Was macht Tupac Shakur in Herford? Eine Spurensuche
Seit der Eröffnungsausstellung im Jahre 2005 steht sie unerschütterlich vor der Gehry-Architektur des Museums Marta Herford: die lebensgroße Skulptur von Tupac Shakur.
Empor gehoben auf einen knapp 5 m hohen Sockel und mit nach hinten verschränkten Armen, freiem Oberkörper und herabgesenktem Blick ist das lebensgroße Monument des italienischen Künstlers Paolo Chiasera (*1978, Bologna) eines der ersten Kunstwerke, das unsere Besucher*innen noch vor dem Eintritt ins Marta erblicken. Und mittlerweile ist es zum festen Bestandteil unserer „Museumsskyline“ geworden.
Casper und Marteria wetten um Herforder Tupac
Für viele bleibt jedoch die Präsenz des Gangsta-Rappers in Herford rätselhaft, wie übrigens auch für Deutsch-Rapper Marteria, der die Tupac-Statue gemeinsam mit Rap-Kollege Casper vergangenen Sommer besuchte. Marteria verlor dabei 50 Euro Wetteinsatz, weil er die Existenz einer Tupac-Statue in Herford bezweifelte. Wer es nachholen möchte: Ihr Besuch bei uns ist auf Caspers Youtube-Kanal dokumentiert.
„my (private) Heroes“
Wie also kam das Abbild der Hip-Hop-Legende in die ostwestfälische Hansestadt? Eigentlich ist die Geschichte kurz erzählt: Gründungsdirektor Jan Hoet entschloss sich bei der Marta-Eröffnungsausstellung „my (private) Heroes“ (2005) zu einer Auseinandersetzung mit dem Bild des Helden in der Kunst. Ein Thema, mit dem er sich nach eigenen Angaben in seiner langen und eindrucksvollen Karriere nie zuvor auseinandergesetzt hatte. Paolo Chiaseras „Tupac-Monument“ war Teil dieser Ausstellung und wurde im Außenbereich des Museums, nämlich mitten auf die Marta-Plaza positioniert. Nach Ausstellungsende verblieb das Werk als Dauerleihgabe von Elke und Heiner Wemhöner in der Sammlung Marta und somit an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort.

Ungeklärter Mordfall
Um den Beweggrund des Künstlers Paolo Chiasera für die Gestaltung eines solchen Monuments zu erklären, muss man sich die Bedeutung Tupacs für die Hip-Hop-Kultur vor Augen führen. Tupac Amaru Shakur starb am 13. September 1996 im Alter von 25 Jahren in Las Vegas – nur wenige Tage nachdem auf ihn aus einem fahrenden Auto mehrfach geschossen und sein rechter Lungenflügel dabei getroffen wurde. Bis heute ist nicht geklärt, wer für diese Tat zur Verantwortung gezogen werden kann. Mutmaßungen zufolge soll es sich um befeindete Gangmitglieder handeln. Tupacs ungeklärte Ermordung und auch die Tatsache, dass die potenziellen Verdächtigen kurz danach selbst Opfer von Schießereien wurden, bilden bis heute den Stoff für wilde Verschwörungstheorien.
2pac 4-ever
Zwar hat ihn sein Tod nicht in den Klub 27 befördert, aber ähnlich wie Kurt Cobain oder Jim Morrison starb er unter mysteriösen Umständen auf dem Höhepunkt seiner Karriere und katapultierte sich damit in die Hall of Fame der viel zu früh verstorbenen Musikikonen. Tupac, der von sich selbst behauptete, dass er nicht perfekt, aber immer authentisch sei, erlebt auch viele Jahre nach seinem Tod eine ungebrochene Anhängerschaft durch Fans auf der ganzen Welt. Mit über 75 Millionen verkauften Tonträgern gilt er nach Eminem als zweiterfolgreichster Rapper aller Zeiten. Posthum tauchte er jahrelang auf der Liste der Topverdiener auf. Von einem Karriereknick durch Ableben kann man also bei weitem nicht sprechen, denn genau damit setzte seine Legendbildung ein.
„Every rapper who grew up in the Nineties owes something to Tupac“ (50 Cent)
Auch heute noch, über zwanzig Jahre nach seinem Tod, wird die Erinnerung an den Gangsta-Rapper medial aufrechterhalten. Die Faszination für Tupac mag wohl darin begründet sein, dass er – unverfälscht wie kaum ein anderer – die wirklich gesellschaftlich relevanten Themen wie Rassismus, Gewalt und soziale Missstände innerhalb seiner Songs verarbeitete. Aus einem ärmlichen und kriminellen Umfeld stammend, avancierte er so zu einem postmodernen Helden, der Zeit seines Lebens mit dem Gesetz im Konflikt war. Selbst noch als Sterbender hielt er an seinen Idealen fest: Auf die Frage eines Polizisten, wer auf ihn geschossen hat, antwortete er schlicht „Fuck you!“, bevor er für immer das Bewusstsein verlor.
