Dan Perjovschi — The Vision Book at Marta Herford
Erinnern Sie sich noch an die Ausstellung „Visionen — Atmosphären der Veränderung“ 2013 im Marta Herford? Dort ist Ihnen das Werk des rumänischen Künstlers Dan Perjovschi schon im Eingang begegnet. Über und über war die gesamte Glasfront des Museums mit seinen schwarzen Strichzeichnungen, Symbolen, Buchstaben und Worten bedeckt.

In brillanter Art und Weise reduziert der Künstler Dan Perjovschi seine Aussagen auf ein Minimum, bringt die Essenz eines Gedankens zu Tage und überträgt diese Botschaften gekonnt in Bild und Schrift. Mittlerweile gehört er zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern und ist weltweit in Einzel- und Gruppenausstellungen sowie auf Biennalen von Venedig über Istanbul bis Moskau beteiligt. Seine Zeichnungen entstehen im alltäglichen Leben und reagieren unmittelbar auf seine Umgebung sowie aktuelle Ereignisse. Anregungen findet er auf der Straße, in Gesprächen sowie der aktuellen internationalen Berichterstattung. Mit Sarkasmus und Ironie beschäftigt er sich mit großen gesellschaftlichen Themen wie Politik, Religion, Kultur, Liebe, Individuum und Gemeinschaft sowie auch regionalen, lokalen Geschichten.
Aktuelle gesellschaftliche Tendenzen widerspiegeln

Zu jeder Zeit trägt er ein kleines schwarzes Notizbuch bei sich und sammelt dort all seine Ideen, Beobachtungen und Gedanken – so zeichnet er ein spannendes Spiegelbild unserer Gegenwart. In Vorbereitung einer Ausstellung entsteht stets ein solches Buch explizit für diesen Ort. Am Ende schafft es dann jedoch nur circa ein Zehntel der Zeichnungen daraus in spontaner Geste an die Ausstellungswand.
Perjovschi geht es in seinen Ausstellungen nicht um eine Permanenz, Dauer oder Beständigkeit, sondern darum, eine aktuelle Stimmung, politische Lage, gesellschaftliche Tendenz aufzugreifen und gekonnt zu rezipieren. Er sieht sich als Kommentator dessen, was die Welt ihm bietet. Ebenso intendiert er weder das Publikum zu spalten oder gar zu verletzen, sondern möchte ein gemeinschaftliches Verständnis schaffen, die Betrachter*innen vereinen und dazu bewegen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Er sagt: „Aufgabe des Künstlers ist es heutzutage Brücken zu bauen.“
Wie hat sich seine Bildsprache zu dem entwickelte wie sie heute ist?
Schon im Alter von 10 Jahren wurde Perjovschis Zeichentalent entdeckt, so dass die rumänische Erziehungsbehörde ihn auf eine spezielle Begabtenschule schickte. Anschließend absolvierte er ein Malereistudium an der Kunstakademie in Iași, Rumänien. Doch schon damals fühlte er sich immer mehr in der Zeichnung zuhause. Seinen künstlerischen Stil entwickelte er schon früh als Zeitungskarikaturist und Co-Herausgeber der unabhängigen rumänischen Zeitschrift „22“. Der Name bezieht sich auf den 22. Dezember 1989, als der rumänische Diktator Ceausescu gestürzt und hingerichtet wurde.
Seitdem gelingt es Perjovschi geschickt, mit wenigen schwarzen Strichen, reduzierten klaren Formen, die häufig mehr geschrieben als gezeichnet sind, einfachen Logos und Wortspielen, Situationen zu erfassen, zusammenzufassen und zu vereinfachen. Symbole werden zu Mustern, durch die Versetzung einzelner Linien, lassen sich völlig neue Zusammenhänge kombinieren und Bedeutungen verändern.
200 Seiten voll Herforder Geschichten
Der Fakt, dass ihm das Papier nicht mehr ausreichte und er begann mit seinen Stiften direkt auf die Wand zu gehen, verleiht seiner Arbeit eine wunderbare Unmittelbarkeit. Die Wände werden nach den Ausstellungen stets wieder überstrichen, nur seine Notizen bleiben als Dokumentation erhalten. Ein solches Notizbuch ist auch im Zuge von Dan Perjovschis Arbeit in Herford entstanden. Über 200 Seiten randvoll mit den Gedanken, Ideen, Beobachtungen, lokalen Gesprächen und globalen Vorstellungen des Künstlers. Die Themen reichen von der Anbindung Herfords, der Mode-, Möbel- und Küchenindustrie, dem Eurovision Song Contest, Frank Gehry, dem Papst, italienischer Politik, der ostwestfälischen Mentalität, dem Alten und Neuen Markt bis hin zum Angebot in der Kupferbar. Dan Perjovschis Notizbuch konnten wir nun mit der engagierten Unterstützung der Marta Freunde und Förderer im Original für die Sammlung erwerben und zudem als Faksimile in limitierter Edition reproduzieren. So kann man nun in seinen Herforder Erinnerungen, geistreichen Kommentare und gekonnten Zeichnungen weiterhin schwelgen und den einstigen Ausstellungsbeitrag auf sehr intime Weise lebendig halten. Laut Perjovschi soll sich die Kunst mit der Wirklichkeit, mit dem Leben und der Welt beschaffen – um dies erfüllen zu können, braucht er als Künstler kreativen Freiraum sowie geistigen Raum zum Arbeiten.

Hinweis:
Ab sofort erhalten ist die limitierte Edition „The Vision Book at Marta Herford“ im Marta-Shop erhältlich. In Kooperation mit einer der besten Kunsteditionsdruckereien Berlins und in engem Austausch mit dem Künstler ist ein besonderes Faksimile entstanden. Die aufwändigen Scans jeder einzelnen Seite und die exakte Bindung in Handarbeit machen die Edition zu einem ganz besonderen, originalgetreuen Kunstwerk.