Was bedeutet es eigentlich, eine Haltung zu haben?
Die aktuelle Marta-Ausstellung setzt sich intensiv mit dem Begriffspaar „Haltung & Fall“ auseinander. Das Spiel mit der körperlichen Anspannung und ihrer Auflösung sowie mit dem Scheitern als Chance sind seit jeher wichtige Themen für Künstler*innen. Eng damit verbunden sind auch gesellschaftliche und philosophische Fragen, die in diesem Sommersemester von Philosophiestudierenden der Universität Bielefeld individuell beantwortet wurden.
Die Zusammenarbeit mit Johanna Wagner vom Lehrstuhl für Praktische Philosophie an der Universität Bielefeld erwies sich von Beginn an als sehr fruchtbar: Die intensiven Gespräche über das Ausstellungskonzept und die Auswahl der Künstler*innen ergänzte unsere kuratorische Beschäftigung mit der Thematik um interessante Punkte. Während wir Ende Juni die Ausstellung „Haltung & Fall“ im Marta eröffneten, arbeitete Johanna Wagner im Sommersemester 2019 in einem Philosophieseminar zu dieser Thematik. Es ging unter anderem um die grundsätzlichen anthropologischen Fragen, was der Mensch ist und inwiefern Haltungen unsere Identität prägen oder gar konstituieren. Dabei stand immer auch die Frage im Fokus, wie sich unsere körperlichen und geistigen Anteile zueinander verhalten. Aus einer ethischen Perspektive wurde diskutiert, welche Haltungen wir gegenüber anderen und der Welt einnehmen sollten.
In einer großangelegten Sitzung zum Ende des Semesters besuchten die Studierenden mit Johanna Wagner und mir die Ausstellung. In einem bereichernden Austausch ergänzten wir künstlerische Blickwinkel um philosophische Ansätze. Als Abschluss waren die Studierenden gefragt, Essays zu verfassen, von denen einige hier auf unserem Marta-Blog nun veröffentlicht werden. Uns boten die Aufsätze bei der ersten Lektüre sehr interessante Zugänge und Gedankenexperimente. Wir bedanken uns bei Johanna Wagner und allen Studierenden für diese großartige Kooperation.
„Haltung und Fall – verschiedene Perspektiven“ von Mirko Jostmeier
Was erkennt man nicht alles bei einem Menschen anhand seiner Haltung. Haltungen sind etwas, worauf wir stolz sind, worüber wir uns definieren. An einer Haltung kann man erkennen, wie das Gegenüber ist. Kurzum: Wir messen Haltung(en) viel Bedeutung bei. Das ist auch nicht falsch. Tatsächlich sagen die Haltungen eines Menschen viel über ihn aus, da sie oftmals Werte aufzeigen. Doch geht es zu weit, wenn wir ebenfalls die Körperhaltung bewerten? […]
„Alles und Nichts.“ von Daniel Schmidt
„Ist die Kunst frei?“ Ich erwache aus meinem Tagtraum. Wir stehen im Eingang zur Ausstellung „Haltung und Fall“. „Hmm?“ „Da, an der Wand. Freiheit. Was denkst du?“ „Freiheit kann man nicht eingrenzen, Freiheit muss man ausatmen“, zitiere ich den Rapper Curse mit einem Hauch scheinbar intellektuellen Untertons. Kurze Stille. Wir reden noch ein paar Sätze, dann beginnen wir unseren Gang durch die Hallen und Räume. Die Ausstellung fließt nur so an mir vorbei; ich bin erneut in meine Gedankenwelt abgetaucht, gänzlich umströmt von dieser Frage: Was ist Freiheit eigentlich – und was hat das mit Haltung und Fall zu tun?[…]
Haltung in all seinen Facetten im Kunstwerk von Sebastian Stumpfs „Fences“ (2017) von Chiara Flaskamp
