5 Fragen an Anika Meier
Im März hatten wir im Marta Besuch von der freien Autorin und Bloggerin Anika Meier. Seit einigen Jahren geht sie in vielen Ihrer Texte den Phänomenen und Trends aus dem Internet, insbesondere in den sozialen Medien auf den Grund.
In unserem Interview wollten wir mehr erfahren über den Umfang mit dem eigenen Körper in den virtuellen Netzwerken.
Die Begriffe „Bodyshaming“ und „Body Positivity“ sind ja gerade in aller Munde. Kannst du kurz erläutern, was darunter zu verstehen ist?
A.M.: Wenn Frauen wegen ihres Körpers diskreditiert und öffentlich diffamiert werden, weil sie zu dick, dünn, weiß, schwarz, picklig, groß, klein, zu behaart, alt, androgyn, blond oder rothaarig sind, kurz, wenn sie nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen und deshalb diskriminiert werden, wird der Begriff Bodyshaming und in den sozialen Medien das Hashtag #bodyshaming verwendet. Es können natürlich auch Männer davon betroffen sein. Hass und Anfeindungen treffen online schnell Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder sich öffentlich äußern.
Denken wir nur daran zurück, was der österreichische Autor Thomas Glavinic letzten Sommer über Stefanie Sargnagel auf Facebook äußerte – er nannte sie einen „sprechenden Rollmops“. Gehen in Diskussionen die Argumente aus, kann es schnell persönlich werden, wenn Frauen involviert sind. Stefanie Sargnagel hat ihre Erfahrungen auf Facebook zusammengefasst.
Nur, wie viele Frauen sagen wohl zu einem Mann, wenn sie nicht mehr weiter wissen: „Ey, Alter, lass Dir erst einmal Haare wachsen!“ In ihrem Text über „Körperbeschimpfungen als Kampfmittel“ bei ZEIT Online hat Catherine Newmark auf eine Studie des Guardian hingewiesen, die zeigte, wie sie schreibt, dass „von seinen zehn in den Onlinekommentaren am meisten geschmähten Autoren acht Frauen sind (die anderen beiden sind schwarz).“
Die Body Positive-Bewegung setzt genau an dieser Stelle an. Alle Körperformen sind okay, dafür steht diese Bewegung, die gern als der neue Trend im Feminismus bezeichnet wird oder als Bewegung für ein neues Körpergefühl. So neu ist das natürlich alles nicht, aber jetzt gibt es eben ein Hashtag dafür. Kolja Reichert hat kürzlich in der FAZ darüber geschrieben, dass es möglich wäre, „die Geschichte der zurückliegenden fünf Jahre anhand etwa der folgenden Hashtags zu erzählen. #Egypt, #PrayForJapan, #OccupyWallStreet, #BringBackOurGirls, #BlackLivesMatter, #MakeAmericaGreatAgain.“ Er hat an ein Geschichtsbuch gedacht – vielleicht wäre in diesem Buch ein Unterkapitel dem Hashtag #bodyshaming gewidmet, wenn es um das Thema Selbstbestimmung und Normen geht.
Wie machen sich „Bodyshaming“ und die „Body Positive-Bewegung“ in den sozialen Netzwerken bemerkbar?
Um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, muss man nur durch die Social Media-Timelines scrollen und sich durch Online-Medien klicken. Bei mir passiert da relativ viel, in anderen Filterblasen kann es natürlich ganz anders aussehen.
Heute Morgen habe ich zum Beispiel auf Instagram gesehen, dass Melodie Michelberger, die Co-Gründerin von Trust The Girls, mit anderen Frauen bei einem Shooting war. Worum es genau geht, verrät sie an dieser Stelle nicht, nur, dass es etwas mit #bodypositivity zu tun hat.
Videostill: https://www.instagram.com/p/BTDmIvWg0e_/?taken-by=melodie_michelberger
(Okay, wenn man sich durch die weiteren Hashtags in der Bildunterschrift klickt, wenn man sich also aktiv um Informationen bemüht, kann man erahnen, dass es um Bademode geht, die die weibliche Diversität feiert.)
Auf Facebook habe ich im Laufe des Tages erfahren, dass es in New York ein Launch Event zum Buch „Pics or It Didn’t Happen“ der Net Artists Molly Soda und Arvida Byström geben wird.
Foto: https://www.instagram.com/p/BSecLBDlPyZ/?taken-by=arvidabystrom
Die beiden haben Bilder gesammelt, die von Instagram zensiert wurden, weil andere Nutzer diese Inhalte als anstößig gemeldet haben. Im Buch sind hauptsächlich Bilder von jungen Frauen zu sehen, die mal zu viel Brust, mal zu viel Schamhaar und mal zu viel Körperflüssigkeiten zeigen. 2017 stören sich einige Menschen immer noch an den Körperhaaren anderer Menschen. Sie stören sich sogar so sehr daran, dass sie etwas dagegen unternehmen müssen – sie melden die Bilder oder hinterlassen wütende Kommentare.
