Kunst auf dem Prüfstand – Teppiche und Drohnen im Marta
„Magie und Macht – Von fliegenden Teppichen und Drohnen“ lautet der Titel unserer aktuellen Ausstellung. Das ruft doch märchen- und zauberhafte Assoziationen hervor, lässt uns gedanklich in 1001 Nacht kehren.
Mit der Erwähnung der Drohne am Ende des Titels schrecken wir auf und kehren gedanklich wieder in die Gegenwart. Die Drohne begreifen Laien zumeist als ein technisch hoch entwickeltes Flugobjekt, das anscheinend autonom und unberechenbar agiert. Was verbindet dieses scheinbar ein Eigenleben führende technische Erzeugnis mit dem sagenumwobenen Teppich, der uns in ferne Länder träumen lassen soll? Das eine ist unserer Fantasie entsprungen, das andere harte Realität. Soll die Drohne eine erfüllte Dystopie des Traums von 1001 Nacht sein? So könnte es ein Kritiker formulieren. Um das alles zu thematisieren und zur Diskussion zu stellen, um als Museum der Aufgabe nachzukommen, ein Schwarzweißdenken aufzubrechen, gab es im Verlauf der Ausstellung einige Veranstaltungen, welche verschiedene Sichtweisen beleuchteten und somit die Kunst – wie auch schon bei Mark Dion geschehen – auf den Prüfstand stellten.
Zum Internationalen Museumstag (unsere Kuratorin Franziska Brückmann berichtete bereits) wurde zu mehreren Flugvorführungen der Filmexperte Thomas Dickenbrok eingeladen. Auf der Marta-Plaza gab er der Drohne ein Gesicht, zeigte dem Publikum, wie sie funktioniert und was aus ihrer Sicht zu sehen ist. Auch wenn er zahlreicheFragen zu Drohnen beantwortete, lag hier der Schwerpunkt darauf zu zeigen, welche filmischen Möglichkeiten eine Drohne eröffnet. Dass sie beispielsweise Winkel unseres dekonstruktivistischen Gehrybaus zeigen kann, die in einem Helikopter verborgen bleiben würden. Während dieser Vorführung erreichte uns folgender Tweet:
Gerade hat eine Drohne den Talibanchef abgeschossen. #algorithmen https://t.co/Ib17gtZjnR
— Petra van Cronenburg (@buchfieber) 22. Mai 2016
Er zeigt, dass Drohnen ambivalente Objekte sind: Wer sich schon eine Stunde vor Dickenbroks Flugvorführung vor dem Marta aufhielt, der konnte eine ganz andere Sichtweise auf die Drohnen erleben. Das Bündnis „Lebenslaute“ präsentierte sich und ihre Forderung „Keine Kampfdrohnen“ in einer selbstorganisierten Veranstaltung. Als Ort fungierte der Käthe-Elsbach-Platz, auf den im Rahmen der Ausstellung „Brutal schön“ ein Drohnenschatten aufgemalt wurde. Mit neu gedichteten Texten klassischer Volkslieder und Redebeiträgen verwiesen sie auf die enorme Bedeutung der Drohnen im Kriegstreiben und die von ihnen ausgehende Gefahr, wenn beispielsweise Menschen aus einer nicht mehr zu greifenden Entfernung per Knopfdruck getötet werden können.
