Willkommen im Labyrinth: Die Aura einer Ausstellung
Hübsch anzuschauen sind sie, die zig bunten verspiegelten Fensterrahmen, die der Künstler aus Abrissbaustellen in Peking gesammelt hat. Von außen erinnert Song Dongs begehbare Skulptur „Everywhere“ an eine nomadische Wohnstruktur, der sogenannten mongolischen Jurte. Öffnet man aber den einzigen Zutritt zu diesem Raum, erlebt man einen atemberaubenden Anblick.
Im Inneren dieses polygonalen Baus scheint es, als ob man den Boden unter den Füßen verliere: Hunderte Lampen, Wand- und Bodenspiegel simulieren eine unendliche Weite und Tiefe. Man multipliziert sich, scheint in diesem geheimnisvollen Spiel aus Licht und Spiegelungen haltlos zu sein. Nach der ersten Orientierung schreitet man etwas zögerlich und gleichzeitig staunend umher. Womöglich nimmt man erst jetzt, auf den zweiten Blick, einzelne der teilweise sonderbaren Lampen wahr, die – obwohl sie alle unterschiedlich sind – in ihrer Gesamtheit ein stimmiges Bild ergeben. Und wenn man das Glück hat, die begehbare Skulptur in einem menschenleeren Moment zu erleben, dann sollte man sich in die Mitte dieses Raumes legen, den Blick an die Decke richten und diesen magischen und erhabenen Augenblick genießen.
Die Aura
Die Installation „Everywhere“ ist nur eines von insgesamt sechs Werken in unserer aktuellen Ausstellung „Willkommen im Labyrinth“ (noch bis zum 23.09.18), die so beliebt ist, dass wir in diesem Jahr vom berühmten Sommerloch verschont wurden. Aber was ist das Erfolgsgeheimnis? Man könnte es mit einem durchdachten Ausstellungskonzept erklären, der guten Werkauswahl oder einer besonders hohen Aufschlagzahl an Presseberichten. Das Geheimnis liegt aber womöglich in der Aura der Ausstellung.
Der Museumsbesuch als emotionales Erlebnis
In einer Welt der Reizüberflutung und Schnelllebigkeit ist es für Museen schwieriger geworden, seine Besucher*innen noch zu überraschen und sie zu fesseln – bei „Willkommen im Labyrinth“ scheint es gut gelungen zu sein. Die Besucher*innen werden nicht einfach nur mit Kunstwerken in zweidimensionaler Form konfrontiert, sondern können die sechs Installationen mit allen Sinnen erfahren, sie begehen, erleben und ihre Wahrnehmung auf den Prüfstand stellen. Die Zauberformel lautet wohl auch hier „immersive Räume“. Und auch wenn wir es als Institution mit Bildungsauftrag nicht so gerne hören wollen: Sie locken vor allem auch jene Menschen, die sich nicht von Vermittlungsangeboten abhängig machen oder in erster Linie die Intention der Künstler*innen verstehen wollen. Erstrangig ist zunächst für viele das emotionale Erlebnis, das sie bei ihrem Ausstellungsrundgang erfahren.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Die Chance von fotogenen Ausstellungen
Hinzu kommt ein Umstand, über den sich jede*r Öffentlichkeitsarbeiter*in freut: Die Ausstellung ist unglaublich fotogen und funktioniert prima auf Instagram & Co. Das spielt vielen Museen (oder auch Nicht-Museen!) sehr gut in die Karten, wie erst kürzlich Dr. Angelika Schoder in ihrem Beitrag „Hauptsache Selfie-freundlich: Was macht ein Museum heute noch aus“ treffend zusammenfasste. Ich fühlte mich beim Lesen des Beitrags ein wenig ertappt, denn auch wir profitieren von der bildmächtigen Aura unserer Ausstellung, die u.a. auf ein Zielpublikum wirkt, das in der ostwestfälischen Periphere nach Insta-Momenten hungert. Und wir freuen uns natürlich darüber, wenn plötzlich die sozialen Kanäle mit Besucher*innenbeiträgen geflutet werden und initiieren das gerne auch – wie beim kürzlich stattgefundenen Instameet, bei dem tolle Aufnahmen entstanden sind! Aber das darf nur ein schöner Nebeneffekt sein: In Museen sollte die inhaltliche Qualität von Ausstellungen nicht zugunsten inhaltsloser Erlebniswelten weichen, weil sie gut über soziale Kanäle gespielt werden können.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
|ANZEIGE| Christian Ozduck • Nieteum, 2018. #welcometothelabyrinth #instameetmarta #martaherford
Digitale Vermittlung
Und auch wenn das Thema „Digitale Kommunikation“ mittlerweile einen langen Bart trägt und nun fast jedes Museum erreicht hat – und sei es, dass man nur darüber spricht – stelle ich in Gesprächen mit anderen Kolleg*innen manchmal noch eine gewisse Skepsis fest. Einige tadeln das instagram-affine Publikum, den Hang zur Selbstinszenierung über die Sinnhaftigkeit des Kunstwerks zu erheben. Aber ist dem wirklich so? Und selbst wenn: Wäre das wirklich schlimm? Wenn auch die Intention des Museumsbesuches in erster Linie die Jagd nach einem richtig guten Foto ist, so heißt es doch nicht zwangsläufig, dass man sich nicht inhaltlich mit den Werken auseinander setzt. Auch die Rezeption und Beschäftigung des Werks via Social Media kann eine Form der digitalen Vermittlungsarbeit sein und birgt ein großes Potenzial, dass auch ein jüngeres Zielpublikum mit Kunst und Design in Berührung kommt.
Liebe Daniela,
ich habe erst kürzlich an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass jede Instagrammerin, die ein tolles Foto von einer Ausstellung macht, sich als Botschafterin für das Haus einsetzt. Euer Instameet war ein wirklich gutes Beispiel dafür, dass echt reichweitenstarke Leute da waren, die sich ehrlich angetan von der Ausstellung gezeigt haben. Und ich finde, die Bilder, die da entstanden sind wirklich toll. Das hat etwas mit der Kunst zu tun, die ihr da gezeigt habt. Und ich glaube auch, dass viel Anregung zur Beschäftigung mit der Kunst gegeben wurde. Über die Inszenierung von guten Fotos hinaus. Mir ist es zumindest so gegangen und ich schreibe gerade noch an dem Blogbeitrag dazu.
Vielen Dank noch einmal, dass ich dabei sein durfte und bis ganz bald.
Liebe Grüße
Anke
Liebe Anke,
vielen Dank für Deine nette Rückmeldung. Ja, das Bild von der Botschafter*in trifft es sehr gut! Wir waren auch sehr zufrieden und angetan von den vielen schönen Eindrücken, die dabei entstanden sind – aber vor allem auch von den tollen Menschen, die sich hinter den Accounts verbergen. Ich freue mich schon auf Deinen Beitrag! 🙂
Herzlich
Daniela