Dann ploppte ein Text aus der TAZ über Achselhaare in der Werbung auf, weil sie dort noch immer nicht gern gesehen sind. Es geht um einen TV-Spot von Otto, in dem der Modedesigner Guido Maria Kretschmer Achselhaare selten dämlich als „Rauhaardackel“ bezeichnet, während ein paar Tage zuvor das Magazin Sleek noch mit einem Link auf Facebook pünktlich zum Frühjahrsbeginn daran erinnerte, dass Achselhaare total im Trend sind. Auf Facebook ging es in den Kommentaren ordentlich zur Sache. „Gross. but who cares what these dirty ass hippies do?!“, wird da kommentiert. Oder: „Don’t try to make hairy armpits happen. It won’t happen. Its just gross, on both men and woman.“ Was zumindest auch ein bisschen zutreffen dürfte: „Clickbait shit!“ Man weiß eben, wie man die Gemüter der Facebook-Nutzer erregt.
Inwieweit ist das Schamgefühl in diesem Kontext relevant?
Auf diese Frage kann ein Psychologe oder ein Soziologe sicherlich um einiges fundierter antworten als ich.
Instagram versteht sich als eine diverse Community, das populäre Netzwerk ist für alle offen zugänglich, hat aber strenge Richtlinien um gleichzeitig ein „sicherer Ort“ zu sein. Diese Richtlinien verbieten aber bestimmte Formen von Körperbehaarung oder das Zeigen von bestimmten Körperteilen. Bietet sich Instagram als Plattform daher überhaupt an, um für ein positiveres Körpergefühl zu „werben“, wenn man den Körper nur unter bestimmten Auflagen zeigen darf?
Was gelöscht wird, hängt natürlich in gewissen Fällen auch von den eigenen Followern ab. Sobald ein Nutzer ein Foto meldet, wird es geprüft und gegebenenfalls entfernt. Es werden also nicht per se Fotos von Frauen mit Körperbehaarung gelöscht. Molly Soda erzählte mir kürzlich in einem Interview, das ich mit ihr für Spiegel Online führte, bei ihr seien es eher Frauen, die wütende Kommentare schreiben. Einige ihrer männlichen Follower finden Köperhaare ziemlich gut, da schlägt es dann aber schon wieder um, meint Molly, weil daraus ein Fetisch werde. Deshalb, ja, Instagram bietet sich dafür an, da es ein soziales Fotonetzwerk ist, das über 500 Millionen Menschen nutzen. Man kann also ziemlich viele Menschen erreichen oder Menschen finden, die ähnliche Probleme haben und ähnliche Erfahrungen machen.
Foto: https://www.instagram.com/p/BRBk_yaAAMp/?taken-by=bloatedandalone4evr1993
Ich könnte jetzt eine lange Liste an Beispielen nennen von Net Artists, die sich unter anderem mit diesem Thema befassen, wie in Fotos, Videos und Installationen Arvida Byström und Molly Soda, wie die Australierin Frances Cannon in Zeichnungen, wie Alexandra Marzella in ihren Performances und ihrer Fotografie und wie Petra Collins wiederum in ihrer Fotografie.
Und dann gibt es beispielsweise Accounts wie @bodypositivememes und @bodyposipanda . Megan hat mittlerweile 745.000 Follower auf Instagram, in ihrem Profil steht ihre eigene Geschichte in Kurzfassung: „Anorexia Conqueror“, sie hat ihren Kampf gegen die Magersucht gewonnen. Die Medien berichten und Megan sagt Sätze über die Body Positive-Bewegung wie: „Es ist die Ecke des Internets, in die du gehen kannst, wo du – egal, wie du aussiehst – immer gut genug bist. Hier gibt es keinen Druck zu glauben, du könntest erst glücklich sein, sobald du schlanker bist […] Hier wird dir nicht gesagt, dass dein Wert darin liegt, was die Waage anzeigt. Es ist der Ort, den ich vor all diesen Jahren so sehr gebraucht habe.“
Foto: https://www.instagram.com/p/BR_rXudhPc3/?taken-by=bodyposipanda
Gibt es Werke in der Ausstellung „Die Innere Haut – Kunst und Scham“ die das Thema „Body Positivity“ aufgreifen und wenn ja, auf welche Weise setzten sich die Künstler mit dem Thema in ihren Werken auseinander?
Wenn mich nicht alles täuscht, sind in der Ausstellung keine Werke, die explizit Bezug auf diese Thematik nehmen – also, die Bezug nehmen auf den Kampf um Akzeptanz aller Körperformen, der erst durch die sozialen Medien und den Netz-Feminismus mehr Menschen erreicht hat. Über dieses Thema schreibe ich in meinem Beitrag auf artefakt, folgen Sie mir, hier entlang, bitte.
Hinweis:
Anika Meier lebt und arbeitet in Hamburg und im Internet. Sie ist freie Autorin. Für das Monopol Magazin schreibt sie einen Blog über Fotografie und soziale Medien. Auf Instagram ist sie als @gert_pauly unterwegs, wo sie mit der This Ain’t Art School spielt und mit Museen, Verlagen und Kulturinstitutionen zusammenarbeitet.