5 Fragen an Philippe Decrauzat
In seinem medial vielfältigen Werk beschäftigt sich der Künstler Philippe Decrauzat mit Aspekten der Bewegung und der menschlichen Wahrnehmung.
Mit seiner speziell für die Marta-Architektur entworfenen Wandmalerei für die Ausstellung „Ausbruch aus der Fläche“ spielt er mit optischen Täuschungen. Es scheint, als würde sich die Wand vom Rest der Architektur lösen und in den Raum treten. Der im Werk entstehende Moiré-Effekt befragt das Verhältnis zwischen Realität und Illusion. Ich durfte ihm dazu fünf Fragen stellen.
Was interessiert Dich an der Arbeit mit Rastern?
Die Wandmalerei, die ich für die Ausstellung vorgeschlagen habe, bezieht sich über das Raster hinaus auf den Moiré-Effekt (Anm.: Der Moiré-Effekt ist eine optische Täuschung, bei der durch die Überlagerung von regelmäßigen Rastern, ein weiteres, scheinbar gröberes Raster zu entstehen scheint). Es ist eine Überlagerung von zwei Schichten von Farbstreifen in Cyan und Magenta mit violetten Zwischenbereichen. Die Wandarbeit ist Teil einer Gruppe von Werken mit dem Titel „On cover“, an denen ich seit acht Jahren arbeite. Sie beziehen sich auf ein spezielles Cover der Zeitschrift „Scientific American“ vom Mai 1963 und den Artikel von Gerald Oster über den Moiré-Effekt und seinen wissenschaftlichen Ansatz. Ich arbeite häufig mit existierenden Bildern und beschäftige mich mit ihrer Verbreitung von einem Feld in ein anderes.
Deine Arbeiten beruhen auf exakten Berechnungen und perfektem Farbauftrag. Inwiefern hat die Gehry-Architektur Auswirkungen auf Deine Arbeitsweise gehabt?
Ich dachte, es wäre ein kompletter Widerspruch auf einer nicht geraden Wand zu arbeiten. Diese Gehry-Architektur ist bereits an sich ein illusionistischer Raum. Die vorgegebene Architektur wurde aber schließlich zu einer gefundenen Chance, mit dem speziellen Kontext zu spielen, indem man den verzerrten Raum noch zusätzlich verzerrt.
Die Beziehung zum Raum ist bei Deinen Wandarbeiten sehr wichtig. Welche Bedeutung hat der dreidimensionale Raum für Deine eigentlich zweidimensionale Arbeit?
Ich arbeite häufig mit Film, also interessiert mich besonders die Idee von Projektion, eine Distanz zu erkennen, einen Raum zwischen zwei Punkten. Wenn wir an die Moiré-Effekte im alltäglichen Kontext denken, zum Beispiel an einem Zaun, bei dem durch seinen eigenen Schatten ein Moiré-Effekt entsteht, an sich überlagernde Schichten eines weichen Stoffes oder zwei Geländer einer Brücke, die man aus einem fahrenden Auto heraus beobachtet – all das schließt einen Raum ein zwischen zwei miteinander in Verbindung tretenden Strukturen, aber genauso zwischen Subjekt und Objekt und Bewegung. Hier ist der Moiré-Effekt ein Bild was entsteht, in einem statischen Sinne, und wir sind in der Lage den Effekt eines Effektes wahrzunehmen.
Du entwickelst aus einer zweidimensionalen Fläche eine Struktur, die in den Raum zu treten scheint, so als würde sich eine Wand tänzelnd aus ihrer ursprünglichen Position lösen. Siehst Du hier eine Verbindung zum Origami-Prinzip?
Die Wahrnehmung der Raumwirkung wird bei meiner Malerei von unserem Gehirn erzeugt. Es ist eine Konstruktion oder eine „Überinterpretation“ des Gehirns. Wenn man aber ein Papier faltet und damit ein Volumen schafft, ist es eine Hervorhebung der materiellen Qualität des Papiers, eine materialistische Perspektive. Im Marta ist meine Malerei auf einer geschwungenen Wand, hier trifft also die Illusion auf eine tatsächlich in den Raum tretende Oberfläche.
Gibt es einen Ort, an dem Du gerne eine Deiner Wandarbeiten realisieren würdest, an dem das bisher noch nicht geschehen ist?
Mein Interesse ist es, sich mit den spezifischen Gegebenheiten des mir zur Verfügung gestellten Raums auseinanderzusetzen. Daher bevorzuge ich meistens keinen „idealen” Raum.