Aufbau-Krimi im Marta – „Air, fer, eau“ von Robert Delaunay
Jeder Ausstellungsaufbau birgt eigene Herausforderungen: Ungewöhnliche Maße, tonnenschwere Materie, fragile Details. „Air, fer, eau“ von Robert Delaunay vereinigt all diese Besonderheiten – auf der Fläche eines Wohnhauses.
Mit seiner spektakulären Farbigkeit auf 150qm begeistert das historische Gemälde in der Ausstellung „Brisante Träume – Die Kunst der Weltausstellung“ (bis 10. Februar) die Besucher*innen im Marta Herford. Doch damit es in Herford gezeigt werden kann, mussten einige Hürden genommen werden.
Ein fast vergessenes Werk erwacht zu neuem Leben
Der französische Maler Robert Delaunay fertigte „Air, fer, eau“ (deutsch: Luft, Eisen, Wasser) für den Eisenbahn- und Luftfahrt-Pavillon der Weltausstellung 1937 in Paris, den er gemeinsam mit seiner Frau Sonia gestaltete. Das großformatige Gemälde zeigt eine Ansicht der Stadt Paris mit Eiffelturm und Eisenbahn, die sich in einem vitalen Treiben aus Formen und Farben auflösen. Nach Ende der Weltausstellung wurde die Leinwand für lange Zeit eingelagert und geriet darüber für viele in Vergessenheit. Erst 64 Jahre später wurde das Werk, das sich nun im Besitz des Cnap (Centre national des arts plastiques) befindet, wieder der Öffentlichkeit präsentiert: 2001 in einer Ausstellung des Centre Pompidou in São Paulo.
…und erstrahlt in neuem Glanz
Zwei Restaurierungen waren notwendig, damit das alte Gemälde wieder brillieren konnte. Vor der brasilianischen Ausstellung wurde die Leinwand, die beim Abbau der Expo damals in viele unterschiedlich große Teile zerteilt wurde, geklebt. Die Schnitte, die sich längs, kreuz und quer über das Gemälde erstreckten, sind heutzutage aus der Besucherperspektive nicht mehr zu erkennen. Für die Marta-Ausstellung wurde das Werk ein weiteres Mal restauriert. Rund vier Monate lang arbeitete ein fünfköpfiges Team an der Reinigung und Ausbesserung der verschmutzten und löchrigen Leinwand.

Den richtigen Winkel finden
Eine senkrechte Aufhängung, so wie 1937 bei der Pariser Weltausstellung, kam aufgrund der porösen Leinwand im Marta nicht infrage. Während „Air, fer, eau“ in São Paulo in einem 20 Grad Winkel präsentiert wurde, konnte man sich für die Herforder Ausstellung zugunsten einer besseren Ansicht auf 50 Grad einigen. Doch wie ließ es sich in seinem fragilen Zustand in dieser Schräge befestigen? Schließlich hatte Michael Train, Leiter der Ausstellungstechnik, die Idee, eine riesige Stellage anzufertigen. Die erste Hürde war genommen.
Ein Werk, so groß wie die Wohnfläche eines Hauses
Die imposante Größe von 10 mal 15 Metern bereitete dem Ausstellungsteam weiteres Kopfzerbrechen. Nach der Anlieferung des Werkes in zwei einzelnen Bahnen, mussten diese 24 Stunden liegen, damit die Knitter und Falten des Transportes nicht mehr zu sehen waren. Hätte in dieser Zeit schon ein Gerüst für den Aufbau bereitgestanden, hätte jeweils nur eines der großen Teile ausgelegt werden können und dadurch wäre es im Aufbau zu erheblichen Verzögerungen gekommen: Tag 1) 1. Teil liegt aus, Tag 2) 1. Teil wird installiert, Tag 3) 2. Teil liegt aus, Tag 4) 2. Teil wird installiert. Wieder beratschlagte man sich und fand eine Lösung: Im Dom wurde ein Board ausgelegt, ausreichend groß, damit beide Teile gleichzeitig dort ausgebreitet werden konnten. Nach einem Tag Glattliegen wurden sie dann so auf dem Board befestigt, dass sie sich ca. 15 Zentimeter überlappten. Nun musste es nur noch mit der Stellage aufgerichtet werden.

Der spannendste Moment des Aufbaus
Das Aufrichten war nicht nur aufgrund der Größe der Stellage eine knifflige Angelegenheit – es bestand auch die Gefahr, dass durch eine zu schnelle Bewegung eine Wölbung entstehen und die fragile Leinwand reißen könnte. Damit am Tag selber alles glatt ging, plante man einen Probetag ein. So wurde genau getestet, wann welcher der drei beteiligten Gabelstapler am besten packte und die Bänder gezogen werden mussten. Markierungen am Boden zeigten an, wo was hingesetzt werden musste. Durch den Probedurchgang ging am großen Tag selber alles glatt und das achtköpfige Team benötigte nur zwei Stunden.

Der Abschied naht
Seit Oktober 2018 beeindruckt „Air, fer, eau“ die Marta-Besucher*innen. Erstmalig seit 1937 ist es wieder in Europa zu sehen! Einmal wöchentlich wird das Werk restauratorisch auf einen Wellenschlag oder eine andere Veränderung hin untersucht, die das historische Gemälde beschädigen könnte. Noch bis zum 10. Februar kann es in den Gehry-Galerien bewundert werden. Anschließend beginnt der aufwendige Abbau und damit erneut das Bemühen um Fragilität, Größe und Gewicht des einzigartigen Werkes von Robert Delaunay.
