Erik Schmidt – Folge den Markierungen
Zurzeit lohnt sich ein Ausflug in den ostwestfälischen Kurort Bad Oeynhausen nicht nur aufgrund des gesunden Thermalwassers, sondern auch wegen der international hochkarätigen Ausstellung des in Herford geborenen Malers und Videokünstlers Erik Schmidt.
Die Ausstellung bildet den Auftakt einer längerfristigen Kooperation von Marta Herford mit dem Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) in Bad Oeynhausen. In den Gängen und öffentlich zugänglichen Bereichen der Klinik sind im Moment über 30, teils großformatige Werke und Wandtapeten sowie ein Video des in Berlin lebenden Künstlers Erik Schmidt zu sehen.
Inmitten des Klinikalltags
Obwohl Schmidts Werk von einer enormen Wandlungsfähigkeit geprägt ist und er sich in unterschiedlichen Medien und Ausdrucksformen gekonnt bewegt, ist er doch in erster Linie als Maler bekannt. Seine Malerei nimmt ihren Ausgangspunkt in der Fotografie. Auf seinen häufigen Reisen und Auslandsaufenthalten hält er Landschaften, Alltagssituationen und anonyme Passant*innen mit der Kamera fest. Später bringt er die Motive in Öl auf unterschiedliche Leinwandformate.
Pastoser, gestischer Farbauftrag
Die gewählte Perspektive und der Ausschnitt der ursprünglichen Fotografie bleiben erhalten und machen den besonderen Charme seiner Werke aus. Pastos gemalt, mit kräftigen, breiten Pinselspuren und gestischem, kontrastreichem Duktus sowie meist leuchtenden, hellen Farben experimentiert Erik Schmidt mit dem Abbild der Wirklichkeit und treibt dieses Spiel in seinen neusten Werken auf den Höhepunkt. Er überträgt einzelne seiner fotografierten Motive als Drucke auf die Leinwand und erweitert diese malerisch. Fassaden und städtische Strukturen werden hervorgehoben oder Gesichter verfremdet. Malerei und Fotografie verweben sich und im Auge der Betrachtenden setzen sich die Motive des gedruckten Bildes und der Übermalung zu einer eigenen Realität zusammen. Aus der Ferne erscheinen die Werke – je nach Perspektive – entweder wie Malerei oder wie Fotografie.
Masse und Individuum
Die Ausstellung gliedert sich in vier große Themenkomplexe, die sich geografisch verorten lassen und jeweils Geschichten der Region oder des Landes erzählen. Während Erik Schmidts Aufenthalt in Tokio 2016 entstand eine umfangreiche Bildsammlung von Strommasten, Lampen und Kabelchaos, die man in den Tokioer Straßen entdeckt, wenn der Blick nach oben wandert. Ebenfalls sind arbeitende, lesende oder schlafende Menschen in der U-Bahn oder auf der Straße abgebildet. Die ab 2012 in New York entwickelte Werkserie spiegelt die Demonstrationen der Occupy-Bewegung in der Stadt wider. Straßenansichten mit Protestgruppen, Staatsmacht und besetzten Plätzen prägen die rein malerischen Motive.
Pulsierendes Gesamtwerk
Landschaften sind in der knapp zehn Jahre alten Israel-Serie des Künstlers zu sehen. Die Farben sind blasser, die Atmosphäre und das Licht gedrückter als in den aktuelleren farbenfrohen Werkzyklen. Die neuesten Bilder drehen sich motivisch um Erik Schmidts jetzigen Wohnort Berlin. In kippenden Perspektiven mit Blicken in Straßenschluchten und von Gebäuden auf darunterliegende Plätze sowie auf einzelne Personen aus der Masse des Alexanderplatzes wird die Realität des fotografischen Bilduntergrunds und der darüber liegenden abstrakten Farbfläche zu einem pulsierenden Gesamtwerk.
Das in Bad Oeynhausen gezeigte Video „Parking“ spielt ebendort in Berlin, allerdings Ende der 90er Jahre. Der Künstler porträtiert sich selbst, wie er mit dem Auto durch die – im Vergleich zu heute – sehr leere Hauptstadt fährt und in verschiedene Parklücken ein- und wieder ausparkt, auf der Suche nach Sinn und Struktur in einer fremd erscheinenden Alltagswelt.
Kunst und Klinik – eine heilende Symbiose?
Eingebettet in den Klinikalltag rufen die farbenfrohen Werke von Erik Schmidt einen anregenden Austausch hervor. Inmitten des tagtäglichen Bangens und der Hoffnung auf Genesung kann die Kunst den Heilungsprozess unterstützen, die Kommunikation fördern und neue Blickwinkel eröffnen. Studien belegen diese positive Auswirkung von Kunst auf Menschen, sodass seit letztem Jahr in Montreal Patienten sogar Museumsbesuche auf Rezept verschrieben werden. Kunst und Medizin – die Einheit von Körper und Geist sind seit jeher aktuell.
Die Ausstellung ist noch bis zum 2. September 2019 im Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen zu sehen. Begleitend ist ein umfangreicher monografischer Katalog erschienen.