Schluss mit dem Lamentieren – Zur Zukunft des Bildrechts
„Wir weisen Sie darauf hin, dass seit dem Inkrafttreten des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes (UrhWissG) zum 1. März 2018 die Verbreitung von Werken der bildenden Künste in Ausstellungs- sowie Bestandskatalogen und Verzeichnissen der Sammlungsbestände von Museen umfassend dem neuen Vergütungsanspruch nach § 60h UrhG unterliegen.“
Ja, es wird enger. Diese „Wichtige Information“ verschickte die VG Bild-Kunst vor einigen Tagen zusammen mit ihrer aktuellen Abrechnung, um darüber zu informieren, dass sie zwar vorläufig (!) nach dem gewohnten Modus für Ausstellungs- und Sammlungskataloge verfährt, dies aber nur noch unter dem Vorbehalt möglicher Nachforderungen erfolgen kann. Im Klartext bedeutet das, dass wir weiter sparen müssen: entweder in Zukunft weniger Kataloge produzieren (vielleicht konsequenterweise eine Ausstellung weniger) oder aber uns mehr auf Lese- und Textbände fokussieren und die großen Bildbände den Verlagen überlassen (so diese sie denn tatsächlich noch finanzieren können).
Aber nur, um es gleich hier schon klarzustellen: Dieser Text wird alles andere als eine Anklage gegen die Verwertung von Bildrechten, sondern ist eher als Aufruf gedacht, produktiv, konstruktiv, subversiv, intelligent nach vorn zu blicken. Was können und müssen wir als Kulturinstitutionen, als Journalist*innen, Blogger*innen und Wissenschaftler*innen tun, um unserem Auftrag, ja, auch unserer Leidenschaft in Zukunft ergebnisorientiert nachgehen zu können? Denn Fakt ist, dass angesichts der unaufhaltsam voranschreitenden digitalen Durchdringung der Welt unter anderem die Fragen nach dem Urheber- und Bildrecht nicht einfacher, sondern immer komplexer, die Handlungsoptionen und Vorgehensweisen immer komplizierter und – machen wir uns da nichts vor – die Verwertungen immer teurer werden.
Wir müssen reden!
Nun mag man ganz klassenkämpferisch jubeln, dass es ja auch höchste Zeit wurde, den zumeist in prekären Verhältnissen arbeitenden Künstler*innen, Literat*innen, Fotograf*innen und anderen Kulturschaffenden endlich einen angemessenen Teil vom großen Kuchen der institutionellen Reichtümer abzugeben. Andererseits aber ist es ja so, dass – hört man sich mal beispielsweise unter den Schaffenden selbst um – die Ausschüttungen eigentlich nicht in dem Maße ansteigen wie auf „unserer“ Seite die Abgaben. Und zudem ist eben auch jener gern zitierte große Kuchen eine Chimäre, ein Traumkonstrukt aus hochbezahlten Kustod*innen und Kurator*innen, aus müden, satten Direktor*innen und üppigen Produktionsbudgets. Die pekuniäre Realität ist so ernüchternd anders, dass ich die Künstler*innen nicht einmal zur Hospitanz hinter die Kulissen einladen möchte, um ihnen nicht auch noch die letzte Freude an ihrer Arbeit zu vergällen (ich höre es schon durch das Netz raunen: „Ja, ja, mir kommen gleich die Tränen …“).
Dennoch: Wir sind weder angetreten noch gewillt, den großen Klagegesang anzustimmen. Ganz im Gegenteil, wir wollen reden, streiten, gemeinsam nachdenken, Strategien und Ideen für die Zukunft entwickeln. Deshalb veranstaltet das Marta Herford nach der großen Konferenz „Museen im digitalen Raum“ der Pinakotheken in München nun das Symposion „Wem gehören die Bilder – Wege aus dem Streit um das Urheberrecht“, maßgeblich unterstützt durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Landes Nordrhein-Westfalen.
Es gab mehrere Auslöser für diese Initiative: Sei es die ebenso anschauliche wie provokative Geste von Wolfgang Ullrich, als er sein Buch „Siegerkunst“ zum Teil mit grauen Flächen anstatt der Abbildungen drucken ließ (seine Erfahrungen mit dem Bildrecht publizierte er kurz darauf unter dem Titel „Zerstörung einer Leistung“); sei es der Bericht der Bloggerin Angelika Schoder über ihre Schwierigkeiten Auskünfte über Bildrechte im Museen zu bekommen (was dann schließlich in ein (fast) unmögliches Interview führte); oder seien es die vielfältigen und lang andauernden Reaktionen, die ich auf meinen zugegebenermaßen etwas zugespitzen Blogbeitrag „Gebt endlich die Bilder frei!“ erhielt. Vor dem Hintergrund auch einiger Gerichtsentscheidungen und anstehender Gesetzgebungen ist es wichtig, dass wir als Kulturschaffende und -ermöglichende immer wieder die Stimme erheben und die Diskussion mit beeinflussen.