Nur vier Tage nach dem Museumstag ging es dann weiter mit fliegenden Objekten: Der ortsansässige Modellflugverein nahm die Ausstellung zum Anlass mit uns gemeinsam eine „Flugnacht“ zu organisieren. Neben einer dialogischen Führung von Ausstellungsmacher Michael Kröger gemeinsam mit dem Vereinsvorsitzenden Volker Barthelmes wurden Simulatorflüge, sogenannte Lehrer-Schüler-Flüge und Flugvorführungen angeboten. Doch der Reihe nach: Die sehr große Gruppe, die an der Ausstellungsführung teilnahm, interessierte sich – wie bereits vermutet – besonders für die Drohnen der Ausstellung. Barthelmes nahm auch den Skeptikern die Angst, dass die Quadrocopter – wie er die Drohnen nennt – nichts per se Böses seien. Wie in jeder Szene gebe es auch hier schwarze Schafe, die heimlich Privates filmen, oder gar den Verkehr beeinträchtigen. Dem werde aber mit Gesetzesverschärfungen und Strafen Einhalt geboten. Leider führen diese Änderungen auch zu Einschränkungen für die ambitionierten, verantwortungsbewussten Hobby-Modellflieger. Fragen zu Umgang, Voraussetzungen und Einschränkungen im privaten Gebrauch von Drohnen schlossen sich an. Viel Technisches und persönliche Erfahrungen wurden zudem an Hand der Ausstellungsexponate besprochen.
Die Simulatorflüge in der Lobby gaben einen Einblick in die Faszination des Hobbys, das Lehrer-Schüler-Fliegen, bei dem auch ich eine der kleinen, sehr kostspieligen Drohnen durch das Marta-Forum fliegen durfte, verdeutlichte schließlich dessen Schwierigkeit. Wie in der Fahrschule übernimmt der Lehrer (hier also ein Mitglied des Modellflugvereins) wieder die Kontrolle, sobald der Flugstil des Schülers zu gefährlich wird. Dass dies bei mir stets nach wenigen Sekunden der Fall war, demonstrierte mir sehr eindrücklich, wie viel Fingerspitzengefühl und Fachkenntnis zur Reaktionsweise der Drohnen es bedarf, um diese so eindrücklich zu präsentieren, wie bei der Flugschau zum Ende des Abends. Hier wurden nicht nur waghalsige Manöver geflogen, sondern als Highlight der Veranstaltung auch Bilder (sogar ein Marta-M) in die sich drehenden Rotorenblätter projiziert. Die Begeisterung der Zuschauer sprach für sich.
Als letztes Ereignis dieser Reihe stand eine Führung mit dem Teppichexperten Jürgen Tönsmann an. Der Inhaber eines bekannten Teppichhauses und Teppichmuseums führte gemeinsam mit unserem Künstlerischen Direktor Roland Nachtigäller durch die Ausstellung und ließ an seinem umfassenden, durch unzählige Reisen angehäuften Wissen um die Teppichkunst teilhaben. So wurde wieder einmal die kunsthistorische Sicht durch kulturhistorische sowie Alltagsperspektiven ergänzt.
Auch wenn DurchschnittsbesucherInnen vielleicht auch gar nicht die Möglichkeit dazu haben, jede dieser Veranstaltungen zu besuchen, finde ich es unglaublich wichtig, den Alltag zumindest gelegentlich ins Museum zu holen. Gerade auch als Laie in Bezug auf Teppich und Drohnen, werden so die Werke nicht entmystifiziert, sondern man erhält die Möglichkeit sie in weiteren Facetten zu erfassen.
Es ist wichtig, dass wir uns als Museum den philosophischen, politischen und theoretischen Fragen stellen. Dass wir Künstlern den Raum geben, Entwicklungen unserer Zeit, unsere Gesellschaft, uns als Menschen betreffend, kritisch aufzugreifen und künstlerisch zu verarbeiten. Es ist aber ebenso wichtig, dass wir in alledem nicht den Wirklichkeitsbezug verlieren. Es ist unsere Aufgabe, im Sinne des Bildungsauftrags, Kunst und Leben zusammenzubringen, vor allem auch in der Rezeption. Die Veranstaltungen bieten daneben die Möglichkeit, Dinge zu zeigen, zu verdeutlichen und zu präsentieren, die sonst im Rahmen einer Ausstellung nicht gezeigt werden könnten. Und so hoffe ich, dass wir auch weiterhin das Leben ins Museum holen und ihn hier vorstellen können, dass sich weiterhin engagierte Menschen finden am Museum mitzuwirken und ihre Meinung hier hineinzutragen, so dass eine fundierte Meinungsbildung möglich ist.