„Stadt und Vision“-5 Fragen an Petra Kahlfeldt
Das Marta veränderte mit Frank Gehrys außergewöhnlicher Architektur den Charakter der ostwestfälischen Kleinstadt Herford. Nicht nur deshalb stellt sich hier die Frage nach Stadt & Vision, nach Möglichkeiten und Aufgaben des Städtebaus.
Einige Male im Jahr lädt das Marta Herford in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA Ostwestfalen Lippe) renommierte Architekten ein, über aktuelle Themen in diesem Bereich zu sprechen und mit Interessierten zu diskutieren. Im März besuchte uns Prof. Petra Kahlfeldt. Marta-Kuratorin und Organisatorin der Herforder Architekturgespräche Franziska Brückmann konnte sie treffen und ihr 5 Fragen stellen.
In Ihren Projekten versuchen Sie stets den Entwurfsgedanken in das Zentrum zu stellen. Wie wird das in Ihrer Architektur mit der Befriedigung der Bedürfnisse des Menschen, für den der jeweilige Bau gedacht ist, vereinbart und geht es Ihnen dabei um die Würdigung des Architekten oder die Seele des Gebäudes?
Die Frage impliziert, dass das ein Widerspruch oder einen Konflikt darstellen würde: Auf der einen Seite die Bedürfnisse der Nutzer und der Entwurfsgedanke des Architekten auf der anderen! Architektur ist eine angewandte „Kunst“. Selbstverständlich dient Architektur den Menschen, sie hat jedoch darüberhinaus deutlich mehr zu leisten als bloße Bedürfnisbefriedigung.
Gerne möchte ich das in einem anderen Themenfeld erläutern: ein voller Teller mit Kartoffeln macht satt, keine Frage. Ein dreigängiges Menü jedoch, das eine raffinierte Speisenfolge mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, verschiedenen Farben, Konsistenzen, etc. kombiniert, erreicht einen anderen Grad an kultureller Leistung – und macht selbstverständlich auch satt. Bei der Besinnung auf den Entwurfsgedanken geht es mir sowohl um Architekt, als auch um die Seele des Gebäudes: Es materialisiert die Gedanken des entwerfenden Architekten und spricht über seine/ihre von Raum, Konstruktion, Material, Ausstattung etc. Ich kann mich in das Wesen des Bauwerks und die Intentionen des bauzeitlichen Architekten einlesen und meine eigene Zutat als neuen Erzählfaden in diese „Geschichte“ mit einflechten.
Wie sind Sie zur Architektur gekommen und wer sind Ihre Vorbilder?
Meine Eltern waren als Bauträger in Süddeutschland tätig. In allen meinen Ferien musste ich auch im Büro mitarbeiten: So habe ich viele Stationen durchlaufen und bei den Architekten in der Planungsabteilung hat es mir am besten gefallen! Tja, mit Vorbildern kann ich nicht so recht dienen. Mir gefallen besonders gut Kollegen, die mit einem hohen Anspruch an ihr Tun, gelassen und sachkundig sind. Nicht ständig Andere kritisieren und klein machen, nur um sich groß zu tun.
Welches Gebäude hätten Sie gerne selbst entworfen und welches sehen Sie als Ihr persönliches Meisterstück?
Ich liebe die Häuser der Zwischenkriegs-Jahre in Europa: Die dreißiger Jahre in Deutschland, Tschechien, oder besonders in Italien. Körperreiche, in traditionellem Kanon modern gegliederte und durchgeformte Häuser mit ausdrucksstarken Materialien in wunderbarer Detaillierung. Sehr gerne habe ich aus unseren vielen Neu- und Umbauten das MetaHaus, ein ehemaliges Großabspannwerk in der Schlüterstrasse in Berlin, unsere Umbauten in der Berliner Philharmonie, die Fotogalerie C/O Berlin, das Museum für Fotografie in der Jebensstrasse. Auch unser Umbau des U-Bahnhofs Bismarckstrasse wird sehr schön werden – nur ein Meisterstück zu nennen geht gar nicht! Jedes hat seine besondere Individualität, Herausforderung, die es gilt zu meistern und dann hängt man sehr daran …
Wenn Sie vor 15 Jahren das Marta Herford hätten planen können, wie würde es aussehen, oder aber was würden Sie bauen, wenn Sie ohne jegliche Einschränkungen agieren könnten?
Garantiert würde das Marta nicht so aussehen, wie es jetzt aussieht! Ich hätte weniger einen so hochfrequent geführten Dialog mit der umgebenden Stadt gesucht. Bei den sehr objekthaften Gehrybauten habe ich immer die Befürchtung, daß die gestalterische Veralterungsgeschwindigkeit sehr groß ist. Was heute top modern ist – ist leider morgen top unmodern. Ich hätte einen zeitlosen baulichen und räumlichen Ausdruck gesucht, der mit den Mitteln der Architektur den Sonderbau Museum, seine Lage in der Stadt und am Landschaftsraum der Aa weniger objekthaft umgeht. Vielleicht kann man ohne Einschränkungen gar nicht frei bauen! Ich verstehe Ihre Frage so: welches wäre eine Bauaufgabe, die mich sehr reizen würde? Meine Antwort: Räume, die rein durch architektonische Gestaltung „aufgeladen“ werden: eine Kapelle, Kirche, Museum, so etwas.
Viele Architekten bauen, um Neues entstehen zu lassen. Sie spezialisieren sich in vielen Projekten darauf, den Entwurfsgedanken des jeweiligen Baus in den Fokus zu rücken. Ist Ihnen das wichtiger als Ihre eigenen Vorstellungen und Visionen und was ist ihre Vision von Architektur ?
Umbauen oder das Entwerfen mit dem Bestand ist eine recht komplexe Aufgabe, die sich ganz anderen Methodiken, Kenntnissen und Abläufen unterwirft als der Neubau. Und: das Neue muß besser sein, als das Bestehende, damit etwas faszinierendes Neues entsteht! Insoweit ist das Neue nicht unwichtiger als das Bestehende, im Gegenteil! Puh! Meine Vision von Architektur … große Worte! Ich wünsche mir gute Häuser und gute Räume, die Ausdruck der Gesellschaft sind und den Menschen etwas bedeuten. Architektur muss irgendeinen einen positiven Beitrag leisten: In die Stadt, in das Quartier, in den Straßenraum, in den Bestandsbau, für die Personen, in die Gesellschaft. Gestalterisch-räumlich muss sie eine Verbesserung bringen, einen Mehrwert erzeugen. Lediglich „Baumasse zu produzieren“, damit Geld umgesetzt wird, das ist zu kurz gesprungen. Adolf Loos, ein Wiener Architekt hat gesagt: „Jede Veränderung, die keine Verbesserung ist, ist eine Verschlechterung“