Ungleiche Paare: Wie geht das zusammen?
Gleichungen begegnen uns schon in der Schule. In der Mathematik gilt: Die Gleichung stimmt, wenn auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens identische Werte stehen.
In Alltag und Kunst geht es bei Vergleichen ein wenig flexibler zu. So lernen wir bereits bei Kinderspielen im Kleinkindalter, dass wir zwei Augen, Ohren, Arme, Hände, Beine und Füße haben. Und nicht ohne Grund basiert eines der bekanntesten Gesellschaftsspiele – das Memory – auf dem Prinzip der Paarbildung.
Der Vergleich lässt aber nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Unterschiede zwischen den Dingen hervortreten. Wir stellen daher recht schnell fest, dass die rechte und die linke Seite unseres Körpers unterschiedlich stark sind. Ebenso wie die gleichen Paare, haben auch die ungleichen Paare ihr Spiel hervorgebracht: „Teekesselchen“ kann auf langen Reisen die Zeit enorm verkürzen. Mein persönliches Lieblings-Teekesselchen ist übrigens der „Zylinder“ …
Manchmal können die ungleichen Paare uns aber auch fast in den Wahnsinn treiben, so zum Beispiel dann, wenn wir nach dem Wäschewaschen auf der Suche nach dem zweiten passenden Socken schier verzweifeln.
Auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen sorgen ungleiche Paare für Aufregung: „Ungleiche Paare seien – gemessen an den Alltagserfahrungen der meisten – nicht die Regel. Und deshalb schauen viele Menschen hin.“ Sie „ecken in der Öffentlichkeit (…) häufig an“, heißt es in der Welt vom 3.9.2014.
Ungleiche Paare können auch gerade wegen ihrer Ungleichheit das Interesse der Öffentlichkeit wecken – wie beispielsweise Nicolas Sarkozy und seine Frau Carla Bruni.
Das Phänomen ungleicher Paare ist jedoch nicht neu. Bereits im 16. Jahrhundert hat der Künstler Lucas Cranach das Thema beeindruckend ins Bild gesetzt. „Das ungleiche Paar“ zeigt, warum zwei Personen oftmals trotz alledem zueinander finden und was die Gegensätze gegebenenfalls überbrückt: Der Alte trägt in seiner rechten Hand eine goldene Kette, die er der jungen Frau anbietet, um sie für sich zu gewinnen.
Doch nicht nur Ungleichheit, sondern auch große Ähnlichkeit zwischen zwei Menschen führt zu Irritationen. Mit viel Sinn für das Skurrile haben Diane Arbus und Roger Ballen in den 60er respektive den 90er Jahren Zwillinge abgelichtet. Noch erstaunt von der kuriosen Verdopplung, bin ich – sobald ich entdecke, dass es sich um Zwillinge handelt – aber auch schon dabei, die Unterschiede auszumachen.
Das sicherlich bekannteste Paar der Kunstwelt ist EVA & ADELE. Mit ihrer lebenslangen Performance beglücken sie seit 1991 eine breite Öffentlichkeit rund um den Globus, indem sie stets gemeinsam, vollkommen identisch gekleidet und mit einem Lächeln auf den Lippen bei internationalen Kunstevents erscheinen. Auf diese Weise verwandeln sie die Orte ihres Auftretens in etwas Neues: „Wo immer wir sind ist Museum“.
Im Frühjahr 2013 richtete ihnen Marta Herford eine Ausstellung aus. Neben den schillernden Lackkostümen, waren auch das zeichnerische Werk und einige Malereien zu sehen. Marta Herford konnte eine Arbeit für die Sammlung Marta erwerben – ein Schlüsselwerk in dem gemeinsamen Oeuvre, da es aus frühen Arbeiten von EVA besteht, die übermalt wurden, um sie in dem Gemeinschaftswerk aufgehen zu lassen. Die zwei Gesichter, die wie ein Logo auf dem Gemälde prangen, sind hier in einer Art Herzform vereint.

Diese Arbeit ist nun im Rahmen der Ausstellung „Paarweise“ zu sehen, in der jeweils zwei Werke der Sammlung Marta in einen Dialog treten.
Der Malerei von EVA & ADELE zur Seite gestellt findet man in der Ausstellung ein „Selbstprotrait als Hitler“ von Guillaume Bruère, das zum Vergleich einlädt. Lustvoll treibt der französische Künstler das Spiel mit der eigenen Identität auf die Spitze, indem er das rot angelaufene Gesicht des Diktators multipliziert. Während das Doppelportrait von EVA & ADELE zwei sehr ähnliche, jedoch eigenständige Identitäten darstellt, zeigt Bruère Hitler als multiple Persönlichkeit. Die gespenstische Kreatur mit einer Unmenge krakenhafter Arme und Augen ist eine Person und mehrere zugleich. Ich frage mich: Wie passt das zusammen?