Tischtennis mit dem Mikrofon
Als die Museen in diesem Frühjahr geschlossen blieben, reduzierten sich auch die persönlichen Kontakte in der Kunst auf Videokonferenzen, E-Mails, Telefonate. Mit Christina Végh, der Direktorin der Kunsthalle Bielefeld, bin ich einen ganz eigenen Weg gegangen: Wir schickten uns Sprachnachrichten hin und her! Das Ergebnis ist ein jetzt erst richtig aktuell werdendes „Audio-Ping-Pong“ zum „neuen Normal“.
Es war Anfang Februar 2021, der viel längere zweite Lockdown in vollem Gang, die Corona-Inzidenzzahlen hoch. Das Marta Herford war da schon wieder über drei Monate geschlossen und die fertig installierten Ausstellungen schlummerten in einem voll klimatisierten Dauerschlaf. In meinem Direktorenbüro allerdings war viel los, nur hatte sich die Arbeit von den künstlerischen Inhalten zu großen Teilen zu organisatorischen, betriebswirtschaftlichen und personalrelevanten Fragen verschoben.
Neue Fragen
Trotzdem kreisten natürlich auch weiterhin viele Überlegungen und Gedanken um zukünftige Ausstellungsprojekte, Ideen für die Zeit „nach“ Corona oder kulturelle Fragen, die sich uns im Rahmen dieser Pandemie ganz neu stellen. Eine davon trieb nicht nur mich um, sondern tauchte immer wieder auch in Gesprächen mit den Kolleg*innen auf: Wird es wieder einen „normalen“ Ausstellungsbetrieb geben oder verursacht diese Zeit einen grundsätzlichen Wandel in der Kultur? Wie könnte eine neue, vielleicht veränderte Normalität in der Kunstwelt aussehen?
Christina Végh kam mitten im Pandemiejahr 2020 als neue Direktorin an die Kunsthalle Bielefeld. Wir kennen uns seit langer Zeit, es gab aber erst einmal kaum eine Möglichkeit für einen sonst ja „normalen“ Antrittsbesuch mit begeistertem Gedankenaustausch über neue Möglichkeiten und Perspektiven. Also telefoniert man erst mal, schreibt sich – und die Frage danach, wie es mit den Museen, der Kunst, den Kunstschaffenden oder auch dem klassischen Ausstellungsbetrieb wohl weitergehen möge, trieb uns beide um, jeweils aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln.
Kopfkünstler*in mit Kunstkopf
Und so entstand die Idee, unsere Überlegungen zu einem möglicherweise neuen Normal und wie es aussehen könnte, nicht einfach aufzuschreiben, sondern als kleine Voicemails auszutauschen: spontan formuliert, mit schweifenden Gedanken, und jeweils dem Gegenüber gestellten Fragen – das Format des Audio-Ping-Pongs war geboren. Und da die Kunsthalle Bielefeld und das Marta Herford nur rund 15 Kilometer voneinander entfernt in angrenzenden Städten liegen, war es auch klar, dass wir diesen Dialog über die Stadtgrenzen hinweg gerne als Start einer neuen regionalen Zusammenarbeit öffentlich machen wollten.
So kam schließlich noch der Hörspielproduzent Simon Kamphans ins Spiel, der sich mit seinen Produktionen vor allem für den Headroom-Verlag bereits einen hervorragenden Namen gemacht hat. Er nahm sich unsere einzelnen Soundfiles dann gezielt vor, ließ sie durch diverse Filter laufen und vor allem mischte er sie komplett im sogenannten binauralen Stereo ab. Dadurch entsteht eine ausgedehnte Klangbühne, die man bereits aus der Kunstkopf-Stereofonie kennt und die die Stimmen (allerdings nur mit Kopfhörer) in einem Rundumraum hörbar macht, also nicht eingeklemmt zwischen den beiden Ohren, sondern außerhalb des eigenen Kopfes. Natürlich hatten wir in unserem Fall die Sprachdateien mit einem ganz normalen Mikrofon aufgenommen (und nicht mit einem dafür eigentlich notwendigen Kunstkopf), aber dieser spezielle Hörgenuss lässt sich mittlerweile auch nachträglich digital berechnen und abmischen.
Und jetzt Kopfhörer auf!
Ich danke vor allem Christina Végh dafür, dass sie sich gleich am Anfang ihrer Amtszeit in Bielefeld auf dieses kleine Experiment eingelassen hat und ihren so klugen Input mit uns teilt. Und natürlich geht auch ein großer Dank an Simon Kamphans, der ohne große Vorgaben unsererseits eine ganz eigene Soundatmosphäre für diesen coronabedingten Gedankenaustausch geschaffen hat.
Setzen Sie sich also Ihre Kopfhörer auf und genießen Sie unser rund 10-minütiges Audio-Ping-Pong „Das neue Normal“ in einem eigenwilligen und inspirierenden Klanggewand. Viel Spaß!