Kunstevolution – Robert Barta „Sensing the wave“
Robert Barta lässt mit seiner begehbaren Installation „Sensing the wave“ die Besucher*innen zu Performer*innen werden. Mit drei schwingenden Ebenen verbindet der Konzeptkünstler das eigene körperliche Handeln mit einer neuen Raumerfahrung und setzt den Körper dabei in direkten Kontakt mit der geschwungenen und kippenden Marta-Architektur von Frank Gehry.
Man gelangt in eine wortwörtlich auf den Kopf gestellte Welt, in der man von einer Armada aus Jeanshosen empfangen wird. Hunderte von Beinen, verankert mit der Hüfte auf der Bodenfläche, ragen in die Luft und wiegen sich mit jeder Bewegung leicht hin und her. Die Welt scheint sich verkehrt zu haben, die üblichen Gesetzmäßigkeiten aufgelöst. Es ist dabei jedem selbst überlassen, wie man hier in Aktion tritt: Ob vorsichtig wiegend, wild surfend oder auch kontemplativ verweilend.

„Sensing the wave“ entstand für die „Insel im Marta“, einem partizipativen-künstlerischen Kooperationsprojekt zwischen Künstler, der Abteilung Bildung & Vermittlung und den Kuratorinnen. Robert Barta wurde eingeladen einen Erfahrungsraum zu schaffen, der die Aktivierung der Besucher*innen unterstützt und ebenso einen Ort zum Verweilen bietet.

Die Umwelt anders wahrnehmen
Bereits bei den ersten Besuchen vor Ort zeichnete sich ab, dass sich Barta in seiner Ausstellung mit der besonderen Museumsarchitektur auseinandersetzen wird. Denn viele seiner Arbeiten beschäftigen sich ebenso wie Frank Gehrys Bauten mit Bewegung und ungewöhnlichen Perspektiven. So wie Gehry ein Gebäude hinterfragt, es zerlegt und komplett anders und mit unerwarteten Perspektiven und Elementen in ein neues Raumgefüge überführt, fordert auch Barta die Besucher*innen mit seinen Werken dazu auf, die Umwelt anders wahrzunehmen.

Die Idee, mit schwingenden Flächen zu arbeiten, bedingte eine intensive Recherchephase. Schließlich stieß Robert Barta auf das Prinzip der in England im Jahr 1880 patentierten Pferdeschaukel ohne Kufen, dem „Rocking Horse“ mit einem „Safety Stand“, welches das Umfallen des Spielgeräts verhindert. Auch für den Ausstellungskontext war es wichtig sicherzustellen, dass die großen wippenden Flächen sicher auf dem Boden verankert sind, um sich nicht klemmen zu können.

Seinen Standpunkt finden
Auf den wankenden Objekten befestigt Robert Barta ausgepolsterte, auf dem Kopf stehende Jeans. Diese machen ein Bewegen durch das Dickicht aus Beinen und das Finden eines sicheren Standpunktes nicht leicht. Die nach oben gestreckten Jeans sind Hindernis und gemütliches Kissen zugleich. So wie man beim Stolpern reflexartig nach dem Arm seines Gegenübers greift, umklammert man bei Barta schnell das nächstgelegene Jeansbein. Geübten Surfern, wie Barta einer ist, fällt es leicht, sich auf die wellenartige Bewegung einzulassen. Für Andere ist es eine Herausforderung, den eigenen Standpunkt zu behaupten, besonders wenn sich noch weitere Personen auf den Flächen befinden. Jegliche körperliche Aktion hat eine Auswirkung auf das Gesamtgefüge. So verweist Robert Barta in dieser spielerischen Installation auch auf das Verhältnis des Einzelnen zu Anderen und reflektiert Strategien von Anpassung, Kontrolle und damit Phänomene des gesellschaftlichen Miteinanders.

Mit der Entscheidung Jeans als polsternde Elemente zu nehmen, zitiert sich Barta einmal mehr selbst. Bereits 2006 entstand die Jeans-Arbeit „Never Lost Anything“ mit umgekehrt aufgenähten Gesäßtaschen. Aber auch das Thema Recycling, womit der Künstler sich seit Längerem beschäftigt, greift er mit „Sensing the wave“ wieder auf. Alle Jeans sind wiederverwertet.
Als Füllung für die Hosen dient Schaumstoff von Kaltschaummatratzen. Diese wie auch die Jeans wurden von der RecyclingBörse! für das Projekt gesammelt und zur Verfügung gestellt. Das robuste und genauso flexible Material eignete sich perfekt, um Stabilität und gleichzeitig eine gewisse Gemütlichkeit zu erzeugen.

Versteck und Schutzraum
In der Anhäufung erinnern die Beine an eine Unterwasserlandschaft, an Seeanemonen beispielsweise, die sich sanft im Wasser hin und her wiegen. Seeanemonen bergen Gefahr und Schutz zugleich, denn sie sind für bestimmte Organismen hochgiftig, für andere ungefährlich. So sehr die Installation auch das Gleichgewicht herausfordern kann, liegt man erstmal auf, zwischen und unter den Jeansbeinen, möchte man diesen sicheren Platz nicht mehr so schnell aufgeben. Er ist Versteck und Schutzraum zugleich.

Die Wahrnehmung schärfen
So als könne man kurzzeitig verschwinden, einfach abtauchen, ist man in den Tiefen des Hosendickichts für Außenstehende fast nicht mehr sichtbar. Man kann sich hier ausklinken aus dem Trubel der Welt, innehalten, mit der Gehry-Architektur schwingen und seine Wahrnehmung schärfen. Es ist dabei schwierig zu unterscheiden, ob es die Architektur ist, die sich bewegt, oder der eigene Körper.

Dinge neu begreifen
Barta ist Konzeptkünstler. Seine geschaffenen Objekte greifen stets auf Vorhandenes, auf Alltägliches und Phänomene, die unsere Welt im Innersten zusammenhalten, wie beispielsweise physikalische Gesetze, zurück. Er eignet sich diese Dinge an und zerlegt sie in ihre Einzelteile, um sie schließlich neu zu denken. Dabei arbeitet er oftmals mit Umkehrungen, indem er den ursprünglichen Nutzen seziert, verkehrt oder auch auflöst. Er definiert die Dinge in einer typischen Barta Manier neu, oft in einer slapstickartigen Inszenierung, mit einer ordentlichen Portion Humor und großartiger Absurdität. Mit „Sensing the wave“ fordert der Künstler dazu auf, den Wellen nachzuspüren, das heißt die Umwelt mit allen Sinnen wahrzunehmen. Denn die „Welle“ auf die Robert Barta hier referiert, steckt nicht nur augenscheinlich in der Museumsarchitektur von Frank Gehry, sondern überall, so beispielsweise in Licht, Wasser- und auch Schallwellen. Diese machen das Wahrnehmen der Welt und das Begreifen dieser erst möglich.
