„Melilla Mauerspringer“ von Fernando Sánchez Castillo (1)
Seit Dezember letzten Jahres sitzt die bronzene Figur des spanischen Künstlers Fernando Sánchez Castillo auf einem 10 Meter hohen Mast am Lübbertor und überschaut das Herforder Stadtgeschehen. Am Samstag wird die Skulptur eingeweiht.
Fünf, durch eine Stadtmauer verbundene Tore führten einst im Mittelalter in die Stadt Herford. Von ihnen ausgehend gelangte man auf den wichtigsten Verbindungsstraßen in die umliegenden Ansiedlungen. Mit der Zeit verloren die Tore an Bedeutung, die Stadtmauern wurden zu eng und die Stadtgrenze verlagerte sich nach außen. Heute sind von den historischen Toren nur noch die Namen geblieben, an ihren Stellen finden sich nun große Verkehrsknotenpunkte oder Brücken.
Skulpturen im öffentlichen Raum: „5 Tore / 5 Orte“
2006 wurde das Langzeitprojekt „5 Tore / 5 Orte“ von Marta Herford ins Leben gerufen. An den Standorten der fünf „verlorenen“ Herforder Stadttore werden internationale zeitgenössische Künstler*innen eingeladen, eine Skulptur im öffentlichen Raum zu schaffen, um die Stadtgrenze als Übergangsort zu markieren und zu thematisieren sowie die Zukunft der Stadt, ihre Handels- und Austauschbeziehungen zu verdeutlichen.
Im Herbst 2010 verwirklichte der amerikanische Künstler Dennis Oppenheim (1938–2011) die „Safety Cones (for Herford)“ am Bergertor. Die beiden fünfeinhalb Meter hohen orangen Verkehrskegel markieren nicht nur die ehemalige historische Stadtstruktur, sondern erinnern mit ihren nachts blau leuchtenden Fenstern an urbane Architekturen und Lebensräume.
Idee und Entstehung des „Melilla Mauerspringers“
Hoch oben, auf einem 10 Meter hohen Mast, der an die umliegenden Straßenlaternen erinnert, sitzt eine männliche Bronzefigur, auf einer Überwachungskamera. Die Figur blickt ruhig wartend in die Ferne und wird auf ihrem Aussichtspunkt Zeuge des Alltags an der Kreuzung einer ostwestfälischen Kleinstadt.

Der spanische Künstler Fernando Sánchez Castillo gehört zu den bedeutendsten Künstlern seiner Generation. 1970 in Madrid geboren, studierte er Bildende Kunst an der Universidad Complutense in Madrid und war zu Stipendienaufenthalten an der École national supérieure des Beaux-Arts in Paris und an der Rijksakademie Amsterdam. Mit seinen meist politischen Werken ist er international in vielen großen Ausstellungen vertreten und stellte unter anderem im Palais des Beaux Arts Brüssel, in der Tate Modern in London, im MoMA New York oder auf der Venedig-Biennale aus.
Sánchez Castillo greift mit seinem Werk Bilder aus seiner Heimat auf. In der spanischen Exklave Melilla an der nordafrikanischen Küste flüchten tagtäglich Menschen an und auf meterhohe Zäune – auf der Suche nach einer neuen Heimat, einer sicheren Perspektive. Mit seiner Skulptur thematisiert der Künstler die Bedeutung von Grenzen, vom Dazugehören und Ausgeschlossensein. Wer ist in einer Stadt willkommen und wer muss draußen bleiben? Wer gehört zu einer Stadtgesellschaft dazu und warum? Wer wird akzeptiert und wer abgelehnt?


Die Überwachungskamera, auf der die Figur sitzt, überträgt rund um die Uhr live Bilder ins Internet. Unabhängig von allen politischen Fragen und ohne Wertung zeigen sie den Fluss des Lebens, das Verkehrsaufkommen sowie das Wetter in Herford – exemplarisch für eine x-beliebige deutsche Stadt.

Einweihung am 30. Juni 2018
Im Rahmen eines Bürgerfestes wird „Melilla Mauerspringer“ am Samstag, den 30. Juni 2018, vom Bürgermeister der Stadt Herford sowie in Anwesenheit des Künstlers eingeweiht. Zusätzlich zur Skulptur am Lübbertor wird Fernando Sánchez Castillo eine Installation, bestehend aus 4.000 Miniaturmodellen des „Melilla Mauerspringers“ aus Kunststoff, im Foyer von Marta Herford aufbauen. Auf Klebezetteln sind die Besucher*innen aufgefordert, Gedanken, Kommentare oder Definitionen zum Thema „Nationalität“ zu hinterlassen. Im Gegenzug dürfen sie sich eine Modellfigur des Kunstwerks mit nach Hause nehmen, so dass sich Sánchez Castillos „Mauerspringer“ als Zeichen der Solidarität über die Grenzen Herfords hinaus verbreitet.