5 Fragen an Radenko Milak
In der künstlerischen Produktion von Radenko Milak stehen die Rezeption unserer immer unübersichtlicher werdenden Berichterstattung und unser kollektives Bildgedächtnis im Fokus. In diesem Interview stellt sich der Künstler der Marta-Ausstellung „Trügerische Bilder“ fünf Fragen.
Deine künstlerische Produktion beruht auf Nachrichtenbildern. Wie gehst Du bei der Auswahl Deines Bildmaterials vor?
Als ich vor 20 Jahren mit meiner Internet-Recherche anfing, habe ich zunächst damit begonnen, verschiedene Arten von Bildern, Texten, Dokumenten und andere Informationen zu sammeln. Die Recherche – die Suche nach Nachrichten und historischen Ereignissen – wurde Teil meiner täglichen Arbeit und beeinflusste meine künstlerische Entwicklung. Ich war schon immer fasziniert von der Kraft der Malerei und der Botschaft, die sie zu senden vermag – und außerdem von der Art und Weise, wie das Internet und soziale Netzwerke zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit für die meisten Menschen geworden sind.
Wie definierst Du die Rolle der Malerei im Kontext der Dokumentation?
Ich war schon immer fasziniert von dem Genre der Historienmalerei und den großen Themen, denen sie sich widmet. Andererseits liebe ich es, Intimität und eine besondere Atmosphäre zu malen, wie es zum Beispiel der niederländische Meister Vermeer oder der amerikanische Maler Edward Hopper taten. Auch der Film des mittleren 20. Jahrhunderts bestimmt die Ästhetik meiner Arbeit. Wir bekommen jeden Tag so viele Informationen, einige davon sind uns wichtig und andere nicht. Ich habe bereits gesagt, dass ich jeden Tag mit einer anderen Art von Information arbeite. Manchmal reagiere ich sofort und male ein Aquarell zu einem aktuellen Ereignis, wie bei der COVID-19-Serie. Aber ein anderes Mal bleiben diese Informationen jahrelang auf meinem Computer und ich komme erst später darauf zurück. Ich verbringe viel Zeit damit, einzelne Themen zu recherchieren und vorzubereiten. Ich betrachte diese Forschung – immer auf der Grundlage verschiedener Arten von Informationen – als Teil meiner täglichen, künstlerischen Praxis, die spontan meine Malerei bestimmt, die einen dokumentarischen Charakter hat.
Wo liegen für Dich die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Malerei und Fotografie, wenn Du sie als vermittelnde Medien von Inhalten definieren müsstest?
Heute ist es schwierig, über spezifische Unterschiede zu sprechen, die im analogen Zeitalter weit aus deutlicher waren. Im digitalen Zeitalter spricht man stärker über die Durchdringung eines Mediums in ein anderes. Heute gibt es kein dominantes Medium in der Kunst, denn jedes Medium hat seine eigene Bedeutung und verbreitet seine eigene spezifische Botschaft. Interessant an all dem ist der Reichtum an Vielfalt. Diese Unterschiede sind ein Phänomen unserer globalen Gesellschaft.
Was sind für Dich die markanten Stilmittel, durch die Deine Bilder unser besonderes Interesse wecken?
Es hängt alles von dem Thema oder der Forschung ab, an der ich gerade arbeite. Manchmal fällt es mir schwer zu entscheiden, welches Motiv gemalt werden soll. Es ist immer ein Dialog zwischen Rationalität und Intuition. Es ist vor allem die Erfahrung, die mir im Voraus sagt, welches Motiv interessant sein könnte, um es von einem Foto oder Medienbild in eine gemalte Form zu übersetzen. Es gibt einen großartigen Aufsatz von Walter Benjamin, „Die Aufgabe des Übersetzers“, in dem er darüber spricht, was an einem Kunstwerk – wie einem Roman – während der Übersetzung verloren geht. Bei einigen Fotos nehme ich beim Malen geringfügige Änderungen vor. Meine Besessenheit bezieht sich mehr auf die Kontexte und Themen und weniger auf die Stilelemente im Bild.
Was sagt mehr aus: Bilder oder Worte?
Heute leben wir in einer visuellen Kultur. Ich stehe dabei auf der Seite der Bilder, die uns umgeben. Es gibt aber auch die mentalen Bilder, die in unseren Träumen so stark und intensiv sind, dass wir uns in unserem täglichen Leben sehr oft an sie erinnern. Ich erinnere mich an ein großartiges Buch, dessen Titel das digitale Zeitalter sehr gut illustriert, ein Buch von W. J. T. Mitchell: „Was wollen Bilder ‚wirklich‘?“ Wir sind manchmal in der Sprache gefangen, weil wir versuchen, alles mit Worten zu erklären, aber für einige neue Phänomene brauchen wir neue Wörter beziehungsweise neue sprachliche und konzeptionelle Werkzeuge, um die Welt zu erklären, in der wir leben.