Das Museum als „dritter Ort“?
Mitmachen, erleben, sich selbst erfahren, das alles sind Gründe, warum Menschen ins Museum gehen. Aber steckt noch mehr hinter dem Besuch der Kultstätte?
Unter dem Titel „The great good place“ veröffentlichte der US-amerikanische Soziologe Ray Oldenburg 1989 sein Werk, das die Idee vom „dritten Ort“ der Öffentlichkeit vorstellte. Heute wird dieser „dritte Ort“ im Zusammenhang mit der Funktion von Museen vielerorts diskutiert. Laut Oldenburg ist neben dem „ersten Ort“ des privaten Zuhauses und dem „zweiten Ort“ der Arbeit ein „dritter Ort“ für ein gelingendes Leben unabdingbar. An diesem Ort, der in erster Linie der Kommunikation dient, sollen soziale Interaktionen und damit einhergehender Stressabbau möglich sein.
Kaffeehäuser, Pubs und Biergärten als Vorbild
Oldenburg sieht in Wiener Kaffeehäusern, britischen Pubs und deutschen Biergärten solche Orte, die soziale Räume schaffen. In amerikanischen Vorstädten seien sie aufgrund der Motorisierung der allermeisten Bewohner*innen gegen Ende des 20. Jahrhunderts beinahe ganz verschwunden. Zum Ausgleich von Arbeits- und Familienleben sei ein solcher Ort nötig, der unter anderem gesellschaftlichen Austausch unter Gleichberechtigen an einem frei zugänglichen Platz ermöglicht. In der Kulturpolitik sehen derzeit viele in Museen vor allem in ländlichen Regionen Potential für solch „dritte Orte“. Doch: Sehen das die Besucher*innen von Museen genauso? Warum besuchen Menschen im 21. Jahrhundert überhaupt ein Museum?
Sokrates for ever
Wir haben uns unter unseren Besucher*innen ein wenig umgehört und folgendes erfahren: Menschen gehen ins Museum und sie tun dies nach wie vor mit ungebrochenem Interesse und mit Leidenschaft. Viele besuchen solch ein Ausstellungshaus alleine, aber noch mehr gestalten den Besuch gemeinsam mit der Familie, mit Freunden oder mit einer Gruppe von Gleichgesinnten. Und dann tauscht man sich über das Gesehene aus: Man spricht mit seiner Begleitung, man kommuniziert (im Stillen) mit der Kunst und mit sich selbst. Man tut dies im Sinne von Sokrates´ philosophischem Dialog … zum Erkenntnisgewinn. Im Verlauf dieses Dialoges stellt man natürlich auch Fragen an die Kunst und hofft auf Anregungen zur Gewinnung von neuen Perspektiven, auf die Entdeckung spannender Einsichten und vieles mehr.
„Kunst erleben im Marta bedeutet für mich, neue Erfahrungen zu sammeln.“
Das Museum fungiert somit an dieser Stelle als ein Raum, in dem Betrachtende Fragen an die Kunst stellen und umgekehrt. In unseren Führungen und Vermittlungsangeboten wollen wir ebenfalls genau dies. Wir möchten mit Hilfe von Fragen und Hinweisen mit dem Publikum ins Gespräch kommen und auch eine Kommunikation untereinander initiieren. Also ganz im Sinn von einem „dritten Ort“, wie ihn Oldenburg sieht. Kunst ermöglicht den Marta-Besucher*innen auf diese Weise eine Erfahrung, die sie im Alltag, zum Beispiel an ihren „ersten und zweiten Orten“, so nicht sammeln.
Kommunikatives Potential kommt gut an
In unserem mehr und mehr digital geprägten Alltag, in der Menschen in Gefahr stehen einen Großteil ihrer Zeit nicht nur am „zweiten Ort“ der Arbeit, sondern zunehmend auch am „ersten Ort“ des Zuhauses isoliert vor dem Rechner, Handy oder Tablet zu verbringen, ist ein sozial geschaffener, real existierender, jedermann frei zugänglicher, attraktiver Raum nötiger denn je. Die Stimmen unserer Besucher*innen haben gezeigt, dass sie das kommunikative Potential eines kulturellen Ortes sehr schätzen. Hier können Museen eine Möglichkeit sein, dies zu leben und ihr Angebot in diesem Sinne in Zukunft noch weiter auszubauen. Museum (Marta Herford) – a great good place…
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