Global denken, lokal handeln – Die Entstehungsgeschichte einer ungewöhnlichen Ausstellungsarchitektur im Marta Herford
Der mexikanische Künstler Pedro Reyes, dessen erste umfassende Einzelausstellung aktuell im Museum Marta Herford gezeigt wird, ist nicht nur Bildhauer, sondern auch studierter Architekt. Für die zeitgleich stattfindende Werkschau der Architektin Lina Bo Bardi entwickelte er ein ungewöhnliches Display. Die Ausgangsfrage dabei war: Wie hätte Lina Bo Bardi selbst wohl ihre Ausstellung im ostwestfälischen Herford präsentiert, wenn sie heute noch leben würde?

Die Architektin Lina Bo Bardi war nicht nur Künstlerin, Designerin, Theaterproduzentin und Theoretikerin, sondern auch Ausstellungsmacherin. 1914 in Rom, geboren emigrierte sie in den 1940er Jahren nach Brasilien. Dort entdeckte sie traditionelle Handwerkstechniken und Baumethoden der indigenen und vornehmlich ländlichen Bevölkerung, denen sie in zahlreichen Ausstellungen eine neue Aufmerksamkeit verlieh. Denn sie war überzeugt davon, dass die moderne Gesellschaft von diesen traditionell gefertigten Gegenständen lernen könnte. Die aus lokalen Materialien hergestellten Objekte waren eng an den Grundbedürfnissen ihrer Nutzer*innen ausgerichtet, da sie aus der Notwendigkeit heraus gefertigt wurden. Die ungewöhnliche Art von Lina Bo Bardi, die zahlreich zusammengetragenen Exponate in der Ausstellung „Nordeste“ (1963) klar gruppiert in Holzregalen zu präsentieren, begeistert Ausstellungsmacher*innen bis heute. Diese Schau war auch Ausgangpunkt für die Ausstellungsarchitektur im Museum Marta Herford.

Hier zeigt der Künstler Pedro Reyes seine besondere Wertschätzung für Lina Bo Bardi, indem er ihren Werken eine Bühne bereitet hat. Dabei knüpft er an ihre Bewunderung für traditionelle Baumethoden und Handwerkstechniken an: So nutzte er das Holzskelett eines abgerissenen, historischen Fachwerkhauses aus der Region Ostwestfalen-Lippe, um diese Ausstellungsarchitektur zu entwickeln. Das Ständerwerk des Fachwerkhauses wurde von dem Zimmermann Klaus Adriaans von der Firma Laar 3 aufbereitet und in der Ausstellung wieder aufgebaut, wo es nun die Entwürfe der Architektin zeigt.

Historische Werkzeuge und andere Gegenstände aus Holz ergänzen die Ausstellung. Die Leihgaben aus dem Holzhandwerksmuseum in Hiddenhausen führen vor, wie vielfältig der Werkstoff Holz eingesetzt werden kann.

Neue Elemente, die von einer Gruppe Auszubildender im Handwerksbildungszentrum Brackwede (HBZ) Fachbereich Bau e.V. in Bielefeld gefertigt wurden, ergänzen das historische Ständerwerk. Fachwerkhäuser sind modular angelegt, so dass die Holzbalken an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden können. Dieses modulare Prinzip des Fachwerkbaus wurde auch im Marta Herford genutzt. In Gemeinschaftsarbeit konstruierten die angehenden Zimmerer und Zimmerinnen die einzelnen Wandbauteile in den Ausbildungswerkstätten des HBZ, die anschließend im Museum montiert wurden.

Der Ausbilder Erich Wöhr führt hier vor, wie mit dem Stemmeisen die entsprechenden Zeichen – sogenannte „Ruten“ und „Querstiche“ – angebracht werden, damit die unterschiedlichen Teile später in richtiger Reihenfolge wieder zusammengefügt werden können. Einem festen Prinzip folgend – von Osten nach Westen – werden die Stücke durchnummeriert. Ein wesentlicher Vorteil dieser eingeprägten Nummern gegenüber Bleistiftmarkierungen ist, dass sie wetterbeständig sind.
Auch heute noch werden die Holznägel mit der Hand „gestochen“. 140 Holznägel fanden insgesamt in der Ausstellungsarchitektur im Marta Verwendung, um die Zapfenverbindungen zusammenzuhalten.

Einige der Auszubildenden kommen aus Handwerksfamilien und setzen so die jahrelange Tradition des Zimmereihandwerks fort, andere sind vor allem fasziniert von der praktischen Arbeit sowie dem Werkstoff Holz, der als nachwachsender Rohstoff heute besonders aktuell ist und zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Traditionen wie die klassische Zimmermannskluft und die Organisation in Zünften oder auch Richtsprüche in altdeutscher Sprache zur Segnung und zum Schutz des Hauses werden von Vielen weiterhin lebendig gehalten. Dabei spielt der Humor durchaus eine wichtige Rolle: „Fest steht er hier in Riegel und Pfosten – und wird den Bauherrn ein schweres Trinkgeld kosten“.