Bildrecht und Museumsalltag
Denn es ist, wie schon häufiger in letzter Zeit, wenn Politik mediale, digitale Unsicherheiten in Gesetze gießt (zuletzt bei der DSGVO): Gemeint sind eigentlich die großen Profiteure, getroffen wird aber vor allem die breite Masse – und zwar zum Teil bis zur Handlungsunfähigkeit, mindestens aber mit umfangreichem (und kostspieligem) Beratungsaufwand. Wenn der nach wie vor überzeugende Gedanke hinter Institutionen wie VG Wort, VG Bild-Kunst oder Künstlersozialkasse – nämlich jener der Solidargemeinschaft zwischen hoch und weniger erfolgreichen Künstler*innen – allerdings dadurch konterkariert wird, dass hinsichtlich der Verwertung von Werken das Nichtstun um ein Vielfaches günstiger ist als die öffentliche Bekanntmachung (in Büchern, Ausstellungen, Newslettern, auf Webseiten und in den sozialen Medien), dann läuft etwas falsch.
Anke Schierholz, engagierte Justiziarin der VG Bild-Kunst, fasste dies kürzlich in ein leider deutlich zu kurz greifendes Statement: „Die Sache ist ganz einfach: Wer eine Publikation herausgibt, will damit Geld verdienen. Und wenn er das mit Kunst macht, muss er dafür zahlen.“ (zit. n. SZ, 3./4. März 2018, S. 23). Nein!, will man da rufen, die Sache ist noch viel einfacher: Wer einen Museumskatalog herausgibt, findet jenseits der gefühlt fünf großen Blockbuster schon längst nicht mehr genügend Käufer*innen für eine kostendeckende Produktion und finanziert diese Bücher überwiegend aus Steuergeldern. Könnte dann die öffentliche Hand nicht auch direkt ihre Künstler*innen unterstützen als über diesen komplizierten Umweg?
Gerade wir im Marta Herford lieben es, quer zu denken, gegen das Erwartbare das Unerwartete zu setzen. Als unsere großen Kataloge, produziert mit viel Liebe und oft in nächtelangen Sessions, nicht mehr viel mehr als bis zu knapp 150 verkauften Exemplaren pro Ausstellung erreichten (kurze Rechnung: 150 x 24 € Verkaufspreis macht 3.600 € Einnahmen gegen mindestens 20-25.000 € Produktionskosten; alle übrigen Exemplare gehen kostenfrei bzw. zzgl. Portokosten an Bibliotheken, in den Schriftentausch, an die Künstler*innen etc.), da haben wir nur sehr kurz daran gedacht die Buchproduktion einzustellen. Dann entwickelten wir die BOX, kleine, feine, modular aufgebaute Broschüren als GUIDE, INDEX, ESSAY und SHOW, einzeln oder zum Paket gepackt – und plötzlich griffen die Menschen wieder zu. Auch noch nicht kostendeckend, aber in einer wieder vertretbaren Weise teilfinanzierend.
Neue Fragen, neue Antworten
Es sind also neue Konzepte, neue Perspektiven, neue Ideen für den Umgang mit dem Kulturgut und seiner medialen Repräsentanz gefragt. Beispielsweise auch in Form einer Frage: Könnte es sein, dass die Idee, unsere Kommunikation vollzöge sich zunehmend nur noch über Bilder und kaum noch über Texte, ein kurzer, intermezzohafter Irrtum war? Vielleicht nutzen wir zukünftig statt geposteter Fotos die unaufhebbare Gemeinfreiheit der Bilder im Kopf, um über Kunst zu sprechen, zu schreiben, zu diskutieren. Oder: Könnte es sein, dass es nur noch ein, zwei zahnlose Gesetze mehr benötigt, um die Hackerszene endgültig auf dieses Thema aufspringen zu lassen und die rechtlich gebundenen Bilder mittels Spycams, Website-Kapern, endlosen Spiegelungen mit Metasuchmaschinen in eine endgültig nicht mehr zu kontrollierende Freiheit zu entlassen?
