Auf den Spuren des Bilbao-Effekts
Spätestens seit diesem Jahr richten sich die Augen der Kunst- und Kulturinteressierten wieder auf die spanische Industrie-und Hafenstadt Bilbao und auf das imposante Guggenheim Museum. Das Museum feiert in diesem Jahr medienwirksam sein 20jähriges Jubiläum.
Herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite, dem Marta Herford, das 2015 immerhin schon seinen 10. Geburtstag gebührend feierte. Natürlich berichten die Zeitungen und Zeitschriften nicht ohne in diesem Zusammenhang auch den berühmten „Bilbao-Effekt“, die Erfolgsgeschichte, die mit dem Bau des Museums einhergeht, zu erwähnen.
Der Bilbao-Effekt
Der so genannte Bilbao-Effekt lässt sich relativ simpel zusammenfassen und gleicht einem Märchen mit besonders schönem Happy End: Im Jahr 1991 beschließt die Solomon R. Guggenheim Foundation zusammen mit der baskischen Regierung ein Museum in der zur damaligen Zeit wirtschaftsschwachen Stadt Bilbao zu errichten. Der Auftrag geht an den amerikanischen Architekten Frank Gehry, der zu dieser Zeit bereits das Vitra Design Museum zu seinen Projekten zählen konnte. Die einstige Skepsis von Fachleuten und Einwohnern der Stadt über den gigantischen Entwurf des Gebäudes verwandelte sich bereits mit der Eröffnung im Jahr 1997 in Begeisterung. Das Museum verhalf der Stadt zu einem unvorhersehbaren Aufschwung. Und seitdem spülen, natürlich neben dem neu gewonnenen Ansehen für Bilbao, Touristenscharen aus aller Welt ordentlich Geld in die Kassen verschiedener dort ansässiger Branchen. Jedes Jahr, so heißt es, pilgern über eine Millionen Menschen zu dem außergewöhnlichen Museumstempel.
Recherche vor Ort
Vor gut einem Monat machte ich mich auf nach Bilbao. In erster Linie, um dort Urlaub zu machen, das Museum zu besuchen sowie „Land und Leute“ kennenzulernen. Mit extrem hohen Erwartungen und genauesten Vorstellungen im Gepäck trat ich meine Reise an, in eine Stadt, die noch vor zwei Jahrzehnten vermutlich nicht auf der Bucket List eines Kunstliebhabers zu finden war. Wie auch Bernhard Schulz in seinem Artikel zum „Bilbao-Effekt“ passend auf den gängigen Spruch der Amerikaner verweist: „Guggenheim put Bilbao on the map“. Was aber bedeutet dieser angebliche „Bilbao-Effekt“ tatsächlich für die Stadt? Ist der Bau des Museums durchweg ein Segen oder gleichzeitig auch ein Fluch? Das waren Fragen, die mir während meines Aufenthaltes immer wieder durch den Kopf gingen. Natürlich auch vor dem Hintergrund, dass ich selbst in einem Gehrybau arbeite und sowohl den Zuspruch als auch die Kritik der Bürger täglich mitbekomme.
Bilbao hat Charme. Viele schöne Cafés, Restaurants, Einkaufsstraßen, die Strandpromenade oder die eindrucksvolle Brückenkonstruktionen sorgen für Urlaubsfeeling. Und auch die von Sir Norman Foster gestaltete Metrostrecke lässt die Stadt in einem besonders kunstaffinen Licht erscheinen. Mein persönlicher Höhepunkt bleibt aber ganz klar das Museum. Es ist einfach unglaublich, welches Ausmaß die Architektur annimmt und wie das Titan der Außenfassade in der spanischen Abendsonne wie pures Gold glänzt.
Auch die Bewohner von Bilbao scheinen sich in dieser Kulisse wohlzufühlen. Und so sieht man unterschiedliche Altersklassen ihren abendlichen Aperitif auf der Terrasse des Museums einnehmen. Die Stadt und ihre Bewohner sind, so ist zumindest mein Eindruck, eng mit ihrem Gehrybau verbunden. Ein wenig wirkt es so, als sei das Museum schon immer da gewesen. Falsch wäre es aber zu behaupten, dass man die Stadt nur auf das eine Gebäude reduzieren kann.
Und was ist mit Herford?
So viel vorab: In diesem Fall habe ich bei der Beurteilung der Situation einen klaren Vorteil. Ich kenne Herford vor und nach dem Bau des Museums, da ich hier aufgewachsen bin. Zu der Eröffnung haben viele Journalisten geschrieben, dass auch Herford sich nun einen solchen Effekt erhofft. Nichts ist falsch daran Hoffnungen zu haben. Aber war Herford überhaupt das Bilbao von Deutschland? Im Endeffekt geht es doch nicht darum Phänomene einfach zu kopieren bzw. zu erzwingen, sondern sie auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden. Und das ist gelungen.
Marta Herford hat sich vom Druck gelöst, sich emanzipiert und sich in seiner Umgebung zurecht gefunden. Seit der Eröffnung im Jahr 2005 waren zwar nicht ganz so viele Besucher da wie in Bilbao, aber auch die Umgebung und die Menschen um das Museum herum haben sich weiterentwickelt. Marta ist zum Aushängeschild der Stadt geworden. Zu einem Ort, an dem man sich trifft und der den BesucherInnen einen Einblick in die internationale Kunstwelt gibt. Zudem glaube ich, dass die Errichtung des Museums ein notwendiger Schritt war, damit Herford langfristig gesehen nicht von der sprichwörtlichen „Landkarte“ verschwindet. Das soll natürlich nicht heißen, dass es sonst keine Attraktionen in der Stadt geben würde…