5 Fragen an Katja Mater
Anlässlich der Ausstellung „Revolution in Rotgelbblau“ haben wir die niederländische Künstlerin Katja Mater (geb. 1979 in Hoorn, Niederlanden) sie eingeladen, für die Ausstellungsräume im Marta Herford eine ortspezifische Arbeit zu entwickeln.
Während des Entstehungsprozesses von „Site Specific Tiled, 01/10/17“ sprachen wir mit der Künstlerin über ihre Vorgehensweise.

Eines der zentralen Gestaltungsprinzipien von De Stijl beruht auf der Reduktion auf die drei Grundfarben – Rot, Gelb und Blau. Aus ihnen lassen sich durch Mischung alle weiteren Töne herstellen. Wenn die Besucher den historischen Teil der aktuellen Marta-Ausstellung verlassen, stoßen sie auf Deine Arbeiten, die auf einer violetten Wand präsentiert werden. Warum hast Du gerade diese Farbe gewählt?
Normalerweise wähle ich Farben und Materialien nach ihrem fotografischen Charakter aus und achte weniger auf ihre chromatischen Qualitäten. Ich bedenke dabei auch immer Kontrast, Reflexion, Sättigung, Absorption usw. mit. Zum Beispiel benutze ich Silber und Gold wegen ihrer Eigenschaft (Blitz-) Licht zu reflektieren und dunkle Farben aufgrund ihres hohen Kontrasts bei Mehrfachbelichtungen.
Bisher habe ich bei ortbezogene Arbeiten viel mit Schwarz und Weiß gearbeitet, wegen des maximalen Kontrasts, aber in diesem Fall machte ich meine Farbwahl abhängig vom Ausstellungsthema und befasste mich nicht so sehr mit den technischen Voraussetzungen. Ich wollte mit einem Farbton arbeiten, mit dem die Künstler der De-Stijl-Bewegung nicht oder kaum in Berührung gekommen sind und der sich nicht aus den Grundfarben Rot, Gelb oder Blau mischen lässt.
Während Lila ein einfacher Mix aus Rot und Blau ist, zählt Violett zu den sogenannten reinen Farben und hat einen eigenen Raum im Spektrum vom Licht (um 750 THz) zwischen Blau und Ultraviolett, das mit bloßem Auge nicht mehr sichtbar ist.
Violett steht als Farbe für Spiritualität und die Frauenrechtsbewegung. So wurde sie in den 1930er Jahren für die Suffragetten-Bewegung der Frauen verwendet, ebenso wie in den 1970er Jahren, als Violett, Purpur und Rosa die Farben der feministischen Bewegungen waren. Sie ist also ein gutes Gegengewicht zu der von Männern dominierten Geschichte, zu der auch die De-Stijl-Bewegung zählt.

Wenn man Dir bei der Produktion einer Arbeit zuschaut, glaubt man zuerst eine klassische Fotografin vor sich zu haben. Dabei hast Du gar nicht Fotografie, sondern Kunst studiert. Warum arbeitest Du mit einer Plattenkamera und wie genau entstehen Deine Arbeiten?
Man kann sich die Produktion so vorstellen, dass ich in der Regel Bilder mithilfe der Kamera baue und nicht wie ein Fotograf viele einzelne Aufnahmen mache. So ist das Tempo der Herstellung meiner Arbeiten ziemlich langsam. Im Marta habe ich mehrere Tage an drei Fotografien gearbeitet. Meine Arbeit verstehe ich eher als eine Mischung aus Fotografie und Malerei.
Ich benutzte dabei ein Prinzip, bei dem ich während der Erstellung einer physischen Wandmalerei im Raum verschiedene Momente dieses Malprozesses auf drei Negativen festhalte. Dadurch entstehen „geschichtete“ Bilder, die einzelne Momente in der Zeit festhalten.
Diese drei Negative zeigen unterschiedliche Stadien desselben Prozesses, dort überlagern sich verschiedene Fragmente desselben Ereignisses. Jedes dieser Negative bietet eine andere Sicht auf das gleiche Ereignis und visualisiert so unterschiedliche Sichtweisen auf einen exakt bestimmbaren Zeitpunkt. Während des Prozesses wurde das Gemälde selbst zu einem monochromen Wandbild und die Fotos visualisieren die verschiedenen Schritte auf dem Weg dorthin.In der abschließenden Arbeit wurden diese drei Versionen als C-Prints wieder zusammengebracht, in drei verschiedenen Größen gedruckt und die Aufnahmen zu einem sinnstiftenden Bild zusammengesetzt.

