5 Fragen an Sputniko!
In unserer aktuellen Ausstellung „Kreaturen nach Maß – Tiere und Gegenwartsdesign” zeigen wir ein Projekt der japanisch/ britischen Künstlerin Sputniko!. Ihr Werk greift eine schrille japanische Popästhetik auf und erzählt von modernen Mythen. Sie verbindet dabei einen künstlerischen mit einem wissenschaftlichen Ansatz, um gesellschaftliche Phänomene zu thematisieren. Ich durfte der viel beschäftigten Kosmopolitin fünf Fragen stellen.
Du bist Künstlerin, Designerin, bist Dozentin für den neuen Designforschungsbereich „RCA-IIS design lab”, einer Kooperation des Institute of Industrial Science der Universität Tokyo und dem Royal College of Art in London und arbeitest eng mit Wissenschaftlern zusammen. Gleichzeitig bist du ein bekannter Popstar und wurdest 2013 von der japanischen VOGUE zur Frau des Jahres gewählt. In welchem Bezug stehen all diese verschiedenen Facetten zu Deinem künstlerischen Werk?
Ich lege mich nicht auf eine bestimmte Rolle fest. So fühle ich mich freier und nicht an die Regeln von Kunst, Design, Popkultur oder der akademischen Welt gebunden. Außerdem erweitert ein interdisziplinärer Wissenshorizont mein Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten und ich kann eine ganz eigene Form von Kreativität entwickeln.
In Deinem Werk „Red Silk of Fate – Tamaki’s Crush”, welches wir in der Ausstellung zeigen, geht es um die Legende des „roten Fadens des Schicksals“, die in Asien weit verbreitet ist und besagt, dass füreinander bestimmte Menschen mit einem unsichtbaren Band verbunden sind. Du hast dafür gemeinsam mit Wissenschaftlern des NIAS (Nationales Institut für Agrobiologische Wissenschaften in Japan) zusammengearbeitet, um den Mythos Wirklichkeit werden zu lassen. Ihr habt einen tatsächlichen „roten (Seiden-) Faden des Schicksals“ erschaffen. In der Ausstellung sieht man zum einen das Video in japanischer Popästhetik und zum anderen zwei rotleuchtende Kokons und einen Faden der manipulierten Seidenraupen. Kannst Du uns mehr über den Hintergrund des Projekts und über die Zusammenarbeit mit dem NIAS erzählen?
Die Welt der Mythologien wird schon lange von der Wissenschaft hinterfragt und entmystifiziert, aber ich finde, dass durch die jüngsten Entwicklungen in der Biotechnologie die Mythologien der Zukunft geradezu neu erschaffen werden können. Diese Möglichkeit wollte ich schon lange erkunden und das habe ich mit „Red Silk of Fate – Tamaki’s Crush“ umgesetzt. Gemeinsam mit Prof. Hideki Sezutsu von NIAS haben wir in Zusammenarbeit mit seinem Team die Seidenraupe genetisch manipuliert. Dafür haben wir ein Gen in das Seidenraupenei injiziert, das Oxytocin produziert, das auch als Kuschelhormon bekannt ist und soziale Bindungen fördert. Es wird freigesetzt, wenn eine Person verliebt ist. Außerdem wurde die DNA einer roten Koralle injiziert, die das rote fluoreszierende Protein (RFP) erzeugt und die Seide rot leuchten lässt. Nachdem die Seidenraupe genetisch verändert wurde, produzierte sie rote fluoreszierende und stark oxytocinhaltige Seide.
Du verbindest in Deinen Werken verschiedene Bereiche wie Kunst und Wissenschaft, Pop und Technik oder Gesellschafts- und Genderthemen. Was für eine Zukunftsvision entwirfst Du damit?
Ich habe als Amateurpopmusikerin auf MySpace angefangen und dann meine Videos auf Youtube gepostet, außerdem habe ich Follower und Unterstützer auf Twitter gesammelt, über Kickstarter Geld beschafft etc. Insofern glaube ich, dass die sozialen Medien mir dabei geholfen haben die „Sputniko!“-Persona zu kreieren. Soziale Medien haben meines Erachtens zudem die Art und Weise verändert, wie junge Künstler*innen und Designer*innen ihre Ideen realisieren und mit anderen kooperieren. In meiner Zukunftsvision sind die Leute durch diese Plattformen stärker miteinander verbunden und sie machen mehr Dinge gemeinsam. Außerdem experimentieren Amateure und junge Leute vermehrt mit radikalen Ideen.
Deine Videos veröffentlichst Du in den sozialen Netzwerken und auf Videoplattformen. Welche Rolle spielt der digitale Raum für Dich und Dein Werk?
Ich möchte, dass meine Arbeit für möglichst viele Menschen zugänglich ist. Wenn ich eine digitale Plattform nutze, kann mein Publikum unendlich groß sein. Aber wenn ich meine Arbeiten nur in Museen und Galerien zeigen würde, dann bliebe das Publikum auf die tatsächlichen Besucher dieser Orte begrenzt. Ich habe schon häufiger gesagt, dass ich mit meinen Arbeiten jeweils einen Diskurs zu einem bestimmten Thema anregen möchte. Um dieses Thema herum entwerfe ich eine Geschichte, die ich mittels Musik und Video untermale und dann auf Plattformen wie YouTube, Vimeo, Instagram etc. posten kann, um ein Massenpublikum zu erreichen.
Während der Setouchi Triennale im März 2016 wurde Sputniko!’s „Teshima 8 Million Lab“, ein permanenter Ort auf der japanischen Insel Teshima, eröffnet. In welchem Bezug steht das Projekt zu Deinem Werk „Red Silk of Fate – Tamaki’s Crush” und was hat es damit auf sich?
„Teshima 8 Million Lab“ ist der erste Shintoschrein, der einem genetisch manipulierten Lebewesen huldigt. Wir haben ein sechzig Jahre altes japanisches Haus renoviert und es in Tamakis Raum und ihr DIY-Labor verwandelt. Bei diesem Projekt wollte ich die moderne Wissenschaft aus dem Blickwinkel von Yaoyorozu no kami erkunden – dabei handelt es sich um eine Glaubensüberzeugung im Shintoanimismus. Wörtlich bedeutet es „acht Millionen Götter“, aber eigentlich bezeichnet es „eine unbegrenzte Anzahl von Göttern“. Yaoyorozu no kami ist die Bezeichnung des tief verwurzelten Shintoglaubens, dass im Universum alles Geist und Leben besitzt. Ich hatte den Gedanken, dass wir diese uralte Überzeugung nutzen können, um einen alternativen Dialog über unsere Wahrnehmung genetisch veränderten Lebens und der Schöpfung neuer Lebensformen zu eröffnen.