Oder lautet das Zauberwort Ausstellungshonorare? „Die Künstler müssen mit ins Budget“, schrieb im Zuge der Symposionsvorbereitungen der Kieler Fachanwalt für Steuerrecht Christoph Weiß an den Autor. „Die Bereitschaft unter diesen Voraussetzungen flexibel über Nutzungsrechte zu sprechen, wird nun sehr viel höher sein. Die Verwaltung wird bei der VG Bild-Kunst aufgehängt, aber auf Abruf.“ Allerdings: Bevor Kommunen, Bund und Länder entsprechende Gelder und Budgets in die Museen leiten, die ihrerseits an die VG Bild-Kunst zahlen, die die Honorare an die Künstler*innen ausschüttet, die die Anwälte für passgenaue Verträge bezahlen – wäre es nicht einfacher, die Künstlerförderung würde über Steuer- und Sozialpolitik direkt zwischen Staat und Kulturproduzent*in abgegolten? Zumindest die Streuverluste wären deutlich geringer.
Es gibt also nach wie vor viel zu diskutieren. Wir wollen Künstler*innen zuhören (u.a. Brigitte Waldach und Matthias Wollgast), von Rechtsanwälten Möglichkeiten und Chancen aufgezeigt bekommen (beispielsweise von Grischka Petri, Lucas Elmenhorst oder Gerhard Pfennig), mehr über den aktuellen Gesprächsstand zwischen dem Museumsbund und der VG Bild-Kunst erfahren (Jens Bortloff), digitale Museumsstrategien diskutieren (Ulrike Lorenz) oder über alternative Umgangsformen mit dem Bild in Forschung und Lehre erfahren (Ellen Euler, Tanja Scheffler). Gemeinsam mit Wolfgang Ullrich und einem teils von weit anreisenden Publikum wollen wir zwei Tage lang planen, staunen, diskutieren und neue Perspektiven entwickeln. Ich freue mich sehr auf diesen massiven Input! Bis zum Symposium „Wem gehören die Bilder – Wege aus dem Streit um das Urheberrecht“ in Herford!
Linksammlung zu dem Thema
„Gebt endlich die Bilder frei! – Teil 1 und Teil 2“ (Blogbeitrag von Roland Nachtigäller, 8. und 10. Februar 2017)
„Das (fast) unmögliche Interview“ (Dr. Angelika Schoder interviewt Roland Nachtigäller zum Thema Bildrechte, 8. Februar 2017)
„Wem gehören die Bilder? Wege aus dem Streit um das Urheberrecht“ (Symposion am 14./15.09. 2018 im Marta Herford)
„Das Urheberrecht in Kunst, Kultur und Wissenschaft“ (Blogbeitrag zum Symposium von Damian Kaufmann, 19. September 2018)
„Wem gehören die Bilder? Ein Symposium zu Bildrechten im Marta Herford versuchte Antworten zu finden“ (Twitternachlese von Anke von Heyl, 2. Oktober 2018)
„Urheberrecht vs. Internet: Wer darf Kunst online zeigen?“ (Blogbeitrag zum Symposium von Dr. Angelika Schoder, 10. Oktober 2018)
„Anke Schierholz, engagierte Justiziarin der VG Bild-Kunst, fasste dies kürzlich in ein leider deutlich zu kurz greifendes Statement: „Die Sache ist ganz einfach: Wer eine Publikation herausgibt, will damit Geld verdienen. Und wenn er das mit Kunst macht, muss er dafür zahlen.“ (zit. n. SZ, 3./4. März 2018, S. 23.)“ – Der Logik dieser Argumentation folgend, würde dann aber nur derjenige für die Bildrechte bezahlen, der mit der Publikation auch Geld verdient hat, sprich: eine Anteilige Staffelung der Bildrechtgebühren nach Verkaufszahlen. Mit anderen Worten: ein Freibetrag für die Institutionen um die Möglichkeit von Publikationen auch in Zukunft zu erhalten.
Lieber Dirk,
bitte entschuldige erst einmal die späte Reaktion auf Deinen Kommentar. Dann zu Deiner Anmerkung: Ich fürchte, die Denke der VG Bild-Kunst ist eine andere. „Geld verdienen“ meint schlicht die Einnahme eines Verkaufspreises für ein Druckprodukt. Dass die Katalogproduktion allerdings in der Regel so teuer ist, dass sie nicht über den anschließenden Verkauf finanziert werden kann, wird nicht mit in die Erwägungen einbezogen.
Die nicht mehr mögliche Freistellung von Institutionen durch VG Bild-Kunst-Künstlern führt vor allem bei wie nun angekündigt steigenden Gebühren zu der absurden Situation, dass wir in Zukunft dazu gezwungen sein könnten, mit Euch z.B. bei einer Einzelausstellung die Anzahl der Werkabbildungen von vorn herein zu beschränken, in Sinne von: „Mehr als 20 ganzseitige Farbabbildungen können wir uns leider nicht leisten.“
Es bleibt spannend und es gibt noch viel zu erwägen und sinnvoll zu neu zu regeln.
Herzliche Grüße
Roland