Der „Salon Tactile“ von Erika Hock
Man kann sich kaum dagegen wehren – schon beim Betreten von Erika Hocks Rauminstallation wird das Bedürfnis groß, die Fadenvorhänge, die den Raum in verschiedene Bereiche aufteilen, zu berühren.
Die Künstlerin schuf in der Ausstellung „Ausbruch aus der Fläche“ mit dem „Salon Tactile“ einen atmosphärischen Raum, der die Grenzen zwischen Kunst, Architektur und Design verschwimmen lässt. Die Besucher*innen werden zum Verweilen eingeladen und können die Materialität des Kunstwerks direkt erfahren. Sie dürfen durch die bedruckten Fäden streichen, sich auf die Möbel setzen und in Büchern zum Thema Origami stöbern, um ihren eigenen Faltprojekten eine Form zu geben. Zudem dienen Filme aus Wissenschaft und Technik dazu, sich auch näher mit dem Origami-Prinzip auseinanderzusetzen.
Nach einem Entwurf von Mies van der Rohe und Reich
Während die Fäden dann so durch die Finger rinnen, erinnern sich einige Besucher*innen an Omas gemütliches Wohnzimmer oder an Lampenfransen aus früherer Zeit. Und tatsächlich hat Erika Hocks Rauminstallation einen historischen Bezug, denn sie ließ sich durch den Entwurf von Ludwig Mies van der Rohe und Lilly Reich für einen Berliner Messestand der deutschen Seidenwebereien aus dem Jahr 1927 inspirieren: Das historische „Cafè Samt und Seide“ kreierte einen in verschiedene Zonen aufgeteilten Raum und präsentierte das Material der Webereien, das im Gegensatz zu Hocks durchlässigen Vorhängen aus blickdichten Seidenvorhängen bestand.
Farben-und Schattenspiele
Samtig und seidig ist auch die Atmosphäre in Erika Hocks Raum. Die Farben der Fadenvorhänge verwandeln sich mal von Altrosa zu Türkis, mal von Lachsfarben zu Bordeauxrot. Durch die sich ständig bewegenden Fäden flirrt die geschwungene Oberfläche im Licht. Für die Künstlerin sind die Inszenierungen von Licht und Schatten wichtige Komponenten, denn sie bilden weitere Schichten ihres Werks. Außerdem erregt die knallgelbe Tischplatte, die das Zentrum der Installation bildet, die Aufmerksamkeit.
Auf dem Tisch liegen Materialien bereit, die die Besucher*innen falten, biegen und knautschen können. Verschiedene Workshops werden in Verbindung mit der kunstpädagogischen Abteilung des Martas im „Salon Tactile“ stattfinden, auch das ist eine weitere Komponente von Erika Hocks Konzept.
In der Gehry-Architektur
Indem sich die geschwungenen Schienen, an denen die Vorhänge angebracht sind, an den runden Formen des Gehry-Baus orientieren, werden die Wahrnehmung der architektonischen Umgebung verstärkt und die Besucher*innen animiert selbst kreativ zu werden. Umgeben von einem Ring aus Fäden, etwas abgeschirmt von außen, entsteht ein Gefühl der Geborgenheit – ein idealer Ort also, um zu verweilen oder um selbst etwas Neues zu entwickeln.
Hinweis:
Der Blogbeitrag stammt von Annemarie Gareis, die Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Stiftungsuniversität Hildesheim studiert. Noch bis Mitte April unterstützt sie das kuratorische Team im Marta als Praktikantin bei den Vorbereitungen zur Ausstellung „Ausbruch aus der Fläche“.