Humor als Verführungsmaschine
„Großes Kino“ – so titelte ein Zeitungsartikel zur aktuellen Marta-Ausstellung. Seit letztem Freitag sind fünf Filme im Museum zu sehen, allein drei davon als Großprojektionen. Schon von weitem klingen die enormen Sound-Kulissen den Besucher*innen entgegen und auch die teils sehr bildgewaltigen Sequenzen entwickeln rasch einen intensiven Sog.
Die fünf Künstler*innen, die gesamtheitlich in Israel geboren sind, wählen ganz eigene künstlerische Mittel, um in der Ausstellung „Die Realität … ist absurder als jeder Film“ ihre fesselnden Geschichten zu erzählen. Einer von ihnen ist Roee Rosen (*1963 in Rehovot, Israel, lebt in Tel Aviv), der das Publikum in seinem Film „The Dust Channel“ (Das Staub-Programm) mit einer besonderen Mischung aus Humor, Politik und Gesellschaftskritik verblüfft. Uns Kurator*innen verschlug es regelrecht die Sprache, als wir ihn auf der documenta 14 in Kassel zum ersten Mal sahen. Einen so ungewöhnlichen Umgang mit brisanten Themen der Gegenwart hatten wir noch nicht erlebt!
Ein absurder Lobgesang auf einen Staubsauger
In der Erzählung wird die Privatwohnung eines jungen, israelischen Ehepaars zur Bühne des Geschehens. Wie in einer Operette singen Mann und Frau im Duett und werden von einem Musikensemble begleitet. Dabei klingt der Text wie eine Art absurder Lobgesang auf einen beutellosen Staubsauger – den Dyson DC 07, der von dem Designer Sir James Dyson Mitte der 1980er Jahre entwickelt wurde. Die groteske Überhöhung des Reinigungsgeräts erscheint nicht nur als Ausdruck eines übertriebenen Sauberkeitswahns, sondern geht auch einher mit einem ausgeprägten Warenfetischismus, wenn der Staubsauger liebkost wird oder als Sexspielzeug dient. Schließlich verwandelt sich der Dyson Seven selbst in einen weiteren Protagonisten, indem er sich in Bewegung setzt, um sich das Fernsehprogramm auf dem sogenannten „Dust-Channel“ anzusehen. Mit den politischen Themen, die dort behandelt werden, eröffnet Rosen in seinem Film weitere zeitgeschichtliche Bezüge. So findet das wiederkehrende Motiv des Staubs eine Entsprechung in einer Ansicht von der Wüste Negev, in der die israelische Regierung 2013 das umstrittene Holot-Lager (Holot bedeutet Sand) zur Abschiebung „illegaler Arbeiter“ eingerichtet hat.
Fiktion ist „wahrer“ als jedes Dokument
Obgleich die traumartige, assoziative Abfolge der Szenen allen Regeln der Vernunft zu wiederstreben scheint, gelingt es dem Künstler mit dieser kuriosen Mischung aus Fakt und Fiktion, aus Humor und existentiellen Themen gängige Denkmuster zu entlarven und pathologische Entwicklungen in einer Gesellschaft offenzulegen: „Humor ist eine Art Verführungsmaschine. Er verwandelt Dinge in etwas Ansprechendes und bringt das Publikum in eine Situation, in der es sich schwierigen, unbequemen Fragen stellen muss.“ (Roee Rosen)