Rotgelbblau in luftiger Höhe – 5 Fragen an die Ausstellungsarchitekten
Für die Ausstellung „Revolution in Rotgelbblau – Gerrit Rietveld und die zeitgenössische Kunst“ kooperierten wir erstmals mit dem Designbüro Kummer & Herrman. Passend zur Herkunft des Architekten leben die Gestalter in niederländischen Utrecht.
Der Kontakt kam von unseren Kollegen aus dem Centraal Museum Utrecht, die bereits mehrmals mit dem Büro zusammengearbeitet haben. Als Niederländer sind sich Arthur Herrman, Jeroen Kummer und ihr Team dem großen Erbe, das Rietveld und De Stijl hinterlassen haben, durchaus bewusst. Mit Ihren luftigen, farbfrohen Entwürfen für die Marta-Ausstellung knüpften sie daran an, um zugleich jedoch spielerisch darüber hinauszuwachsen. Eine inspirierte Übersetzung des experimentellen Ansatzes von Gerrit Rietveld in eine zeitgenössische Ausstellungsarchitektur!

Als Architekten der Utrechter Rietveld-Ausstellung haben wir Euch gebeten, auch die Herforder Ausstellung zu gestalten. Die Ausstellungsarchitektur ist dann aber doch sehr anders geworden als in Utrecht. Bei Eurem Besuch hier im Marta Herford hattet Ihr sehr schnell eine erste Idee. Welche war das, und inwiefern wurde sie von der Gehry-Architektur inspiriert?
Es gibt zwei Hauptgründe, warum die Ausstellungsarchitektur im Marta Herford einen anderen Ansatz benötigte. Zunächst einmal ist das kuratorische Konzept von Marta Herford ein anderes, im Centraal Museum Utrecht fokussierte sich die Haupterzählung in der Ausstellung auf Rietvelds kreativen Weg, der schließlich zur Konzeption und zum Bau des Rietveld-Schröder-Hauses führte. In Herford ging es mehr um Rietveld als eine wichtige Figur innerhalb der De-Stijl-Bewegung sowie seine Rolle und bis heute anhaltende Wirkung in der Welt der Architektur, des Designs und der bildenden Kunst.
Der andere wichtige Grund ist offensichtlich die Gehry-Architektur. Da das Gebäude so charakteristisch ist, mussten wir einen Weg finden, darauf zu reagieren, oder spezifischer eine Art Dialog zwischen De Stijl und Gehry – zwischen dem Geometrischen und dem Organischen – zu entwickeln. Die geometrischen Formen, die die Bausteine des Ausstellungsdesigns bilden, berühren die Wände nicht, sondern schweben eher lose im Raum. Wir wollten auch die immense Höhe des Hauptausstellungsraums nutzen, in dem die „Floating Shapes“ (schwebende Paneele) mit Zitaten die BesucherInnen anlocken.

Welche Eigenschaften von Rietveld bzw. seinem Werk seht Ihr als die wichtigsten an, und wie kommen sie in Eurer Gestaltungsidee zum Ausdruck?
„Wir zielten nicht auf Perfektion, sondern auf eine Befreiung aus der traditionellen Formensprache.” (G. R.) Gerrit Rietveld war nicht nur ein gewöhnlicher Möbelbauer. Die revolutionären und utopischen Gedanken über die Verbindung von Gestaltung und Leben schwingen buchstäblich in allen Entwürfen mit. „Die Wirklichkeit, die Architektur schaffen kann, ist der Raum.“ (G. R.) Die „Floating Shapes“ sind an sich zweidimensional, aber in der Verbindung wirken sie wie dreidimensionale Objekte, die Raum entstehen lassen. Letztlich möchte die Ausstellungsarchitektur den Raum dazwischen sichtbar machen.
Wo lagen zurückblickend die besonderen Herausforderungen dieser Kooperation, und wie habt Ihr sie bewältigt?
Dieses Projekt war unsere erste Zusammenarbeit mit dem Team von Marta Herford. Bei der ersten Zusammenarbeit ist es immer wichtig, sich kennenzulernen und Gedanken, Visionen und Erwartungen auszutauschen. Als Designer einer Ausstellung ist das Konzept der Kuratoren maßgeblich, gleichzeitig suchen wir nach genügend Raum, um damit spielen zu können, um es in etwas Neues zu übersetzen. Eigentlich ist der Dialog vielleicht die zentrale Herausforderung aller Kooperationen.

Neben der Architektur lag auch die Gestaltung der ausstellungsbegleitenden Publikation in Euren Händen. Wie habt Ihr das Konzept der Ausstellung in das Printformat übertragen?
Tatsächlich haben wir bereits einige Erfahrungen im Printbereich (Bücher und Zeitschriften). In unserer Ausstellungsarchitektur spüren die BesucherInnen diese Wurzeln ebenfalls, in denen wir Typografie und Farbe als wichtige visuelle Elemente einsetzen. Im Marta Herford war uns von Anfang an klar, dass die Publikation und die Ausstellung stark miteinander verbunden sein sollten. Auf redaktioneller Ebene waren wir der Meinung, dass die Publikation vor allen die Konzepte und Ideen der KünstlerInnen vermitteln sollte, ähnlich wie die Paneele im zentralen Ausstellungsraum. In der Publikation gab es aber noch einmal deutlich mehrere, da die Zitate von Rietveld und seinen Mitstreiter von De Stijl auch noch mit den Konzepten der zeitgenössischen Künstler verbunden werden mussten. In der Tat sind in unserem Ansatz die Gedanken und Ideen genauso wichtig wie die Bilder der ausgestellten Werke.
Was können heutige Gestalter von Gerrit Rietveld und De Stijl lernen?
Rietveld und De Stijl waren davon überzeugt, dass ein besseres Design am Ende zu einem besseren Leben (und sogar besseren Menschen) führen würde. Natürlich können wir nicht ganz ohne kritische Anmerkungen auf das Vermächtnis von De Stijl zurückblicken (um es milde auszudrücken), darüber gäbe es viel zu sagen. Aber hauptsächlich ist es die enorme Bedeutung von Kunst, Design und Architektur für den Alltag, die heute ebenso gilt. De Stijl war eine Bewegung von lose verbundenen freien Geistern. Heutzutage überkommt uns manchmal das Gefühl, dass sich Design in einer Art Blase befindet und sich nur noch mit sich selbst beschäftigt. In der heutigen Welt, mit einem zunehmenden Einfluss großer multinationaler Konzerne, die enorme Ressourcen besitzen, um mit textlichen und visuellen Inhalten zu werben, ist es wichtig, sich mit anderen zusammenzutun, um alternative Visionen hör- und sichtbar zu machen.