Design statt Kaffee: Der gedeckte Tisch als Ausstellungsfläche
Eine 18 Meter lange, skurril-bunte Tafel bildet das Herz der aktuellen Ausstellung „Rebellische Pracht“. Trotz der Aufmerksamkeit, die das handgefertigte Stück auf sich zieht, ist es kein Exponat, sondern vom Marta-Team aufwendig dafür entworfen, die eigentlichen Kunstwerke zu präsentieren.
Nichts sagt so viel über das Wesen der Gastgeber aus wie die gedeckte Tafel, an die man sich setzt. Als Zentrum von festlichen Zusammenkünften ist sie zugleich auch Schaufläche für das „gute Geschirr“ und birgt damit Potenzial für bürgerliche Spießigkeit. Gegen diesen sonst eher konservativen Gestaltungsbereich rebellierten die Designer*innen der 1970er und 80er Jahre mit schrillen Farben, wilden Mustern und einem gewagten Stilmix.
Bunt statt bieder
Im Zentrum der aktuellen Marta-Ausstellung steht die Sammlung Anthologie Quartett von Michael von Jakubowski und Rainer Krause, die sich heute im Besitzt der Staatlichen Kunstsammlung Dresden (Archiv der Avantgarden) befindet. Besteck mit lustigen Gesichtern, Frühstücksgeschirr in ungewöhnlichen Formen und Farben und Kannen, die aussehen wie … ja, wie was eigentlich? Es ist genau diese fantasievolle, spielerische, teils provokant-kitschige Sinnlichkeit, die in der damaligen Zeit eine neue emotionale Beziehung zu den sonst vor allem funktionalen Gegenständen hervorrufen sollte.
Eine Marta-Ausstellung entsteht
Um die vielen detailreichen Tassen, Gläser, Kannen und Bestecke, Teller und Vasen in Szene zu setzen, bedarf es einer besonderen Ausstellungsfläche. Schnell kam im Team die Idee auf, die Ausstellungsobjekte dort zu präsentieren, wofür sie entworfen wurden: auf einer langen Tafel. Der erste Entwurf von Michael Train, Leiter der Ausstellungstechnik im Marta Herford, sah vor, dass der Tisch einfarbig in Weiß gehalten werden sollte, um die Illusion einer Tischdecke zu erhalten und die bunten Kunstwerke darauf in den Vordergrund zu rücken. Der Bau erinnert Kuratorin Friederike Fast an Objekte, die die 80er Jahre prägten: „Charakteristisch ist die Verbindung von rund und eckig. Die abgerundeten Ecken erinnern ein bisschen an eine Zeppelin-Struktur.“

Prachtvolle Gestaltung
Im nächsten Schritt entwickelte das Bielefelder Grafikerduo „nathow & geppert“ ein zur Ausstellung passendes Farbkonzept. Der gestalterische Ansatz war dabei einerseits geprägt vom dramaturgischen Gedanken, das Thema räumlich erfahrbar zu machen. Andererseits sollte er die Kunstwerke bestmöglich präsentieren. Für originale Muster aus den 1970er und 80er Jahren besuchten sie gemeinsam mit der verantwortlichen Kuratorin die Herforder Niederlassung der Firma Abet. Die deutsche Vertretung des italienischen Herstellers vertreibt Schichtstoffplatten für Böden, Wände und Fassaden, Möbel und Innenausbau. Dort suchte das Marta-Team originale Oberflächen aus den 1970er und 80er Jahren aus, um ein Objekt im Design der damaligen Zeit zu kreieren.

Von der Skizze zum Objekt
Einzelne Teile der Tafel produzierte Michael Train zusammen mit seinem Kollegen Hans Schröder zwar in der museumseigenen Tischlerei, zusammengesetzt wurden sie jedoch direkt im Ausstellungsraum. Mit einer stattlichen Länge von 18 Metern hätte es keine andere Möglichkeit gegeben, den Koloss in die Lippold-Galerie zu bekommen. Für den Prozess von der Skizze zum fertigen Objekt hatte das Team nur knapp eine Woche Zeit und so musste jeder Handgriff sitzen. Auch die Idee und deren Umsetzung, die Krawatten auf einem großen Ring anzuordnen, stammt von Michael Train: „Auf diese Weise werden in Kaufhäusern häufig Hemden präsentiert. Dieses Konzept habe ich aufgegriffen.“

Die Geschichte als Inspirationsquelle
Aufbauend auf den bemusterten Oberflächen des Tisches entwarfen die Grafikdesigner anschließend die farbliche Gesamtgestaltung des Ausstellungsraumes und des mehrseitigen Plakatflyers, der die Begleittexte beinhaltet. Besonders die Typo der Wandtexte findet Kuratorin Friederike Fast sehr gelungen: „Die Ligaturen wirken, als würden sie springen. Sie sind nicht dem 80er-Jahre-Design nachgeahmt, sondern davon inspiriert. So wie es unserem Team und den Grafikern hier gelungen ist, sollte man öfter mit historischen Ausstellungen umgehen: Den historischen Stoff als Inspirationsquelle nehmen und dann daraus etwas Eigenes schaffen. Denn die Frage, die uns beschäftigen muss, ist ja: Was hat das heute noch mit uns zu tun?“