Freiräume wagen – Filmemacherinnen aus dem arabisch-persischen Raum
Die Ausstellung „Zwischen Zonen“ zeigt neun Künstlerinnen aus dem arabisch-persischen Raum, die vielstimmig Einblicke in unterschiedliche Gesellschaften geben.
Mit einem eintägigen Filmfestival am 09.09.17 im Marta-Forum werden diese unterschiedlichen künstlerischen Perspektiven mit Filmen aus und über die Region erweitert. Die Filme, ebenso wie die gezeigten Kunstwerke in der Ausstellung, verbindet ein kritischer Blick auf die dortigen gesellschaftlichen Veränderungen. Die Regisseurinnen befassen sich mit ihrer Gegenwart und zeigen in ihren Filmen eine junge Generation, die für mehr Selbstbestimmtheit eintritt und alte Traditionen kritisch hinterfragt. Das Medium Film kann schwierige Inhalte einfach darstellen und eine Tür zu fremden Kulturen öffnen, wie die ausgewählten Beiträge belegen.
„Kaum öffne ich die Augen“ von Leyla Bouzid (Tunis, 1984) ist einer der interessantesten Spielfilme der vergangen Jahre, die den Umbruch in der Gesellschaft im Zuge des arabischen Frühlings thematisieren. Die junge Farah hat ihr Abitur mit Bravour bestanden und ihre Familie ist stolz darauf, dass sie bald ein Medizinstudium beginnen wird. Farah hingegen hat andere Pläne für ihre Zukunft und will als Leadsängerin einer Rockband etwas bewegen. Traditionelle Klänge verbindet die Band mit innovativen elektronischen Rhythmen, die den Aufbruch in eine neue Zeit markieren. Neben den mutigen, kritischen Songtexten führt auch ihre Liebesbeziehung mit einem Bandkollegen bald schon zu großen Problemen für Farah. Leyla Bouzid portraitiert in ihrem Drama eindrucksvoll die junge Protagonistin und ihre Mutter als starke Persönlichkeiten, die sich gegen bestehende gesellschaftliche Konventionen auflehnen und sich Freiräume erkämpfen. Auch die Künstlerin Arwa Abouon beschäftigt sich in ihrer „Generations Series“ mit Familienverhältnissen. Die ausgestellten Fotografien zeigen ihre Eltern, ihren Bruder und die Künstlerin selbst und lotet die zeitgenössische Identität westlicher Muslime aus. „Die Einbettung spritueller und kultureller Themen mit einem Islambezug in größere allgemeingültigere Zusammenhänge, (…), ermöglicht eine interkulturelle Übertragung des Werks.“, stellt die Wissenschaftlerin Valery Behiery über die Fotografien fest, was sich auch über den Film „Kaum öffne ich die Augen“ von Leyla Bouzid sagen lässt.

Rappen für mehr Selbstbestimmung
Auch der Dokumentarfilm „Sonita“ von Rokhsarah Ghaem Maghami (Teheran, 1976) macht Musik zum Thema. Die gerade 18-jährige Sonita lebt als Afghanin ohne Papiere in Teheran und träumt davon eine berühmte Rapperin zu werden. Um einer drohenden Zwangsehe in Afghanistan zu entgehen, muss sie sich gegen den Willen ihrer Familie behaupten. Sie stellt ein Rap-Video ins Internet und prangert darin den Umstand an, dass junge Frauen in Teilen der Welt noch immer als Ware gehandelt werden. Durch die mediale Aufmerksamkeit, die das Video weltweit erzielte, wurde Sonita zum Vorbild für zahlreiche junge Frauen und eine Universität in Utah (USA) honoriert ihren Mut mit einem Stipendium für ein Musikstudium. Die Filmemacherin Rokhsarah Ghaem Maghami, die Sonita in einem Bildungsprojekt in Teheran kennenlernte, dokumentierte drei Jahre lang ihre aufregende Geschichte.
Von Mythen und Legenden
Die gerade 26-jährige Filmemacherin Sharbanoo Sadat widmet ihre Aufmerksamkeit dem einfachen Leben in den Bergen Afghanistans, wo sie aufwuchs. In ihrem Spielfilm „Wolf and Sheep“ hält sie den harten Alltag in einem der Bergdörfer fest. Die Beziehungen in der abgeschiedenen Gemeinschaft sind von kleineren Konflikten und dem Glaube an Mythen und Legenden geprägt. So wird der Junge Qodrat von den anderen Kindern gehänselt, weil sein Vater stirbt und seine Mutter erneut heiratet, während das Mädchen Sediqa von den anderen Kindern ausgeschlossen wird, weil sie das Böse in sich trage. Neben diesen Momentaufnahmen des täglichen Lebens brilliert der Film auch mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen, denn die Kinder des Dorfes sind dafür verantwortlich die Schafe über die Weiden zu treiben und sie vor Wölfen zu beschützen.
Des Weiteren werden nachmittags Kurzfilme gezeigt, die sich u.a. mit dem Leben im Kriegsgebiet (A very hot summer, von Areeh Abu Eid), der Müllkrise im Libanon (Submarine, von Mounia Akl) und dem Wunsch nach Anerkennung (Hadaf/ goal, von Hanaa Saleh Alfassi) beschäftigen. Zu sehen gibt es insgesamt drei Filmen in Spielfilmlänge und fünf Kurzfilme, die verschiedene Alltagsrealitäten im arabisch-persischen Raum portraitieren. Das zusammengestellte Filmprogramm macht deutlich, dass es viel Mut und Überwindung kostet, Freiräume einzufordern und für mehr Selbstbestimmtheit einzutreten.
Hinweis:
Das vollständige Programm gibt es hier. Die Ausstellung Zwischen Zonen ist noch bis zum 24.09.2017 im Marta Herford zu sehen.