Mart Stam in Szene gesetzt – 5 Fragen an die Ausstellungsdesigner
Die Ausstellung „Radikaler Modernist – Das Mysterium Mart Stam“ (noch bis 7.1.18) ist keine klassische Architekturausstellung. Den Besucher erwartet ein lebendiger Parcours durch das beeindruckende wie geheimnisumwitterte Leben des Pioniers des Neuen Bauens, der schließlich in der Anonymität untertauchte.
Für das Ausstellungsdesign konnten wir BOK + Gärtner aus Münster gewinnen, die die spannungsreichen Kapitel und das Mysteriöse in Mart Stams Leben in der Ausstellung auch räumlich spürbar machen. Ihre Ideen und den Einfluss Mart Stams auf ihr eigenes Schaffen haben sie uns in einem Gespräch erläutert.
Wie kam es zu der Idee zum Ausstellungsdesign?
Rabea Köjer: Es ist immer wichtig für uns, die Gestaltung aus dem Inhalt der Ausstellung abzuleiten. Nur so erzeugt man atmosphärisch und konzeptionell stimmige und nicht nur schöne, aber letztlich beliebige Räume. Mart Stam war ein herausragender Designer und Architekt mit einem sehr interessanten Leben, was uns die inhaltsorientierte Arbeit in diesem Fall sehr leicht gemacht hat. Mit seinem „Freischwinger“ zum Beispiel hat Stam das Möbeldesign des 20. Jahrhunderts ganz maßgeblich beeinflusst. Sein Leben war aber überschattet von einem psychischen Leiden, das im Alter immer stärker wurde: Er litt unter Verfolgungswahn, ist häufig umgezogen und später sogar abgetaucht. Diese ganz prägnanten Momente seines Lebens und Werks waren leitgebend für unsere Gestaltung.
Welche konkreten Gestaltungsprinzipien habt ihr daraus abgeleitet?
Rabea Köjer: Die Stahlrohre, von denen die Textträger abgehängt sind, sind Elemente des Freischwingers. Und die Ausstellungstexte sind auf Architekturpapier gedruckt, auf dem mit Schuhcreme einige Elemente ergänzt wurden. So hat man zur Lebenszeit von Mart Stam tatsächlich Hervorhebungen auf den Plänen vorgenommen, weil Schuhcreme günstig war. Durch die räumlich versetzte Hängung der Textträger erreichen wir dann zweierlei: Es wird ein chronologischer Rundgang erzeugt, der dem Besucher das Wechselvolle von Stams Leben erfahren lässt. Und dadurch, dass das Architekturpapier leicht transluzent ist, sieht er immer Schemen anderer Besucher. Damit greifen wir den Verfolgungswahn Stams auf.

Wofür steht Mart Stam für Euch?
Stefanie Gärtner: Vor allem für eine Spannung, die ihn unglaublich interessant macht: Auf der einen Seite folgt er, ganz der Idee der Bauhaus-Schule verpflichtet, in seinen Entwürfen immer einer ganz klaren und funktionalen Ästhetik – ob es um einen Stuhl, ein Haus oder eine Stadt geht. Dieser Klarheit in der Gestaltung steht auf der anderen Seite sein Leben gegenüber, das in großen Teilen Mysterium bleibt und viele Fragen offen lässt. Die letzten 20 Jahre seines Lebens zogen Mart Stam und seine Frau sich fast vollständig ins Private zurück. Auch deshalb gilt er ja als der „verschwundene Architekt“. Und diesem „Verschwinden“ aus der Öffentlichkeit – auch das eine Spannung – steht zum Beispiel sein Freischwinger gegenüber, der als Designklassiker noch heute allgegenwärtig ist.
Sind seine Ideen für Euch als Architekten und Ausstellungsgestalter heute noch relevant?
David Bücker: Mart Stam gehörte ja im weiteren Sinne zur Bauhaus-Schule, die einen umfassenden Gestaltungsansatz verfolgte. Das spiegelt auch die Philosophie unserer beiden Partnerbüros: Wir arbeiten in einem großen und interdisziplinären Team, das nicht nur Architekten, Grafik-, Medien-, Produkt- und Ausstellungsdesigner umfasst, sondern auch Geologen, Archäologen, Historiker, Kommunikations- und Literaturwissenschaftler. Wir betrachten unsere Aufgaben aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln – um dann hoffentlich eine zugleich simple wie passende, funktionale wie ästhetische Lösung zu finden. Es ist einfach eine spannende, wiederkehrende Herausforderung, bei komplexen Aufträgen alle Aspekte inhouse zu bearbeiten und dadurch eben zu versuchen, den Anspruch einer umfassenden Gestaltung umzusetzen. Und nicht zuletzt macht die Zusammenarbeit und der Austausch in einem solchen Team einfach auch sehr viel Spaß.

Was ist Euer Lieblingsexponat in der Ausstellung und warum?
Christian Oberteicher: Eindeutig die Modelle, die Mart Stams Architektur zeigen und die im Team von Prof. Prof. h. c. Herbert Bühler an der Münster School of Architecture entstanden sind. Nicht nur, weil sie als Exponate eindrucksvoll sind. Sondern auch, weil sie dafür stehen, mit wie viel Herzblut alle Beteiligten bei der Sache waren. Bis kurz vor Ausstellungseröffnung befanden sich die Modelle nämlich noch in Venedig. Und es war unsicher, ob sie ausgestellt werden könnten. Dass sie jetzt im Marta stehen, ist kurzen Kommunikationswegen und dem großen Einsatz vieler Mitwirkender zu verdanken – darunter Prof. Bühler und seine Studenten, vor allem aber Dr. Thorsten Bürklin, Professor für Architekturgeschichte an der MSA, der in der Ausstellung auch in einem Video zu Mart Stams Leben und Werk zu Wort kommt. Ihm gebührt ganz besonders großer Dank.