Gläserne Durchsicht als politisches Programm
Zu Schmuck verarbeitet wirkt Glas edel, als Fensterscheibe nehmen wir das Material hingegen kaum noch wahr. Die Vielgestaltigkeit machte es schon früh zu einem reizvollen Mittel der Inszenierung und seine Durchsichtigkeit zum politischen Programm.
In der aktuellen Ausstellung „Glas und Beton“ hängen derzeit vier großformatige Fotografien vom Palast der Republik, die Thomas Florschuetz kurz vor seinem Abriss aufgenommen hat. Florschuetz ist einer der wichtigsten deutschen Vertreter der zeitgenössischen Fotografie. Seine Fotos erkunden das Gebäude als Motiv und ihre Präsenz im Bild. Als er mit der Serie im Jahr 2006 begann, befand sich der Palast der Republik bereits im Rückbau. Wo auf der Spreeinsel im heutigen Berlin-Mitte einst die preußischen Könige residierten, wurde 1976 während der Amtszeit Erich Honeckers das „Haus des Volkes“ eröffnet. Neben einer Bowlingbahn, Theatern und 13 viel genutzten Restaurants und Tanzbars, tagte hier auch das DDR-Parlament. Der Innenraum wurde von über 10.000 Kugellampen beleuchtet, weswegen er im Volksmund – wohl nicht ohne spöttischen Unterton – auch als „Erichs Lampenladen“ bezeichnet wurde. Nach der Wende wurde er wegen Asbest geschlossen und war lange nur temporär für kulturelle Veranstaltungen nutzbar. Unter viel Protest wurde 2006 schließlich der Abriss zugunsten des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses eingeleitet.
Ein Prachtbau aus Glas und Beton
Die Fotos zeigen das Innere des Gebäudes in seinem Rohzustand vor dem Abriss. Das Stahlskelett als tragendes Element, der massive Betonboden und die Treppenaufgänge liegen bereits frei, so dass die gesellschaftliche Relevanz des einstigen Prachtbaus kaum noch ersichtlich ist. Von innen durch die große Fensterfläche fotografierend hält Florschuetz den Blick auf das heutige Berlin fest. Das Bild mit der Nummer 56 schaut auf den Schinkelplatz, wo früher das DDR-Außenministerium stand. Als Betrachter*in spürt man förmlich die vom Betonboden ausgehende kühle Feuchtigkeit. Das Baugerüst und die Fassadenstruktur spiegeln sich in den Pfützen im Inneren. Es entsteht eine interessante Spannung zwischen der formalen Abstraktion der Architektur einerseits und der räumlichen Tiefe andererseits. Ohne eine Ruinenromantik zu erzeugen, fängt Florschuetz den seltsamen Zustand zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem ein. „Interessant war für mich diese Spannung zwischen dieser inneren, sehr rohen, aber stabilen Struktur und diesen Blicken nach außen, die man dadurch haben konnte. Es ist letztendlich ein bisschen wie ein Prisma, das in die Berliner Vergangenheit, Gegenwart blickt“, fasst der Künstler seine Raumerfahrung zusammen.
Die Fassade als kalkulierte Durchsicht
Der Palast der Republik, für dessen Bau einer der profiliertesten Architekten der DDR, Heinz Graffunder, federführend zuständig war, wurde zugleich als öffentlicher Volkspalast und Staatspalast konzipiert. Der kubische Flachbau folgt den Leitprinzipien moderner Architektur. Der Baukörper bestand aus zwei hellen Marmorkuben, die von großen Thermoglasflächen mit bronzefarbenen Sprossen plastisch durchdrungen wurden. Die 25 Meter hohe, bräunlich gefärbte Glasfassade sollte eine besondere Raumatmosphäre schaffen, indem durch sie hindurch das pulsierende Großstadtleben von außen auch auf das Gebäudeinnere einwirkte. Glas und im speziellen Fensterglas beschäftigen den in Zwickau geboren Künstler schon frühzeitig. Als Schnittstelle zwischen Innen und Außen hat es eine metaphorische Erzählkraft, die Florschuetz in seinem fotografischen Werk einfängt. Als quasi durchsichtiges Gebäude sollte der Palast der Republik von sowohl praktischer wie auch politisch-symbolischer Bedeutung im übertragenen Sinne eine Transparenz vermitteln.
Transparenz als Politikum
Während der Plenarsitzungen der Volkskammer waren Teile des Gebäudes für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Sie fanden jedoch nur zwei bis dreimal im Jahr statt, womit die Bürger*innen nicht allzu oft auf ihr Vergnügen verzichten mussten. Zudem verfügte das Gebäude, abgesehen vom Plenarsaal, über keine weiteren Funktionsräume, was wohl auch als Hinweis gesehene werden muss, dass die politischen Entscheidungen nicht dort getroffen wurden. Die politische Transparenz erscheint hier eher als verklärender Schein, denn als Realität. Auch heute werden Elemente einer gläsernen Architektur häufig eingesetzt, um sinnbildlich auf eine Politik zu verweisen, die nichts zu verbergen hat. So zum Beispiel James Fosters gläserne Kuppel auf dem Reichstagsgebäude in Berlin, durch die das Volk auf seine Vertreter*innen herabblicken kann.