Gedanken zum poetischen Rundgang
Zur aktuellen Ausstellung „Ausbruch aus der Fläche“ lassen wir den poetischen Rundgang mit der Kunsthistorikerin Sabine Marzinkewitsch am kommenden Samstag neu aufleben. Sie berichtet vorab, was eine Kombination zweier Kunstformen in einem Vermittlungsangebot so reizvoll macht.
„Füllest wieder Busch und Tal still mit Nebelglanz, lösest endlich auch einmal meine Seele ganz…“ Johann Wolfgang von Goethe, An den Mond (1778)
Manche Fragen begleiten einen durch das ganze Leben hindurch. Manche beschäftigen zeitgleich auch andere. Und manche Fragen wiederum treiben die Menschheit von alters her um, durch die Zeiten hindurch. Deshalb ist es wichtig im Leben Orte zu finden, an denen man über diese Fragen nachdenken kann. Das Museum mit seinen vielfältigen Angeboten an Ausstellungen bietet ein solches Terrain.
Das Museum als Ort des Sehens
Im Museum findet man einen Ort des Sehens, ein Experimentierfeld für die Augen. Und was die Augen dort sehen, lenkt die Gedanken in andere Bahnen. Angesichts dessen ist das Museum ein unschätzbar wertvoller Ort des Neuanfangs und der Inspiration. Letztere finden einige in der Natur, andere in der Wissenschaft und wieder andere in der Kunst. Die Ausstellung „Ausbruch aus der Fläche – Das Origami-Prinzip in der Kunst“ verbindet zwei dieser Felder: Mathematik und Kunst. Sie widmet sich der uralten Kulturtechnik des Papierfaltens und thematisiert so die althergebrachte Fragestellung: Wie bringen Faltungen, die auf mathematischen Prinzipien beruhen, dreidimensionale Objekte hervor?
Etwas, das man nicht in Worte fassen kann
Ein Merkmal von Kunst ist ihre Fähigkeit Dinge einerseits zu verkörpern und andererseits gleichzeitig über sie hinaus zu verweisen. Kunst spielt sich somit zwischen Materialität und Wirkung ab. Einer Wirkung, die man manchmal nur schwer in Worte fassen kann. Ähnlich der Wirkung, die Poesie im Hörer/Leser hinterlässt, wirken Bilder und Skulpturen im Betrachter nach. In der aktuellen Ausstellung findet man viele zeitgenössische Kunstwerke, die auf immer wiederkehrende Themen und Fragen der Menschheit referieren. Diese Werke einigen Klassikern der Lyrik gegenüber zu stellen bietet den Teilnehmer*innen an einem poetischen Rundgang eine besondere Gelegenheit: Man kann sich mittels Sprache erinnern und gleichzeitig in bildender Kunst Neues entdecken. Bildende Kunst und Sprache sind individuelle Fähigkeiten und treten in diesem Parcours einander gegenüber. In beiden Kunstformen schwingen bisweilen ähnliche Konnotationen mit, die die Beschäftigung mit ihnen in einem direkten Vergleich interessant macht.
Was macht Kunst mit dem Betrachter?
Kunst spricht die Sinne dessen an, der sich mit ihr befasst. Sie löst etwas aus, das man manchmal nicht erklären kann. Das geht vielleicht unter die Haut, berührt die Gefühlsebene, bringt zum Staunen. Oder wie Goethe es in seinem Gedicht „An den Mond“ ausdrückt: „Lösest endlich auch einmal meine Seele ganz.“ Das alles kann Kunst! Das wird in einem poetischen Rundgang im Dialog der beiden Kunstformen einmal mehr deutlich. Goethe beschreibt das Spiel des Unbewussten am Ende seines Gedichtes so: „Was vom Menschen nicht gewusst, oder nicht bedacht, wandelt durch das Labyrinth der Brust, wandelt in der Nacht.“
Hinweis:
Die nächsten poetischen Rundgänge finden am 10. März (zu der Ausstellung „Ausbruch aus der Fläche“) und am 8. Juli (zu der Ausstellung „Willkommen im Labyrinth“) jeweils um 14 Uhr statt.