Auf den ersten Blick wirken Deine Fotomontagen wie abstrakte Malerei. Wenn man genau hinschaut, erkennt man darin sehr komplexe Kompositionen aus verschiedenen Aufnahmen von Räumen. Ist dieses Spannungsverhältnis zwischen Einfachheit und Komplexität wichtig in deiner Arbeit?
Ja, dieses Spannungsverhältnis von Balance und Fragmentierung ist in der Regel sehr wichtig. Ich folge einem komplexen Prozess, um ein Bild zu erzeugen, das sowohl einfach als auch überlagert ist. Die Galeriewände beziehen sich auf eine andere Art der Wahrnehmung von Zeit und Raum, wobei ich auf einen Bereich zwischen der Entstehung und dem Werk hinweist.
Wir könnten die Geometrie verwenden, um auf ein Bild zu verweisen, dass als Produkt eines Prozesses oder einer Berechnung hervorgeht. Gleichzeitig hat meine ganze Arbeit eine hohe handwerkliche Qualität. Das Vorhandensein von Gesten, Bewegungen und kleinen Fehlern während der Herstellung spiegelt sich oft darüber wieder. Das ist ein wesentlicher Teil der Arbeit und zugleich etwas, das in der Zeit passiert.

Rietveld sah eine zentrale Rolle der Kunst darin, die Grundlagen der eigenen Wahrnehmung bewusst zu machen und sie zu schulen. Vor allem neue, überraschende Raumerfahrungen waren zentral für ihn. Inwiefern ist diese Schulung der Wahrnehmung auch für Dich von Bedeutung?
Ich setze mich in meiner künstlerischen Arbeit mit der Wahrnehmung und dem Spannungsverhältnis von „zweidimensionalen Bildern im dreidimensionalen Raum“ (und umgekehrt) auseinander und erforsche die inhärente Unzulänglichkeit unseres Sehens, das unsere Wahrnehmung bestimmt.
Fotografie ist für mich ein undurchsichtiges Medium. Ich versuche eine alternative Erfahrbarkeit der Wirklichkeit zu entdecken, indem ich in Bereiche vordringe, in denen sich Fotografie und Film nicht wie das menschliche Auge verhalten. Ich nehme Ereignisse auf, die gleichzeitig sein und nicht sein können, die daher zwischen Information und Interpretation stehen. Sie beziehen sich auf eine parallele Realität, die ist oder war, aber niemals richtig existierte, weil sie sich meistens außerhalb unseres Blickfeldes befindet.
Ein Beitrag ist exklusiv für diese Ausstellung hier vor Ort entstanden. Wie nimmst Du den Kontrast zwischen dem expressiven Baukörper von Frank Gehry und der klareren Formensprache Gerrit Rietvelds wahr und wie hast Du mit Deiner Arbeit auf die Architektur des Museums reagiert?
Der Entstehungsprozess und das Arbeiten in diesem Raum war sehr interessant und aufregend für mich. Ich entschied mich bewusst für eine der extremsten „Gehry-Wände“ im ganzen Gebäude, um mein Werk „Site Specific Tiled, 01/10/17 Herford“ zu entwickeln. In meinem Bild wiederum entschied ich mich, diese extreme „Off-Axe“ als gerade Mittellinie zu verwenden. Damit verwende ich im Bild eine dem De Stijl ähnliche Ordnung in einem Gehry-Raum. Mein anamorphotisches Wandbild verlagert sich tatsächlich in einen kompletten Off-Winkel. Außerdem liebe ich die Tatsache, dass wir in der Installation alle Bilder auf einem horizontalen Level aufgehängt haben, aber nichts wirklich gerade aussieht.