5 Fragen an Wolfram und Karsten Kähler
Das Sammeln ist eine der Grundaufgaben eines Museums. Dabei geht es nicht nur darum, wertvolle Kunstwerke, sondern auch gesellschaftliche Werte und kunsthistorische Tendenzen für zukünftige Generationen zu bewahren und zugänglich zu machen. Doch wie kann diese Aufgabe gelingen, wenn es keinen Ankaufsetat gibt? Ein Beispiel bietet die Initiative von Wolfram und Karsten Kähler. Die Brüder, die in Herford aufgewachsen sind, gingen den Weg einer Schenkung, um ihren Eltern ein Andenken zu setzen.
Im vergangenen Jahr kamen Sie auf das Marta Herford zu, mit dem Wunsch eine Schenkung an das Museum zu machen. Wie ist es dazu gekommen?
Durch den Tod unserer Eltern mussten wir das Haus verkaufen, in dem wir selbst groß geworden sind. Das war für uns eine intensive Erfahrung. Dabei geht es um Loslassen, Abschied und um Erinnerung. Wir beide sind schon lange aus Herford weggezogen und haben unser Glück an anderen Orten gefunden. Ohne lebende Eltern und ohne Haus als Treffpunkt der Familie verändert sich die Beziehung zum Ort erneut. Diese Beziehung wollen wir erhalten oder, vielleicht besser gesagt, neu aufladen in dem etwas von unseren Eltern und uns in Herford bleibt.
Die gemeinsamen Besuche im Museum Marta waren seit der Eröffnung fast schon zu einem Familienritual geworden. Die bewegenden Ausstellungen, die besondere Architektur des Gebäudes, ebenso wie die kritische Haltung einiger Herforder*innen dazu waren oft und gerne ein Gesprächsthema in unserer Familie. Das Marta hat uns und unsere Familie bereichert.
Hat sich durch den Schenkungsprozess Ihr Verhältnis zur Kunst, zur Stadt, oder dem Museum verändert?
Unsere Eltern waren sehr kulturaffin und das hat sich auf uns übertragen. Insofern war es auch logisch oder nahezu selbstverständlich, dass unsere Schenkung in diese Richtung gehen soll. Kunst und Kultur hat für unsere Familie einen hohen Wert. Zu ihrer Hochzeit im Jahr 1965 haben sich unsere Eltern ihrerzeit selbst mit einem Kunstwerk beschenkt, sie hätten mit dem Geld auch eine Reise machen können oder vielleicht eine Anzahlung für ein Auto vornehmen können. Die Entscheidung für das Kunstwerk war nachhaltiger – es hängt jetzt, über 57 Jahre später, in Köln.
Dass wir durch unsere Schenkung einen kleinen Beitrag zum Museum Marta leisten konnten, gibt uns ein gutes Gefühl, auch weil die Idee unseren Eltern gefallen hätte. Das glauben wir zumindest, wenngleich wir darüber nie miteinander gesprochen haben. Die Idee kam tatsächlich erst nach ihrem Tod.
Die Anlässe nach Herford zu kommen, sind für uns beide weniger geworden. Wir haben keine Verwandtschaft hier, die meisten Freund*innen von früher sind inzwischen selbst lange weggezogen. Durch die Zusammenarbeit mit dem Museum Marta haben wir für uns wieder einen schönen Anlass geschaffen. Die Ausstellungseröffnung war ein toller Abend. Herford wird für uns immer ein besonderer Ort bleiben.
Es gibt unterschiedliche Wege, wie man an so eine Schenkung herangehen kann. Sie waren sehr offen und haben uns Vorschläge machen lassen, was aus Sicht des Museums wünschenswert, sinnvoll und realistisch wäre. Wie war dieser Prozess für Sie?
Der gesamte Prozess war für uns sehr spannend. Der erste Kontakt war seinerzeit noch zu Roland Nachtigäller, der sich unserer Sache umgehend mit großer Leidenschaft und Interesse angenommen hat. Wir wussten natürlich selbst nicht, wie so etwas überhaupt abläuft, schließlich war es für uns eine ganz neue Erfahrung. Daher war die persönliche und äußert zugewandte Art sehr wichtig. Dass Kathleen Rahn und Friederike Korfmacher das laufende Verfahren direkt und ebenso enthusiastisch übernommen haben, war toll und hat es uns leicht gemacht. Wir waren sehr neugierig auf die Vorschläge und konnten so auch einiges über das kuratorische Konzept des Museums oder den Kunstmarkt lernen. Wir haben bewusst unseren eigenen Geschmack oder den unserer Eltern dabei zunächst zurückgestellt. Zwar ging es um eine Schenkung im Namen unserer Familie, aber ohne Bedingungen. Das wäre für uns anmaßend oder fast übergriffig gewesen. Schließlich arbeitet im Museum Marta ein hochprofessionelles Team, dessen Arbeit wir schätzen und auf dessen Kompetenz wir uns verlassen.
Letztendlich ist es ein Werk von Katja Novitskova geworden: „Approximation (Biobanks)“ (2022). Was interessiert Sie besonders an der Arbeit?
Katja Novitskova bewegt sich mit ihrer Arbeit im Hier und Jetzt. Die Bilderflut des Internets als unendliche Ressource zu begreifen und sie zu nutzen, um Positionen zu kreieren, ist sehr spannend und aktuell. Durch die Komposition und die künstlerische Inszenierung der Fragmente entsteht vordergründig ein prächtiges Farbenspiel, das uns anzieht. Bei genauerer Betrachtung werden wir in einen Diskurs reingezogen, der sich um das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Umwelt dreht. Gleichzeit wird die Frage nach Realität aufgeworfen: Woher kommen diese Bilder? Was ist übernommen, was ist adaptiert, selbst geschaffen oder bewusst verzehrt? Fragen, die uns heutzutage an vielen Stellen begegnen und auch uns beide, bei unserer Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, kontinuierlich beschäftigen.
Und, kommt man auf den Geschmack? Können Sie sich vorstellen sich in der Zukunft nochmal in ähnlicher Weise zu engagieren?
Ja, durchaus, denn der Prozess war eine wunderbare Erfahrung. Aber es ist auch klar, dass man das Geld dafür haben muss. Deshalb wird es sicherlich etwas dauern, bis es eine Fortsetzung geben kann. Aber vielleicht inspiriert unsere Geschichte andere dazu, auf ähnliche Art und Weise tätig zu werden. Das wäre großartig. Tatsächlich hatten wir zunächst gedacht, dass diese Form des Engagements sehr viel alltäglicher ist. Durch die Gespräche mit dem Museum oder Freund*innen und Bekannten stellten wir aber fest, dass dem gar nicht so ist. Aber warum eigentlich? Wir können das sehr empfehlen.