenheit ist ein zentraler Aspekt meiner Arbeit. In dem Film „The Invisible Hand“ geht es um das Wiedererscheinen einer begrabenen Vergangenheit und um die Bestrafung einer Familie, die diese Vergangenheit abzulehnen versucht.
Der Film wird im Marta Herford in einem klinischen Setting gezeigt. Die Besucher*innen finden sich in einem Wartezimmer wieder und werden gebeten einen medizinischen Fragebogen auszufüllen, um anschließend einen Termin für ihre exklusive „Behandlung“ zu erhalten. Wie hängen die detailreiche Klinikkulisse und die sterile Atmosphäre mit Deinem Film zusammen?
Wenn es in diesem Film um einen zerstörerischen Bruch mit der Vergangenheit geht, der eine psychologische und gesellschaftliche Krise auslöst, dann bezieht sich der Raum, in dem das Werk installiert ist, auf den Wunsch, diesen Bruch zu heilen. Das Erlebnis der Virtual-Reality-Technologie erinnert mich immer an eine medizinische Untersuchung beim Arzt. Wenn man Museumsbesucher*innen als heilungssuchende Kranke beschreiben könnte, dann ist Kunst in einem bestimmten Sinne sowohl therapeutisch und symptomatisch für ihre Krankheiten.
„The Invisible Hand“ entstand für eine Ausstellung im letzten Jahr im Guangdong Times Museum in China und ist Deine erste Virtual-Reality-Produktion. Das Publikum wird in das Geschehen hineingezogen und erlebt die Geschichte in 360-Grad-Optik. Was fasziniert Dich an dieser Technik? Und wird es weitere VR-Projekte geben?
Das Guangdong Times Museum, das diese Arbeit beauftragte, ist ein großer, weißer, würfelförmiger Raum, der auf dem Dach von mehreren Wohnblocks am Stadtrand platziert ist. Architektonisch ist es Teil einer Wohngemeinde, aber ansonsten verbindet es sehr wenig mit seinen Nachbar*innen. Meine erste Idee für die Ausstellung war, meine Werke in einigen Nachbarwohnungen des Museums zu zeigen. Besucher*innen hätten Gelegenheit gehabt, die Nachbar*innen des Museums zu treffen, in deren Wohnzimmern und Schlafzimmern zu sitzen, und dort meine Arbeit im Fernsehen anzuschauen. Diese Idee war aber nicht umsetzbar, sodass wir alternativ die Wohnungen im Museum immersiv nachbildeten. Der gesamte Galerieraum wurde architektonisch umgewandelt, um den sich darunter befindenden Grundriss präzise nachzubilden. Die Handlung des Films selbst beginnt in einer Wohnung direkt unterhalb des Museums.
Warum wurde der Film nach nur wenigen Tagen von den chinesischen Behörden geschlossen?
Als offizieller Grund wurde mir gesagt, dass es seit der Begründung der Volksrepublik keine Geister mehr gibt. Ein Film über Geister vor einer aktuellen Kulisse gilt daher als das Verbreiten von Aberglaube, der in die Vergangenheit gehört und keinen Platz in der Gegenwart hat.
Und die Moral von der Geschicht’… schwingt in Deinem Werk eine moralische Nachricht mit, die Du den Besucher*innen vermitteln möchtest? Ganz im Sinne der Botschaft „Ich werde nie wieder lügen“. Und bist Du selbst abergläubisch?
Das Werk hat keine moralische Botschaft. Der Film versucht eine Gesellschaft zu porträtieren, die sich schnell verändert sowie den Druck der entsteht, wenn die Vergangenheit unterdrückt wird. Und ja, ich selbst bin abergläubisch.
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