„Haltung und Fall“ – so lautet das Thema dieser Ausstellung. Doch was genau ist eigentlich eine Haltung? Beschrieben werden kann sie auf vielen verschiedenen Arten und Weisen und genau an dieser Stelle setzt die Haltungsdefinition Susann Köppels ein. Demnach lässt sich der Begriff Haltung in fünf Unterkategorien einteilen: der Körperhaltung, der inneren Grundeinstellung, der inneren Fassung, dem Verhalten sowie gehalten werden (Köppel (2016): 163). Jedoch sind sie nicht immer genau voneinander trennbar. Und genau diese Aspekte findet der aufmerksame Betrachter auch in dem 27-teiligen, aus Fotografien bestehenden Werk „Fences“ von Sebastian Stumpf wieder. […]
„Zurückhaltung als Haltung“ von Laura Käppele
Wir leben in einer Zeit in welcher von uns ständig erwartet wird, dass wir Haltung zeigen. Aufgrund unseres medialen Zeitalters, werden wir neben den Geschehnissen innerhalb unserer Gesellschaft, auch außerhalb dieser gewahr. Die Themen, zu denen man sich positionieren soll, sind so vielfältig wie komplex: Klimawandel, Rechtsruck der Gesellschaft, Artenschutz, Flüchtlingskrise, die Eignung von Politikern… Die Liste lässt sich endlos erweitern. Doch ist es überhaupt möglich, zu all diesen komplexen Problemen eine Haltung zu haben und kann diese dann überzeugend sein? […]
„Haltung und Fall – Eine Hassliebe“ von Sven Wiesrecker
Haltung und Fall – diese zwei Begriffe, die der Ausstellung im Marta ihren Namen verleihen, sind genau so eng miteinander verbunden, wie sie sich gegenseitig voneinander abstoßen. Einerseits ist der Fall der größte und gefürchtetste Feind der Haltung, andererseits macht erst der Fall den Weg frei für eine neue Haltung. Man könnte auch sagen: Haltung und Fall – das ist eine Hassliebe. Sie vertragen sich nicht und dennoch brauchen sie einander so sehr. Diese Hassliebe bedarf einer Erläuterung. […]
„Haltungen als mentale Fotografie“ von Nico Eversmeier
Ein Foto kann einiges gemeinsam haben mit einer Geisteshaltung. Ein Foto ist eine Momentaufnahme, in der die eigentlich unausweichlichen Folgen des Abgebildeten ausgeblendet werden können. Man kann einen noch so flüchtigen Moment, in der eine mit dem bloßen Auge kaum erkennbare Zusammenkunft von Zufällen ein aberwitziges Bild erzeugt, verewigen. Man kann die Zeit anhalten. Man kann die Naturgesetze abschalten. Man kann die Realität nach seinem Belieben verbiegen. Man kann eine Stufe von Isolation erreichen, die ansonsten nur vor unserem inneren Auge möglich ist. […]
„Haltung bewahren.“ von Alina Lisanne Ebmeyer
Es scheint so, als lebten wir in einer Welt in der wir immer und immer wieder dazu aufgefordert werden, eine Haltung gegenüber bestimmten Dingen einzunehmen: Trump, Abtreibung, Umweltschutz, Politik, Universität, Sexualität, Migration, Nachhaltigkeit, Veganismus, Vegetarismus, Fleischkonsum, Körperpflege, Kinder, Ehe, soziale Medien, Kunst, TV, Gewalt. Die Liste ließe sich ohne weiteres noch dutzende Zeilen fortführen. Mitunter scheint es einfach eine Haltung einzunehmen, geht es zum Beispiel um den momentanen Präsidenten der USA: Donald Trump. […]
„Bericht über das Meer und die Weite“ von Philipp Schraufstetter
Das Meer ist als Ursprung allen Lebens schon immer Bezugs- und Sehnsuchtsort der Menschen gewesen. Eine gewisse Ruhe geht von dieser riesigen Fläche aus, die 2/3 unserer Erdoberfläche bedeckt. Jede Sekunde trifft das Meer auf Land und erzeugt ein warmes Rauschen, weiße Kronen und Aussichten, die sich in unser Gedächtnis einbrennen. In dieser Umgebung fällt es dem Mensch einfacher als anderswo, den Blick in die Weite des Horizonts schweifend, seinen Alltag hinter sich zu lassen. […]
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Haltung ist eine Idee in die Zukunft.