Sein Status innerhalb der Hip-Hop-Kultur ist bis heute ungebrochen, das erleben wir auch bei uns im Marta immer wieder. Viele kommen vorbei, versammeln sich, machen Selfies an der Skulptur und vertaggen uns bei Instagram oder stellen uns Fragen zum Werk. Es ist schön zu sehen, dass wir damit – eine zugegebenermaßen sehr kleine – Anlaufstelle der Hip-Hop-Kultur geworden sind.
Graffitis als Ausdruck der Hip-Hop-Community
Mit der Tupac-Statue greift der italienische Künstler Paolo Chiasera die eigentlich mittlerweile unübliche Tradition des künstlerischen Denkmals auf. Zunächst präsentierte er sein Vorhaben „Tupac-Project“ auf einer eigens angelegten Website und stellte es dort der Hip-Hop-Community zur Diskussion. Danach wurde in Lebensgröße ein aus Beton gefertigtes Abbild der Rap-Ikone auf einem etwa 5 m hohen Sockel platziert. Dieser Sockel, ebenfalls aus Beton, wurde absichtlich in seiner natürlichen Oberfläche belassen. Denn in Anlehnung daran, dass Graffitis ein fester Bestandteil der Hip-Hop-Kultur sind, können sich hier Sprayer*innen verewigen, die Säule als Kommunikationsplattform nutzen und dem toten Musiker ihre Ehrerbietung zeigen.
Der (Anti-)Held als Heldendenkmal
Paolo Chiasera, der selbst schon im Alter von zwölf Jahren in der Graffiti-Szene seiner Heimatstadt Bologna involviert war, entschied sich mit der Wahl eines Tupac-Denkmals bewusst für das Monument eines (Anti-)Helden, der den traditionellen Gedanken eines Heldendenkmals zwar aufgreift, ihn aber gleichzeitig erweitert. Ob Tupac es selbst gefallen hätte? Vielleicht wäre ihm die Aufforderung zum Sprayen etwas zu legal. Aber durch die Partizipation von Graffiti-Sprayer*innen und Künstler*innen wird die Erinnerungskultur immer wieder neu aktiviert und lebendig gehalten. Sie ist aber auch einem zeitlichen Wandel unterworfen. Spannend wird es daher zu sehen sein, ob und wie die Erinnerungskultur am „Tupac-Monument“ in den kommenden Jahrzehnten gelebt wird.

Wandelbare Graffiti-Säule
Momentan ziert ein Werk des lokalen Graffiti-Künstlers Sponk alias Dan Geffert die Tupac-Säule. Innerhalb von vier Tagen hat er die 16 m² große Fläche in Anlehnung an unseren Gehry-Bau mit Ziegelsteinmotiven versehen. Zudem prangt der Schriftzug „Marta“ neben insgesamt fünf Einschusslöchern darauf. Sie verweisen auf die Schüsse, die Tupac letztendlich getroffen haben sollen. Durch den Wunsch von Paolo Chiasera, eine wandelbare Graffiti-Säule entstehen zu lassen, verändert sich so seit über 15 Jahren das Aussehen dieses Denkmals und prägt durch seine exzeptionelle Positionierung damit auch immer wieder den Blick auf das Museum neu. Marta ist daher womöglich eines von ganz wenigen Museen, das sich immer über den Besuch von Graffiti-Künstler*innen freut – sofern die Gehry-Architektur und die übrigen Werke weiterhin unangetastet bleiben.
3 Replies to “Was macht Tupac Shakur in Herford? Eine Spurensuche”
Comments are closed.
Ich freue mich sehr darüber, die Säule von Tupac mit Graffiti und Airbrush gestaltet zu haben und somit Paolo Chiasera und der einzigartigen Architektur von Gehry meinen Tribut gezollt zu haben.
Bereits seit einigen Jahren bin ich künstlerisch in Herford aktiv, besprühe Stromkästen und Hausfassaden. Neben diesen Graffiti Aufträgen hatte ich schon immer die Säule von Tupac ins Auge gefasst, um dort live Graffiti-Kunst zu schaffen und die Besucher des Marta’s nun auch mit meiner Arbeit erfreuen zu können.
Ich danke herzlich für die Aufnahme meiner Graffiti-Arbeit hier im Marta Blog.
freundliche Grüßen an das gesamte Marta Team,
Sponk
Wow. Ich gebe normalerweise meine Daten nicht an in solchen Kommentarbereichen, aber ich möchte meinen Respekt ausdrücken für diese Statue. Steht die noch? Wunderschön. WUNDERSCHÖN!!! Ich werde nur wegen dieser Statue dieses Museum besuchen!
Vielen Dank! Ja, die steht dauerhaft vor unserem Museum. Wir freuen uns auf den Besuch!